Heilige und thun Wunder, wobei der Eine das Gewand6. Abschnitt. von S. Vincenzo, der Andere die Schrift 1) S. Bernar-Die Bettel- mönche in den Novellen. dino's, ein Dritter den Zaum von Capistrano's Esel vor- zeigt." .. Andere "bestellen sich Helfershelfer, welche, schein- bar blind oder todtkrank, durch Berührung des Saumes ihrer Kutte oder der mitgebrachten Reliquien plötzlich mitten im Volksgewühl genesen; dann schreit Alles Misericordia! man läutet die Glocken und nimmt lange feierliche Proto- colle auf." Es kommt vor, daß ein Mönch auf der Kanzel von einem andern, welcher unter dem Volke steht, keck als Lügner angeschrien wird; dann aber fühlt sich der Rufende plötzlich von Besessenheit ergriffen, worauf ihn der Prediger bekehrt und heilt -- Alles reine Comödie. Der Betreffende mit seinem Helfershelfer sammelte so viel Geld, daß er von einem Cardinal ein Bisthum kaufen konnte, wo beide ge- mächlich auslebten. Massuccio macht keinen besonderen Un- terschied zwischen Franciscanern und Dominicanern, indem beide einander werth seien. "Und da läßt sich das unver- nünftige Publicum noch in ihren Haß und ihre Parteiung hineinziehen und streitet darüber auf öffentlichen Plätzen 2) und theilt sich in Franceschiner und Domenichiner!" Die Nonnen gehören ausschließlich den Mönchen; sobald sie sich mit Laien abgeben, werden sie eingekerkert und verfolgt, die andern aber halten mit Mönchen förmlich Hochzeit, wobei sogar Messen gesungen, Contracte aufgesetzt und Speise und Trank reichlich genossen werden. "Ich selber, sagt der Ver- fasser, "bin nicht ein sondern mehrere Male dabei gewesen, habe es gesehen und mit Händen gegriffen. Solche Nonnen gebären dann entweder niedliche Mönchlein oder sie treiben die Frucht ab. Und wenn Jemand behaupten möchte, dieß
1)L'Ordine. Wahrscheinlich ist seine Tafel mit dem Motto IHS gemeint.
2) Er fügt hinzu: und in den seggi, d. h. den Vereinen, in welche der neapolitanische Adel getheilt war. -- Die Rivalität der beiden Orden wird häufig lächerlich gemacht, z. B. Bandello III, Nov. 14.
Heilige und thun Wunder, wobei der Eine das Gewand6. Abſchnitt. von S. Vincenzo, der Andere die Schrift 1) S. Bernar-Die Bettel- mönche in den Novellen. dino's, ein Dritter den Zaum von Capiſtrano's Eſel vor- zeigt.“ .. Andere „beſtellen ſich Helfershelfer, welche, ſchein- bar blind oder todtkrank, durch Berührung des Saumes ihrer Kutte oder der mitgebrachten Reliquien plötzlich mitten im Volksgewühl geneſen; dann ſchreit Alles Miſericordia! man läutet die Glocken und nimmt lange feierliche Proto- colle auf.“ Es kommt vor, daß ein Mönch auf der Kanzel von einem andern, welcher unter dem Volke ſteht, keck als Lügner angeſchrien wird; dann aber fühlt ſich der Rufende plötzlich von Beſeſſenheit ergriffen, worauf ihn der Prediger bekehrt und heilt — Alles reine Comödie. Der Betreffende mit ſeinem Helfershelfer ſammelte ſo viel Geld, daß er von einem Cardinal ein Bisthum kaufen konnte, wo beide ge- mächlich auslebten. Maſſuccio macht keinen beſonderen Un- terſchied zwiſchen Franciscanern und Dominicanern, indem beide einander werth ſeien. „Und da läßt ſich das unver- nünftige Publicum noch in ihren Haß und ihre Parteiung hineinziehen und ſtreitet darüber auf öffentlichen Plätzen 2) und theilt ſich in Franceschiner und Domenichiner!“ Die Nonnen gehören ausſchließlich den Mönchen; ſobald ſie ſich mit Laien abgeben, werden ſie eingekerkert und verfolgt, die andern aber halten mit Mönchen förmlich Hochzeit, wobei ſogar Meſſen geſungen, Contracte aufgeſetzt und Speiſe und Trank reichlich genoſſen werden. „Ich ſelber, ſagt der Ver- faſſer, „bin nicht ein ſondern mehrere Male dabei geweſen, habe es geſehen und mit Händen gegriffen. Solche Nonnen gebären dann entweder niedliche Mönchlein oder ſie treiben die Frucht ab. Und wenn Jemand behaupten möchte, dieß
1)L'Ordine. Wahrſcheinlich iſt ſeine Tafel mit dem Motto IHS gemeint.
2) Er fügt hinzu: und in den seggi, d. h. den Vereinen, in welche der neapolitaniſche Adel getheilt war. — Die Rivalität der beiden Orden wird häufig lächerlich gemacht, z. B. Bandello III, Nov. 14.
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zeigt.“ .. Andere „beſtellen ſich Helfershelfer, welche, ſchein-
bar blind oder todtkrank, durch Berührung des Saumes
ihrer Kutte oder der mitgebrachten Reliquien plötzlich mitten
im Volksgewühl geneſen; dann ſchreit Alles Miſericordia!
man läutet die Glocken und nimmt lange feierliche Proto-
colle auf.“ Es kommt vor, daß ein Mönch auf der Kanzel
von einem andern, welcher unter dem Volke ſteht, keck als
Lügner angeſchrien wird; dann aber fühlt ſich der Rufende
plötzlich von Beſeſſenheit ergriffen, worauf ihn der Prediger
bekehrt und heilt — Alles reine Comödie. Der Betreffende
mit ſeinem Helfershelfer ſammelte ſo viel Geld, daß er von
einem Cardinal ein Bisthum kaufen konnte, wo beide ge-
mächlich auslebten. Maſſuccio macht keinen beſonderen Un-
terſchied zwiſchen Franciscanern und Dominicanern, indem
beide einander werth ſeien. „Und da läßt ſich das unver-
nünftige Publicum noch in ihren Haß und ihre Parteiung
hineinziehen und ſtreitet darüber auf öffentlichen Plätzen 2)
und theilt ſich in Franceschiner und Domenichiner!“ Die
Nonnen gehören ausſchließlich den Mönchen; ſobald ſie ſich
mit Laien abgeben, werden ſie eingekerkert und verfolgt, die
andern aber halten mit Mönchen förmlich Hochzeit, wobei
ſogar Meſſen geſungen, Contracte aufgeſetzt und Speiſe und
Trank reichlich genoſſen werden. „Ich ſelber, ſagt der Ver-
faſſer, „bin nicht ein ſondern mehrere Male dabei geweſen,
habe es geſehen und mit Händen gegriffen. Solche Nonnen
gebären dann entweder niedliche Mönchlein oder ſie treiben
die Frucht ab. Und wenn Jemand behaupten möchte, dieß
6. Abſchnitt.
Die Bettel-
mönche in den
Novellen.
1) L'Ordine. Wahrſcheinlich iſt ſeine Tafel mit dem Motto IHS
gemeint.
2) Er fügt hinzu: und in den seggi, d. h. den Vereinen, in welche der
neapolitaniſche Adel getheilt war. — Die Rivalität der beiden Orden
wird häufig lächerlich gemacht, z. B. Bandello III, Nov. 14.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/471>, abgerufen am 27.11.2024.
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