Die Zuwiderhandelnden wurden bedroht nicht nur mit den6. Abschnitt. im bisherigen Gesetz verzeichneten Strafen, sondern auch "mit den noch größern, welche der Herzog zu verhängen für gut finden wird". Darauf ging der Herzog sammt dem Hofe mehrere Tage nach einander zur Predigt; am 10. April mußten sogar alle Juden von Ferrara dabei sein. Allein am 3. Mai ließ der Polizeidirector -- der schonPolizeiliche Ausbeutung. oben (S. 51) erwähnte Gregorio Zampante -- ausrufen: wer den Schergen Geld gegeben habe um nicht als Lästerer verzeigt zu werden, möge sich melden um es sammt weiterer Vergütung zurück zu erhalten; diese schändlichen Menschen nämlich hatten von Unschuldigen bis auf 2, 3 Ducaten er- preßt durch die Androhung der Denunciation, und einander dann gegenseitig verrathen, worauf sie selbst in den Kerker kamen. Da man aber eben nur bezahlt hatte um nicht mit dem Zampante zu thun zu haben, so möchte auf sein Ausschreiben kaum Jemand erschienen sein. -- Im Jahr 1500, nach dem Sturze des Lodovico Moro, als ähnliche Stimmungen wiederkehrten, verordnete Ercole von sich aus 1) eine Folge von neun Processionen, wobei auch die weißge- kleideten Kinder mit der Jesusfahne nicht fehlen durften; er selber ritt mit im Zuge, weil er schlecht zu Fuße war. Dann folgte ein Edict ganz ähnlichen Inhaltes wie das von 1496. Die zahlreichen Kirchen- und Klosterbauten dieser Regierung sind bekannt, aber selbst eine leibhaftige Heilige, die Suor Colomba 2), ließ sich Ercole kommen, ganz kurz bevor er seinen Sohn Alfonso mit der Lucrezia Borgia vermählen mußte (1502). Ein Cabinetscourier 3) holte die Heilige von Viterbo mit 15 andern Nonnen ab
1)Per buono rispetto a lui noto e perche sempre e buono a star bene con Iddio, sagt der Annalist.
2) Vermuthlich die S. 29 in Perugia erwähnte.
3) Die Quelle nennt ihn einen Messo de' cancellieri del Duca. Die Sache sollte recht augenscheinlich vom Hofe und nicht von Or- densobern oder sonstigen geistlichen Behörden ausgehen.
Die Zuwiderhandelnden wurden bedroht nicht nur mit den6. Abſchnitt. im bisherigen Geſetz verzeichneten Strafen, ſondern auch „mit den noch größern, welche der Herzog zu verhängen für gut finden wird“. Darauf ging der Herzog ſammt dem Hofe mehrere Tage nach einander zur Predigt; am 10. April mußten ſogar alle Juden von Ferrara dabei ſein. Allein am 3. Mai ließ der Polizeidirector — der ſchonPolizeiliche Ausbeutung. oben (S. 51) erwähnte Gregorio Zampante — ausrufen: wer den Schergen Geld gegeben habe um nicht als Läſterer verzeigt zu werden, möge ſich melden um es ſammt weiterer Vergütung zurück zu erhalten; dieſe ſchändlichen Menſchen nämlich hatten von Unſchuldigen bis auf 2, 3 Ducaten er- preßt durch die Androhung der Denunciation, und einander dann gegenſeitig verrathen, worauf ſie ſelbſt in den Kerker kamen. Da man aber eben nur bezahlt hatte um nicht mit dem Zampante zu thun zu haben, ſo möchte auf ſein Ausſchreiben kaum Jemand erſchienen ſein. — Im Jahr 1500, nach dem Sturze des Lodovico Moro, als ähnliche Stimmungen wiederkehrten, verordnete Ercole von ſich aus 1) eine Folge von neun Proceſſionen, wobei auch die weißge- kleideten Kinder mit der Jeſusfahne nicht fehlen durften; er ſelber ritt mit im Zuge, weil er ſchlecht zu Fuße war. Dann folgte ein Edict ganz ähnlichen Inhaltes wie das von 1496. Die zahlreichen Kirchen- und Kloſterbauten dieſer Regierung ſind bekannt, aber ſelbſt eine leibhaftige Heilige, die Suor Colomba 2), ließ ſich Ercole kommen, ganz kurz bevor er ſeinen Sohn Alfonſo mit der Lucrezia Borgia vermählen mußte (1502). Ein Cabinetscourier 3) holte die Heilige von Viterbo mit 15 andern Nonnen ab
1)Per buono rispetto a lui noto e perchè sempre è buono a star bene con Iddio, ſagt der Annaliſt.
2) Vermuthlich die S. 29 in Perugia erwähnte.
3) Die Quelle nennt ihn einen Messo de' cancellieri del Duca. Die Sache ſollte recht augenſcheinlich vom Hofe und nicht von Or- densobern oder ſonſtigen geiſtlichen Behörden ausgehen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0503"n="493"/>
Die Zuwiderhandelnden wurden bedroht nicht nur mit den<noteplace="right"><hirendition="#b"><hirendition="#u">6. Abſchnitt.</hi></hi></note><lb/>
im bisherigen Geſetz verzeichneten Strafen, ſondern auch<lb/>„mit den noch größern, welche der Herzog zu verhängen<lb/>
für gut finden wird“. Darauf ging der Herzog ſammt<lb/>
dem Hofe mehrere Tage nach einander zur Predigt; am<lb/>
10. April mußten ſogar alle Juden von Ferrara dabei ſein.<lb/>
Allein am 3. Mai ließ der Polizeidirector — der ſchon<noteplace="right">Polizeiliche<lb/>
Ausbeutung.</note><lb/>
oben (S. 51) erwähnte Gregorio Zampante — ausrufen:<lb/>
wer den Schergen Geld gegeben habe um nicht als Läſterer<lb/>
verzeigt zu werden, möge ſich melden um es ſammt weiterer<lb/>
Vergütung zurück zu erhalten; dieſe ſchändlichen Menſchen<lb/>
nämlich hatten von Unſchuldigen bis auf 2, 3 Ducaten er-<lb/>
preßt durch die Androhung der Denunciation, und einander<lb/>
dann gegenſeitig verrathen, worauf ſie ſelbſt in den Kerker<lb/>
kamen. Da man aber eben nur bezahlt hatte um nicht<lb/>
mit dem Zampante zu thun zu haben, ſo möchte auf ſein<lb/>
Ausſchreiben kaum Jemand erſchienen ſein. — Im Jahr<lb/>
1500, nach dem Sturze des Lodovico Moro, als ähnliche<lb/>
Stimmungen wiederkehrten, verordnete Ercole von ſich aus <noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#aq">Per buono rispetto a lui noto e perchè sempre è buono a<lb/>
star bene con Iddio,</hi>ſagt der Annaliſt.</note><lb/>
eine Folge von neun Proceſſionen, wobei auch die weißge-<lb/>
kleideten Kinder mit der Jeſusfahne nicht fehlen durften;<lb/>
er ſelber ritt mit im Zuge, weil er ſchlecht zu Fuße war.<lb/>
Dann folgte ein Edict ganz ähnlichen Inhaltes wie das<lb/>
von 1496. Die zahlreichen Kirchen- und Kloſterbauten<lb/>
dieſer Regierung ſind bekannt, aber ſelbſt eine leibhaftige<lb/>
Heilige, die Suor Colomba <noteplace="foot"n="2)">Vermuthlich die S. 29 in Perugia erwähnte.</note>, ließ ſich Ercole kommen,<lb/>
ganz kurz bevor er ſeinen Sohn Alfonſo mit der Lucrezia<lb/>
Borgia vermählen mußte (1502). Ein Cabinetscourier <noteplace="foot"n="3)">Die Quelle nennt ihn einen <hirendition="#aq">Messo de' cancellieri del Duca.</hi><lb/>
Die Sache ſollte recht augenſcheinlich vom Hofe und nicht von Or-<lb/>
densobern oder ſonſtigen geiſtlichen Behörden ausgehen.</note><lb/>
holte die Heilige von Viterbo mit 15 andern Nonnen ab<lb/></p></div></body></text></TEI>
[493/0503]
Die Zuwiderhandelnden wurden bedroht nicht nur mit den
im bisherigen Geſetz verzeichneten Strafen, ſondern auch
„mit den noch größern, welche der Herzog zu verhängen
für gut finden wird“. Darauf ging der Herzog ſammt
dem Hofe mehrere Tage nach einander zur Predigt; am
10. April mußten ſogar alle Juden von Ferrara dabei ſein.
Allein am 3. Mai ließ der Polizeidirector — der ſchon
oben (S. 51) erwähnte Gregorio Zampante — ausrufen:
wer den Schergen Geld gegeben habe um nicht als Läſterer
verzeigt zu werden, möge ſich melden um es ſammt weiterer
Vergütung zurück zu erhalten; dieſe ſchändlichen Menſchen
nämlich hatten von Unſchuldigen bis auf 2, 3 Ducaten er-
preßt durch die Androhung der Denunciation, und einander
dann gegenſeitig verrathen, worauf ſie ſelbſt in den Kerker
kamen. Da man aber eben nur bezahlt hatte um nicht
mit dem Zampante zu thun zu haben, ſo möchte auf ſein
Ausſchreiben kaum Jemand erſchienen ſein. — Im Jahr
1500, nach dem Sturze des Lodovico Moro, als ähnliche
Stimmungen wiederkehrten, verordnete Ercole von ſich aus 1)
eine Folge von neun Proceſſionen, wobei auch die weißge-
kleideten Kinder mit der Jeſusfahne nicht fehlen durften;
er ſelber ritt mit im Zuge, weil er ſchlecht zu Fuße war.
Dann folgte ein Edict ganz ähnlichen Inhaltes wie das
von 1496. Die zahlreichen Kirchen- und Kloſterbauten
dieſer Regierung ſind bekannt, aber ſelbſt eine leibhaftige
Heilige, die Suor Colomba 2), ließ ſich Ercole kommen,
ganz kurz bevor er ſeinen Sohn Alfonſo mit der Lucrezia
Borgia vermählen mußte (1502). Ein Cabinetscourier 3)
holte die Heilige von Viterbo mit 15 andern Nonnen ab
6. Abſchnitt.
Polizeiliche
Ausbeutung.
1) Per buono rispetto a lui noto e perchè sempre è buono a
star bene con Iddio, ſagt der Annaliſt.
2) Vermuthlich die S. 29 in Perugia erwähnte.
3) Die Quelle nennt ihn einen Messo de' cancellieri del Duca.
Die Sache ſollte recht augenſcheinlich vom Hofe und nicht von Or-
densobern oder ſonſtigen geiſtlichen Behörden ausgehen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/503>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.