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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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viel consequenter gewesen seien. Die Meisten werden inner-6. Abschnitt.
lich geschwankt haben zwischen Freigeisterei und Fragmenten
des anerzogenen Catholicismus, und äußerlich hielten sie
schon aus Klugheit zur Kirche.

Insofern sich dann ihr Rationalismus mit den AnfängenAnfänge nega-
tiver Kritik.

der historischen Kritik verband, mochte auch hie und da
eine schüchterne Kritik der biblischen Geschichte auftauchen.
Es wird ein Wort Pius II. überliefert 1), welches wie mit
der Absicht des Vorbauens gesagt ist: "wenn das Christen-
thum auch nicht durch Wunder bestätigt wäre, so hätte es
doch schon um seiner Moralität willen angenommen werden
müssen". Ueber die Legenden, insoweit sie willkürliche Ueber-
tragungen der biblischen Wunder enthalten, erlaubte man
sich ohnehin zu spotten 2), und dieß wirkte dann weiter
zurück. Wenn judaisirende Ketzer erwähnt werden, so wird
man dabei vor Allem an Läugnung der Gottheit Christi
zu denken haben; so verhielt es sich vielleicht mit Giorgio
da Novara, welcher um 1500 in Bologna verbrannt wurde 3).
Aber in demselben Bologna mußte um diese Zeit (1497)
der dominicanische Inquisitor den wohlprotegirten Arzt Ga-
brielle da Salo mit einer bloßen Reuerklärung 4) durch-
schlüpfen lassen, obwohl derselbe folgende Reden zu führen
pflegte: Christus sei nicht Gott gewesen, sondern Sohn des

1) Platina, vitae pontiff., p. 311: christianam fidem, si miraculis
non esset approbata, honestate sua recipi debuisse.
2) Besonders wenn die Mönche dergleichen auf der Kanzel frisch ersan-
nen, doch auch das längst Anerkannte blieb nicht ohne Anfechtung.
Firenzuola (opere, vol. II, p. 208, in der 10. Novelle) spottet
über die Franciscaner von Novara, welche aus erschlichenem Geld
eine Capelle an ihre Kirche bauen wollen, dove fusse dipinta
quella bella storia, quando S. Francesco predicava agli uc-
celli nel deserto; e quando ei fece la santa zuppa, e che
l'agnolo Gabriello gli porto i zoccoli.
3) Einiges über ihn bei Bapt. Mantuan. de patientia, L. III, cap. 13.
4) Bursellis, ann. Bonon., bei Murat. XXIII, Col. 915.

viel conſequenter geweſen ſeien. Die Meiſten werden inner-6. Abſchnitt.
lich geſchwankt haben zwiſchen Freigeiſterei und Fragmenten
des anerzogenen Catholicismus, und äußerlich hielten ſie
ſchon aus Klugheit zur Kirche.

Inſofern ſich dann ihr Rationalismus mit den AnfängenAnfänge nega-
tiver Kritik.

der hiſtoriſchen Kritik verband, mochte auch hie und da
eine ſchüchterne Kritik der bibliſchen Geſchichte auftauchen.
Es wird ein Wort Pius II. überliefert 1), welches wie mit
der Abſicht des Vorbauens geſagt iſt: „wenn das Chriſten-
thum auch nicht durch Wunder beſtätigt wäre, ſo hätte es
doch ſchon um ſeiner Moralität willen angenommen werden
müſſen“. Ueber die Legenden, inſoweit ſie willkürliche Ueber-
tragungen der bibliſchen Wunder enthalten, erlaubte man
ſich ohnehin zu ſpotten 2), und dieß wirkte dann weiter
zurück. Wenn judaiſirende Ketzer erwähnt werden, ſo wird
man dabei vor Allem an Läugnung der Gottheit Chriſti
zu denken haben; ſo verhielt es ſich vielleicht mit Giorgio
da Novara, welcher um 1500 in Bologna verbrannt wurde 3).
Aber in demſelben Bologna mußte um dieſe Zeit (1497)
der dominicaniſche Inquiſitor den wohlprotegirten Arzt Ga-
brielle da Salò mit einer bloßen Reuerklärung 4) durch-
ſchlüpfen laſſen, obwohl derſelbe folgende Reden zu führen
pflegte: Chriſtus ſei nicht Gott geweſen, ſondern Sohn des

1) Platina, vitæ pontiff., p. 311: christianam fidem, si miraculis
non esset approbata, honestate sua recipi debuisse.
2) Beſonders wenn die Mönche dergleichen auf der Kanzel friſch erſan-
nen, doch auch das längſt Anerkannte blieb nicht ohne Anfechtung.
Firenzuola (opere, vol. II, p. 208, in der 10. Novelle) ſpottet
über die Franciscaner von Novara, welche aus erſchlichenem Geld
eine Capelle an ihre Kirche bauen wollen, dove fusse dipinta
quella bella storia, quando S. Francesco predicava agli uc-
celli nel deserto; e quando ei fece la santa zuppa, e che
l'agnolo Gabriello gli portò i zoccoli.
3) Einiges über ihn bei Bapt. Mantuan. de patientia, L. III, cap. 13.
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[507/0517] viel conſequenter geweſen ſeien. Die Meiſten werden inner- lich geſchwankt haben zwiſchen Freigeiſterei und Fragmenten des anerzogenen Catholicismus, und äußerlich hielten ſie ſchon aus Klugheit zur Kirche. 6. Abſchnitt. Inſofern ſich dann ihr Rationalismus mit den Anfängen der hiſtoriſchen Kritik verband, mochte auch hie und da eine ſchüchterne Kritik der bibliſchen Geſchichte auftauchen. Es wird ein Wort Pius II. überliefert 1), welches wie mit der Abſicht des Vorbauens geſagt iſt: „wenn das Chriſten- thum auch nicht durch Wunder beſtätigt wäre, ſo hätte es doch ſchon um ſeiner Moralität willen angenommen werden müſſen“. Ueber die Legenden, inſoweit ſie willkürliche Ueber- tragungen der bibliſchen Wunder enthalten, erlaubte man ſich ohnehin zu ſpotten 2), und dieß wirkte dann weiter zurück. Wenn judaiſirende Ketzer erwähnt werden, ſo wird man dabei vor Allem an Läugnung der Gottheit Chriſti zu denken haben; ſo verhielt es ſich vielleicht mit Giorgio da Novara, welcher um 1500 in Bologna verbrannt wurde 3). Aber in demſelben Bologna mußte um dieſe Zeit (1497) der dominicaniſche Inquiſitor den wohlprotegirten Arzt Ga- brielle da Salò mit einer bloßen Reuerklärung 4) durch- ſchlüpfen laſſen, obwohl derſelbe folgende Reden zu führen pflegte: Chriſtus ſei nicht Gott geweſen, ſondern Sohn des Anfänge nega- tiver Kritik. 1) Platina, vitæ pontiff., p. 311: christianam fidem, si miraculis non esset approbata, honestate sua recipi debuisse. 2) Beſonders wenn die Mönche dergleichen auf der Kanzel friſch erſan- nen, doch auch das längſt Anerkannte blieb nicht ohne Anfechtung. Firenzuola (opere, vol. II, p. 208, in der 10. Novelle) ſpottet über die Franciscaner von Novara, welche aus erſchlichenem Geld eine Capelle an ihre Kirche bauen wollen, dove fusse dipinta quella bella storia, quando S. Francesco predicava agli uc- celli nel deserto; e quando ei fece la santa zuppa, e che l'agnolo Gabriello gli portò i zoccoli. 3) Einiges über ihn bei Bapt. Mantuan. de patientia, L. III, cap. 13. 4) Bursellis, ann. Bonon., bei Murat. XXIII, Col. 915.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/517>, abgerufen am 24.11.2024.