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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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Nothwendigste mitgetheilt ist 1). Daß eine solche Reputation6. Abschnitt.
von Weltclerus und Mönchen bei Unzähligen den Glauben
an das Heilige überhaupt erschüttern mußte, springt in die
Augen.

Was für schreckliche Gesammturtheile bekommt man daGuicciardini
über d. Clerus.

zu hören! Wir theilen schließlich nur eines davon mit,
weil es erst neuerlich gedruckt und noch wenig bekannt ist.
Guicciardini, der Geschichtschreiber und vieljährige Beamte
der mediceischen Päpste, sagt (1529) in seinen Aphorismen 2):
"Keinem Menschen mißfällt mehr als mir der Ehrgeiz, die
Habsucht und die Ausschweifung der Priester, sowohl weil
jedes dieses Laster an sich hassenswerth ist, als auch weil
jedes allein oder alle sich wenig ziemen bei Leuten, die sich
zu einem von Gott besonders abhängigen Stand bekennen,
und vollends weil sie unter sich so entgegengesetzt sind, daß
sie sich nur in ganz absonderlichen Individuen vereinigt
finden können. Gleichwohl hat meine Stellung bei mehrern
Päpsten mich gezwungen, die Größe derselben zu wollen
meines eigenen Vortheils wegen. Aber ohne diese Rücksicht
hätte ich Martin Luther geliebt, wie mich selbst, nicht um
mich loszumachen von den Gesetzen, welche das Christen-
thum, so wie es insgemein erklärt und verstanden wird,
uns auferlegt, sondern um diese Schaar von Nichtswürdigen
(questa caterva di scelerati) in ihre gebührenden Grän-
zen gewiesen zu sehen, so daß sie entweder ohne Laster oder
ohne Macht leben müßten."

Derselbe Guicciardini hält denn auch dafür 3), daß
wir in Betreff alles Uebernatürlichen im Dunkel bleiben,
daß Philosophen und Theologen nur Thorheiten darüber

1) Pius II. war aus Gründen für Abschaffung des Coelibates; Sacer-
dotibus magna ratione sublatas nuptias maiori restituendas
videri,
war eine seiner Lieblingssentenzen. Platina, vitae Pontiff.,
p.
311.
2) Ricordi, N. 28, in den Opere inedite, Vol. I.
3) Ricordi, N. 1. 123. 125.
Cultur der Renaissance. 30

Nothwendigſte mitgetheilt iſt 1). Daß eine ſolche Reputation6. Abſchnitt.
von Weltclerus und Mönchen bei Unzähligen den Glauben
an das Heilige überhaupt erſchüttern mußte, ſpringt in die
Augen.

Was für ſchreckliche Geſammturtheile bekommt man daGuicciardini
über d. Clerus.

zu hören! Wir theilen ſchließlich nur eines davon mit,
weil es erſt neuerlich gedruckt und noch wenig bekannt iſt.
Guicciardini, der Geſchichtſchreiber und vieljährige Beamte
der mediceiſchen Päpſte, ſagt (1529) in ſeinen Aphorismen 2):
„Keinem Menſchen mißfällt mehr als mir der Ehrgeiz, die
Habſucht und die Ausſchweifung der Prieſter, ſowohl weil
jedes dieſes Laſter an ſich haſſenswerth iſt, als auch weil
jedes allein oder alle ſich wenig ziemen bei Leuten, die ſich
zu einem von Gott beſonders abhängigen Stand bekennen,
und vollends weil ſie unter ſich ſo entgegengeſetzt ſind, daß
ſie ſich nur in ganz abſonderlichen Individuen vereinigt
finden können. Gleichwohl hat meine Stellung bei mehrern
Päpſten mich gezwungen, die Größe derſelben zu wollen
meines eigenen Vortheils wegen. Aber ohne dieſe Rückſicht
hätte ich Martin Luther geliebt, wie mich ſelbſt, nicht um
mich loszumachen von den Geſetzen, welche das Chriſten-
thum, ſo wie es insgemein erklärt und verſtanden wird,
uns auferlegt, ſondern um dieſe Schaar von Nichtswürdigen
(questa caterva di scelerati) in ihre gebührenden Grän-
zen gewieſen zu ſehen, ſo daß ſie entweder ohne Laſter oder
ohne Macht leben müßten.“

Derſelbe Guicciardini hält denn auch dafür 3), daß
wir in Betreff alles Uebernatürlichen im Dunkel bleiben,
daß Philoſophen und Theologen nur Thorheiten darüber

1) Pius II. war aus Gründen für Abſchaffung des Coelibates; Sacer-
dotibus magna ratione sublatas nuptias maiori restituendas
videri,
war eine ſeiner Lieblingsſentenzen. Platina, vitæ Pontiff.,
p.
311.
2) Ricordi, N. 28, in den Opere inedite, Vol. I.
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[465/0475] Nothwendigſte mitgetheilt iſt 1). Daß eine ſolche Reputation von Weltclerus und Mönchen bei Unzähligen den Glauben an das Heilige überhaupt erſchüttern mußte, ſpringt in die Augen. 6. Abſchnitt. Was für ſchreckliche Geſammturtheile bekommt man da zu hören! Wir theilen ſchließlich nur eines davon mit, weil es erſt neuerlich gedruckt und noch wenig bekannt iſt. Guicciardini, der Geſchichtſchreiber und vieljährige Beamte der mediceiſchen Päpſte, ſagt (1529) in ſeinen Aphorismen 2): „Keinem Menſchen mißfällt mehr als mir der Ehrgeiz, die Habſucht und die Ausſchweifung der Prieſter, ſowohl weil jedes dieſes Laſter an ſich haſſenswerth iſt, als auch weil jedes allein oder alle ſich wenig ziemen bei Leuten, die ſich zu einem von Gott beſonders abhängigen Stand bekennen, und vollends weil ſie unter ſich ſo entgegengeſetzt ſind, daß ſie ſich nur in ganz abſonderlichen Individuen vereinigt finden können. Gleichwohl hat meine Stellung bei mehrern Päpſten mich gezwungen, die Größe derſelben zu wollen meines eigenen Vortheils wegen. Aber ohne dieſe Rückſicht hätte ich Martin Luther geliebt, wie mich ſelbſt, nicht um mich loszumachen von den Geſetzen, welche das Chriſten- thum, ſo wie es insgemein erklärt und verſtanden wird, uns auferlegt, ſondern um dieſe Schaar von Nichtswürdigen (questa caterva di scelerati) in ihre gebührenden Grän- zen gewieſen zu ſehen, ſo daß ſie entweder ohne Laſter oder ohne Macht leben müßten.“ Guicciardini über d. Clerus. Derſelbe Guicciardini hält denn auch dafür 3), daß wir in Betreff alles Uebernatürlichen im Dunkel bleiben, daß Philoſophen und Theologen nur Thorheiten darüber 1) Pius II. war aus Gründen für Abſchaffung des Coelibates; Sacer- dotibus magna ratione sublatas nuptias maiori restituendas videri, war eine ſeiner Lieblingsſentenzen. Platina, vitæ Pontiff., p. 311. 2) Ricordi, N. 28, in den Opere inedite, Vol. I. 3) Ricordi, N. 1. 123. 125. Cultur der Renaiſſance. 30

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/475>, abgerufen am 27.11.2024.