6. Abschnitt.denn auch Traumdeutung, Prodigien und Zauber verachtete; aber selbst Leo X. scheint einen Ruhm seines Pontificates darin zu finden, daß die Astrologie blühe 1), und Paul III. hat kein Consistorium gehalten 2) ohne daß ihm die Stern- gucker die Stunde bestimmt hätten.
Bei den bessern Gemüthern darf man nun wohl vor- aussetzen, daß sie sich nicht über einen gewissen Grad hinaus in ihrer Handlungsweise von den Sternen bestimmen ließen, daß es eine Grenze gab, wo Religion und Gewissen Einhalt Ihre ehrbarere Gestalt.geboten. In der That haben nicht nur treffliche und fromme Leute an dem Wahn Theil genommen, sondern sind selbst als Repräsentanten desselben aufgetreten. So Maestro Pa- golo von Florenz 3), bei welchem man beinahe diejenige Absicht auf Versittlichung des Astrologenthums wiederfindet, welche bei dem späten Römer Firmicus Maternus kenntlich wird 4). Sein Leben war das eines heiligen Asceten; er genoß beinahe nichts, verachtete alle zeitlichen Güter und sammelte nur Bücher; als gelehrter Arzt beschränkte er seine Praxis auf seine Freunde, machte ihnen aber zur Bedingung, daß sie beichten mußten. Seine Conversation war der enge aber berühmte Kreis, welcher sich im Kloster zu den Engeln um Fra Ambrogio Camaldolese (S. 504) sam- melte, -- außerdem die Unterredungen mit Cosimo dem ältern, zumal in dessen letzten Lebensjahren; denn auch Cosimo achtete und benutzte die Astrologie, wenn gleich nur für bestimmte, wahrscheinlich untergeordnete Gegenstände. Sonst gab Pagolo nur den vertrautesten Freunden astro- logischen Bescheid. Aber auch ohne solche Sittenstrenge konnte der Sterndeuter ein geachteter Mann sein und sich
1)Pier. Valeriano, de infelic. literat. bei Anlaß des Franc. Priuli, der über Leo's Horoscop schrieb und dabei mehrere Geheimnisse des Papstes errieth.
2) Ranke, Päpste, I, p. 247.
3)Vespas. Fiorentino p. 660, vgl. 341.
4)Firmicus Maternus, Matheseos Libri VIII, am Ende des 2 Buches.
6. Abſchnitt.denn auch Traumdeutung, Prodigien und Zauber verachtete; aber ſelbſt Leo X. ſcheint einen Ruhm ſeines Pontificates darin zu finden, daß die Aſtrologie blühe 1), und Paul III. hat kein Conſiſtorium gehalten 2) ohne daß ihm die Stern- gucker die Stunde beſtimmt hätten.
Bei den beſſern Gemüthern darf man nun wohl vor- ausſetzen, daß ſie ſich nicht über einen gewiſſen Grad hinaus in ihrer Handlungsweiſe von den Sternen beſtimmen ließen, daß es eine Grenze gab, wo Religion und Gewiſſen Einhalt Ihre ehrbarere Geſtalt.geboten. In der That haben nicht nur treffliche und fromme Leute an dem Wahn Theil genommen, ſondern ſind ſelbſt als Repräſentanten deſſelben aufgetreten. So Maeſtro Pa- golo von Florenz 3), bei welchem man beinahe diejenige Abſicht auf Verſittlichung des Aſtrologenthums wiederfindet, welche bei dem ſpäten Römer Firmicus Maternus kenntlich wird 4). Sein Leben war das eines heiligen Asceten; er genoß beinahe nichts, verachtete alle zeitlichen Güter und ſammelte nur Bücher; als gelehrter Arzt beſchränkte er ſeine Praxis auf ſeine Freunde, machte ihnen aber zur Bedingung, daß ſie beichten mußten. Seine Converſation war der enge aber berühmte Kreis, welcher ſich im Kloſter zu den Engeln um Fra Ambrogio Camaldoleſe (S. 504) ſam- melte, — außerdem die Unterredungen mit Coſimo dem ältern, zumal in deſſen letzten Lebensjahren; denn auch Coſimo achtete und benutzte die Aſtrologie, wenn gleich nur für beſtimmte, wahrſcheinlich untergeordnete Gegenſtände. Sonſt gab Pagolo nur den vertrauteſten Freunden aſtro- logiſchen Beſcheid. Aber auch ohne ſolche Sittenſtrenge konnte der Sterndeuter ein geachteter Mann ſein und ſich
1)Pier. Valeriano, de infelic. literat. bei Anlaß des Franc. Priuli, der über Leo's Horoscop ſchrieb und dabei mehrere Geheimniſſe des Papſtes errieth.
2) Ranke, Päpſte, I, p. 247.
3)Vespas. Fiorentino p. 660, vgl. 341.
4)Firmicus Maternus, Matheseos Libri VIII, am Ende des 2 Buches.
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[514/0524]
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hat kein Conſiſtorium gehalten 2) ohne daß ihm die Stern-
gucker die Stunde beſtimmt hätten.
6. Abſchnitt.
Bei den beſſern Gemüthern darf man nun wohl vor-
ausſetzen, daß ſie ſich nicht über einen gewiſſen Grad hinaus
in ihrer Handlungsweiſe von den Sternen beſtimmen ließen,
daß es eine Grenze gab, wo Religion und Gewiſſen Einhalt
geboten. In der That haben nicht nur treffliche und fromme
Leute an dem Wahn Theil genommen, ſondern ſind ſelbſt
als Repräſentanten deſſelben aufgetreten. So Maeſtro Pa-
golo von Florenz 3), bei welchem man beinahe diejenige
Abſicht auf Verſittlichung des Aſtrologenthums wiederfindet,
welche bei dem ſpäten Römer Firmicus Maternus kenntlich
wird 4). Sein Leben war das eines heiligen Asceten; er
genoß beinahe nichts, verachtete alle zeitlichen Güter und
ſammelte nur Bücher; als gelehrter Arzt beſchränkte er ſeine
Praxis auf ſeine Freunde, machte ihnen aber zur Bedingung,
daß ſie beichten mußten. Seine Converſation war der
enge aber berühmte Kreis, welcher ſich im Kloſter zu den
Engeln um Fra Ambrogio Camaldoleſe (S. 504) ſam-
melte, — außerdem die Unterredungen mit Coſimo dem
ältern, zumal in deſſen letzten Lebensjahren; denn auch
Coſimo achtete und benutzte die Aſtrologie, wenn gleich nur
für beſtimmte, wahrſcheinlich untergeordnete Gegenſtände.
Sonſt gab Pagolo nur den vertrauteſten Freunden aſtro-
logiſchen Beſcheid. Aber auch ohne ſolche Sittenſtrenge
konnte der Sterndeuter ein geachteter Mann ſein und ſich
Ihre ehrbarere
Geſtalt.
1) Pier. Valeriano, de infelic. literat. bei Anlaß des Franc. Priuli,
der über Leo's Horoscop ſchrieb und dabei mehrere Geheimniſſe des
Papſtes errieth.
2) Ranke, Päpſte, I, p. 247.
3) Vespas. Fiorentino p. 660, vgl. 341.
4) Firmicus Maternus, Matheseos Libri VIII, am Ende des 2 Buches.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/524>, abgerufen am 24.11.2024.
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