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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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Forschen zu Gott zurückführen, wie es sich mit der sonstigen6. Abschnitt.
Religiosität des Einzelnen in Verbindung setzen wird, das
sind Fragen, welche sich nicht nach allgemeinen Vorschriften
erledigen lassen. Das Mittelalter, welches sich im Ganzen
die Empirie und das freie Forschen erspart hatte, kann in
dieser großen Angelegenheit mit irgend einem dogmatischen
Entscheid nicht aufkommen.

Mit dem Studium des Menschen, aber auch noch mitToleranz gegen
den Islam.

vielen andern Dingen, hing dann die Toleranz und Indif-
ferenz zusammen, womit man zunächst dem Mohammeda-
nismus begegnete. Die Kenntniß und Bewunderung der
bedeutenden Culturhöhe der islamitischen Völker, zumal vor
der mongolischen Ueberschwemmung, war gewiß den Ita-
lienern seit den Kreuzzügen eigen; dazu kam die halb-
mohammedanische Regierungsweise ihrer eigenen Fürsten,
die stille Abneigung, ja Verachtung gegen die Kirche wie
sie war, die Fortdauer der orientalischen Reisen und des
Handels nach den östlichen und südlichen Häfen des Mit-
telmeeres 1). Erweislich schon im XIII. Jahrhundert offen-
bart sich bei den Italienern die Anerkennung eines moham-
medanischen Ideals von Edelmuth, Würde und Stolz, das
am liebsten mit der Person eines Sultans verknüpft wird.
Man hat dabei insgemein an ejubidische oder mamelukische
Sultane von Aegypten zu denken; wenn ein Name genannt
wird, so ist es höchstens Saladin 2). Selbst die osmani-
schen Türken, deren zerstörende aufbrauchende Manier wahr-
lich kein Geheimniß war, flößen dann den Italienern, wie
oben (S. 94, ff.) gezeigt wurde, doch nur einen halben Schrecken
ein, und ganze Bevölkerungen gewöhnen sich an den Ge-
danken einer möglichen Abfindung mit ihnen.

1) Abgesehen davon, daß man bei den Arabern selbst bisweilen auf eine
ähnliche Toleranz oder Indifferenz stoßen konnte.
2) So bei Boccaccio. -- Sultane ohne Namen bei Massuccio, Nov. 46,
48, 49.
Cultur der Renaissance. 32

Forſchen zu Gott zurückführen, wie es ſich mit der ſonſtigen6. Abſchnitt.
Religioſität des Einzelnen in Verbindung ſetzen wird, das
ſind Fragen, welche ſich nicht nach allgemeinen Vorſchriften
erledigen laſſen. Das Mittelalter, welches ſich im Ganzen
die Empirie und das freie Forſchen erſpart hatte, kann in
dieſer großen Angelegenheit mit irgend einem dogmatiſchen
Entſcheid nicht aufkommen.

Mit dem Studium des Menſchen, aber auch noch mitToleranz gegen
den Islam.

vielen andern Dingen, hing dann die Toleranz und Indif-
ferenz zuſammen, womit man zunächſt dem Mohammeda-
nismus begegnete. Die Kenntniß und Bewunderung der
bedeutenden Culturhöhe der islamitiſchen Völker, zumal vor
der mongoliſchen Ueberſchwemmung, war gewiß den Ita-
lienern ſeit den Kreuzzügen eigen; dazu kam die halb-
mohammedaniſche Regierungsweiſe ihrer eigenen Fürſten,
die ſtille Abneigung, ja Verachtung gegen die Kirche wie
ſie war, die Fortdauer der orientaliſchen Reiſen und des
Handels nach den öſtlichen und ſüdlichen Häfen des Mit-
telmeeres 1). Erweislich ſchon im XIII. Jahrhundert offen-
bart ſich bei den Italienern die Anerkennung eines moham-
medaniſchen Ideals von Edelmuth, Würde und Stolz, das
am liebſten mit der Perſon eines Sultans verknüpft wird.
Man hat dabei insgemein an ejubidiſche oder mamelukiſche
Sultane von Aegypten zu denken; wenn ein Name genannt
wird, ſo iſt es höchſtens Saladin 2). Selbſt die osmani-
ſchen Türken, deren zerſtörende aufbrauchende Manier wahr-
lich kein Geheimniß war, flößen dann den Italienern, wie
oben (S. 94, ff.) gezeigt wurde, doch nur einen halben Schrecken
ein, und ganze Bevölkerungen gewöhnen ſich an den Ge-
danken einer möglichen Abfindung mit ihnen.

1) Abgeſehen davon, daß man bei den Arabern ſelbſt bisweilen auf eine
ähnliche Toleranz oder Indifferenz ſtoßen konnte.
2) So bei Boccaccio. — Sultane ohne Namen bei Maſſuccio, Nov. 46,
48, 49.
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[497/0507] Forſchen zu Gott zurückführen, wie es ſich mit der ſonſtigen Religioſität des Einzelnen in Verbindung ſetzen wird, das ſind Fragen, welche ſich nicht nach allgemeinen Vorſchriften erledigen laſſen. Das Mittelalter, welches ſich im Ganzen die Empirie und das freie Forſchen erſpart hatte, kann in dieſer großen Angelegenheit mit irgend einem dogmatiſchen Entſcheid nicht aufkommen. 6. Abſchnitt. Mit dem Studium des Menſchen, aber auch noch mit vielen andern Dingen, hing dann die Toleranz und Indif- ferenz zuſammen, womit man zunächſt dem Mohammeda- nismus begegnete. Die Kenntniß und Bewunderung der bedeutenden Culturhöhe der islamitiſchen Völker, zumal vor der mongoliſchen Ueberſchwemmung, war gewiß den Ita- lienern ſeit den Kreuzzügen eigen; dazu kam die halb- mohammedaniſche Regierungsweiſe ihrer eigenen Fürſten, die ſtille Abneigung, ja Verachtung gegen die Kirche wie ſie war, die Fortdauer der orientaliſchen Reiſen und des Handels nach den öſtlichen und ſüdlichen Häfen des Mit- telmeeres 1). Erweislich ſchon im XIII. Jahrhundert offen- bart ſich bei den Italienern die Anerkennung eines moham- medaniſchen Ideals von Edelmuth, Würde und Stolz, das am liebſten mit der Perſon eines Sultans verknüpft wird. Man hat dabei insgemein an ejubidiſche oder mamelukiſche Sultane von Aegypten zu denken; wenn ein Name genannt wird, ſo iſt es höchſtens Saladin 2). Selbſt die osmani- ſchen Türken, deren zerſtörende aufbrauchende Manier wahr- lich kein Geheimniß war, flößen dann den Italienern, wie oben (S. 94, ff.) gezeigt wurde, doch nur einen halben Schrecken ein, und ganze Bevölkerungen gewöhnen ſich an den Ge- danken einer möglichen Abfindung mit ihnen. Toleranz gegen den Islam. 1) Abgeſehen davon, daß man bei den Arabern ſelbſt bisweilen auf eine ähnliche Toleranz oder Indifferenz ſtoßen konnte. 2) So bei Boccaccio. — Sultane ohne Namen bei Maſſuccio, Nov. 46, 48, 49. Cultur der Renaiſſance. 32

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/507>, abgerufen am 28.11.2024.