6. Abschnitt.im Ganzen sicherer gewesen, ob das Menschenleben wesent- lich besser garantirt war, läßt sich schwer ermitteln. Aber so viel ist sicher, daß das prämeditirte, besoldete, durch dritte Hand geübte, auch das zum Gewerb gewordene Ver- brechen in Italien eine große und schreckliche Ausdehnung gewonnen hatte.
Räuberwesen.Blicken wir zunächst auf das Räuberwesen, so wird vielleicht Italien damals nicht mehr, in glücklichern Gegenden wie z. B. Toscana sogar weniger davon heimgesucht gewe- sen sein als die meisten Länder des Nordens. Aber es giebt wesentlich italienische Figuren. Schwerlich findet sich anderswo z. B. die Gestalt des durch Leidenschaft verwil- derten, allmälig zum Räuberhauptmann gewordenen Geist- lichen, wovon jene Zeit unter andern folgendes Beispiel liefert 1). Am 12. August 1495 wurde in einen eisernen Käfig außen am Thurm von S. Giuliano zu Ferrara ein- geschlossen der Priester Don Nicolo de' Pelegati von Fi- garolo. Derselbe hatte zweimal seine erste Messe gelesen; das erstemal hatte er an demselben Tage einen Mord be- gangen und war darauf in Rom absolvirt worden; nachher tödtete er vier Menschen und heirathete zwei Weiber, mit welchen er herumzog. Dann war er bei vielen Tödtungen anwesend, nothzüchtigte Weiber, führte andere mit Gewalt fort, übte Raub in Masse, tödtete noch Viele und zog im Ferraresischen mit einer uniformirten bewaffneten Bande herum, Nahrung und Obdach mit Mord und Gewalt er- zwingend. -- Wenn man sich das Dazwischenliegende hin- zudenkt, so ergiebt sich für den Priester eine ungeheure Summe des Frevels. Es gab damals überall viele Mörder und andere Missethäter unter den so wenig beaufsichtigten und so hoch privilegirten Geistlichen und Mönchen, aber
1)Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 312. Man erinnert sich dabei an die Bande des Priesters, welcher einige Jahre vor 1837 die westliche Lombardie unsicher machte.
6. Abſchnitt.im Ganzen ſicherer geweſen, ob das Menſchenleben weſent- lich beſſer garantirt war, läßt ſich ſchwer ermitteln. Aber ſo viel iſt ſicher, daß das prämeditirte, beſoldete, durch dritte Hand geübte, auch das zum Gewerb gewordene Ver- brechen in Italien eine große und ſchreckliche Ausdehnung gewonnen hatte.
Räuberweſen.Blicken wir zunächſt auf das Räuberweſen, ſo wird vielleicht Italien damals nicht mehr, in glücklichern Gegenden wie z. B. Toscana ſogar weniger davon heimgeſucht gewe- ſen ſein als die meiſten Länder des Nordens. Aber es giebt weſentlich italieniſche Figuren. Schwerlich findet ſich anderswo z. B. die Geſtalt des durch Leidenſchaft verwil- derten, allmälig zum Räuberhauptmann gewordenen Geiſt- lichen, wovon jene Zeit unter andern folgendes Beiſpiel liefert 1). Am 12. Auguſt 1495 wurde in einen eiſernen Käfig außen am Thurm von S. Giuliano zu Ferrara ein- geſchloſſen der Prieſter Don Nicolò de' Pelegati von Fi- garolo. Derſelbe hatte zweimal ſeine erſte Meſſe geleſen; das erſtemal hatte er an demſelben Tage einen Mord be- gangen und war darauf in Rom abſolvirt worden; nachher tödtete er vier Menſchen und heirathete zwei Weiber, mit welchen er herumzog. Dann war er bei vielen Tödtungen anweſend, nothzüchtigte Weiber, führte andere mit Gewalt fort, übte Raub in Maſſe, tödtete noch Viele und zog im Ferrareſiſchen mit einer uniformirten bewaffneten Bande herum, Nahrung und Obdach mit Mord und Gewalt er- zwingend. — Wenn man ſich das Dazwiſchenliegende hin- zudenkt, ſo ergiebt ſich für den Prieſter eine ungeheure Summe des Frevels. Es gab damals überall viele Mörder und andere Miſſethäter unter den ſo wenig beaufſichtigten und ſo hoch privilegirten Geiſtlichen und Mönchen, aber
1)Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 312. Man erinnert ſich dabei an die Bande des Prieſters, welcher einige Jahre vor 1837 die weſtliche Lombardie unſicher machte.
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im Ganzen ſicherer geweſen, ob das Menſchenleben weſent-
lich beſſer garantirt war, läßt ſich ſchwer ermitteln. Aber
ſo viel iſt ſicher, daß das prämeditirte, beſoldete, durch
dritte Hand geübte, auch das zum Gewerb gewordene Ver-
brechen in Italien eine große und ſchreckliche Ausdehnung
gewonnen hatte.
6. Abſchnitt.
Blicken wir zunächſt auf das Räuberweſen, ſo wird
vielleicht Italien damals nicht mehr, in glücklichern Gegenden
wie z. B. Toscana ſogar weniger davon heimgeſucht gewe-
ſen ſein als die meiſten Länder des Nordens. Aber es
giebt weſentlich italieniſche Figuren. Schwerlich findet ſich
anderswo z. B. die Geſtalt des durch Leidenſchaft verwil-
derten, allmälig zum Räuberhauptmann gewordenen Geiſt-
lichen, wovon jene Zeit unter andern folgendes Beiſpiel
liefert 1). Am 12. Auguſt 1495 wurde in einen eiſernen
Käfig außen am Thurm von S. Giuliano zu Ferrara ein-
geſchloſſen der Prieſter Don Nicolò de' Pelegati von Fi-
garolo. Derſelbe hatte zweimal ſeine erſte Meſſe geleſen;
das erſtemal hatte er an demſelben Tage einen Mord be-
gangen und war darauf in Rom abſolvirt worden; nachher
tödtete er vier Menſchen und heirathete zwei Weiber, mit
welchen er herumzog. Dann war er bei vielen Tödtungen
anweſend, nothzüchtigte Weiber, führte andere mit Gewalt
fort, übte Raub in Maſſe, tödtete noch Viele und zog im
Ferrareſiſchen mit einer uniformirten bewaffneten Bande
herum, Nahrung und Obdach mit Mord und Gewalt er-
zwingend. — Wenn man ſich das Dazwiſchenliegende hin-
zudenkt, ſo ergiebt ſich für den Prieſter eine ungeheure
Summe des Frevels. Es gab damals überall viele Mörder
und andere Miſſethäter unter den ſo wenig beaufſichtigten
und ſo hoch privilegirten Geiſtlichen und Mönchen, aber
Räuberweſen.
1) Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 312. Man erinnert
ſich dabei an die Bande des Prieſters, welcher einige Jahre vor
1837 die weſtliche Lombardie unſicher machte.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/458>, abgerufen am 28.11.2024.
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