nommen zu haben, bis die Regierung Cosimo's I. so weit6. Abschnitt. zu Kräften kam, daß seine Polizei 1) allen Missethaten ge- wachsen war.
Im übrigen Italien wird das bezahlte VerbrechenFürstliche Mordstifter. häufiger oder seltener gewesen sein, je nachdem zahlungs- fähige hochgestellte Anstifter vorhanden waren. Es kann Niemanden einfallen, dergleichen statistisch zusammenzufassen, allein wenn von all den Todesfällen, die das Gerücht als gewaltsam herbeigeführt betrachtete, auch nur ein kleiner Theil wirkliche Mordthaten waren, so macht dieß schon eine große Summe aus. Fürsten und Regierungen gaben aller- dings das schlimmste Beispiel: sie machten sich gar kein Bedenken daraus, den Mord unter die Mittel ihrer All- macht zu zählen. Es bedurfte dazu noch keines Cesare Borgia; auch die Sforza, die Aragonesen, später auch die Werkzeuge Carls V. erlaubten sich was zweckmäßig schien.
Die Phantasie der Nation erfüllte sich allmälig derge-Die Vergiftungen. stalt mit Voraussetzungen dieser Art, daß man bei Mäch- tigen kaum mehr an einen natürlichen Tod glaubte. Freilich machte man sich von der Wirkungskraft der Gifte bisweilen fabelhafte Vorstellungen. Wir wollen glauben, daß jenes furchtbare weiße Pulver (S. 118) der Borgia auf bestimmte Termine berechnet werden konnte, und so mag auch das- jenige Gift wirklich ein venenum atterminatum gewesen sein, welches der Fürst von Salerno dem Cardinal von Aragon reichte mit den Worten: "in wenigen Tagen wirst "du sterben weil dein Vater König Ferrante uns alle hat "zertreten wollen" 2). Aber der vergiftete Brief, welchen Caterina Riario an Papst Alexander VI. sandte 3), würde diesen schwerlich umgebracht haben, auch wenn er ihn ge-
1) Ueber diese s. die Relation des Fedeli bei Alberi, Relazioni, serie II, vol. I, p. 353, s.
2)Infessura, bei Eccard, scriptores II, Col. 1956.
3)Chron. venetum, bei Murat. XXIV, Col. 131.
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nommen zu haben, bis die Regierung Coſimo's I. ſo weit6. Abſchnitt. zu Kräften kam, daß ſeine Polizei 1) allen Miſſethaten ge- wachſen war.
Im übrigen Italien wird das bezahlte VerbrechenFürſtliche Mordſtifter. häufiger oder ſeltener geweſen ſein, je nachdem zahlungs- fähige hochgeſtellte Anſtifter vorhanden waren. Es kann Niemanden einfallen, dergleichen ſtatiſtiſch zuſammenzufaſſen, allein wenn von all den Todesfällen, die das Gerücht als gewaltſam herbeigeführt betrachtete, auch nur ein kleiner Theil wirkliche Mordthaten waren, ſo macht dieß ſchon eine große Summe aus. Fürſten und Regierungen gaben aller- dings das ſchlimmſte Beiſpiel: ſie machten ſich gar kein Bedenken daraus, den Mord unter die Mittel ihrer All- macht zu zählen. Es bedurfte dazu noch keines Ceſare Borgia; auch die Sforza, die Aragoneſen, ſpäter auch die Werkzeuge Carls V. erlaubten ſich was zweckmäßig ſchien.
Die Phantaſie der Nation erfüllte ſich allmälig derge-Die Vergiftungen. ſtalt mit Vorausſetzungen dieſer Art, daß man bei Mäch- tigen kaum mehr an einen natürlichen Tod glaubte. Freilich machte man ſich von der Wirkungskraft der Gifte bisweilen fabelhafte Vorſtellungen. Wir wollen glauben, daß jenes furchtbare weiße Pulver (S. 118) der Borgia auf beſtimmte Termine berechnet werden konnte, und ſo mag auch das- jenige Gift wirklich ein venenum atterminatum geweſen ſein, welches der Fürſt von Salerno dem Cardinal von Aragon reichte mit den Worten: „in wenigen Tagen wirſt „du ſterben weil dein Vater König Ferrante uns alle hat „zertreten wollen“ 2). Aber der vergiftete Brief, welchen Caterina Riario an Papſt Alexander VI. ſandte 3), würde dieſen ſchwerlich umgebracht haben, auch wenn er ihn ge-
1) Ueber dieſe ſ. die Relation des Fedeli bei Albèri, Relazioni, serie II, vol. I, p. 353, s.
2)Infessura, bei Eccard, scriptores II, Col. 1956.
3)Chron. venetum, bei Murat. XXIV, Col. 131.
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Im übrigen Italien wird das bezahlte Verbrechen
häufiger oder ſeltener geweſen ſein, je nachdem zahlungs-
fähige hochgeſtellte Anſtifter vorhanden waren. Es kann
Niemanden einfallen, dergleichen ſtatiſtiſch zuſammenzufaſſen,
allein wenn von all den Todesfällen, die das Gerücht als
gewaltſam herbeigeführt betrachtete, auch nur ein kleiner
Theil wirkliche Mordthaten waren, ſo macht dieß ſchon eine
große Summe aus. Fürſten und Regierungen gaben aller-
dings das ſchlimmſte Beiſpiel: ſie machten ſich gar kein
Bedenken daraus, den Mord unter die Mittel ihrer All-
macht zu zählen. Es bedurfte dazu noch keines Ceſare
Borgia; auch die Sforza, die Aragoneſen, ſpäter auch die
Werkzeuge Carls V. erlaubten ſich was zweckmäßig ſchien.
Fürſtliche
Mordſtifter.
Die Phantaſie der Nation erfüllte ſich allmälig derge-
ſtalt mit Vorausſetzungen dieſer Art, daß man bei Mäch-
tigen kaum mehr an einen natürlichen Tod glaubte. Freilich
machte man ſich von der Wirkungskraft der Gifte bisweilen
fabelhafte Vorſtellungen. Wir wollen glauben, daß jenes
furchtbare weiße Pulver (S. 118) der Borgia auf beſtimmte
Termine berechnet werden konnte, und ſo mag auch das-
jenige Gift wirklich ein venenum atterminatum geweſen
ſein, welches der Fürſt von Salerno dem Cardinal von
Aragon reichte mit den Worten: „in wenigen Tagen wirſt
„du ſterben weil dein Vater König Ferrante uns alle hat
„zertreten wollen“ 2). Aber der vergiftete Brief, welchen
Caterina Riario an Papſt Alexander VI. ſandte 3), würde
dieſen ſchwerlich umgebracht haben, auch wenn er ihn ge-
Die
Vergiftungen.
1) Ueber dieſe ſ. die Relation des Fedeli bei Albèri, Relazioni,
serie II, vol. I, p. 353, s.
2) Infessura, bei Eccard, scriptores II, Col. 1956.
3) Chron. venetum, bei Murat. XXIV, Col. 131.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/461>, abgerufen am 28.11.2024.
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