Beamten im Jahr 1534 eine nur kurze aber schreckliche1. Abschnitt. Herrschaft übte.
Den Gewaltherrschern von Rimini werden wir nochDie Malatesten von Rimini. hie und da begegnen. Frevelmuth, Gottlosigkeit, kriegerisches Talent und höhere Bildung sind selten so in einem Menschen vereinigt gewesen wie in Sigismondo Malatesta (st. 1467). Aber wo die Missethaten sich häufen wie in diesem Hause geschah, da gewinnen sie das Schwergewicht auch über alles Talent und ziehen die Tyrannen in den Abgrund. Der schon erwähnte Pandolfo, Sigismondo's Enkel, hielt sich nur noch weil Venedig seinen Condottiere trotz aller Ver- brechen nicht wollte fallen lassen; als ihn seine Unterthanen (1497) aus hinreichenden Gründen 1) in seiner Burg zu Rimini bombardirten und dann entwischen ließen, führte ein venezianischer Commissär den mit Brudermord und allen Gräueln befleckten wieder zurück. Nach drei Jahrzehnden waren die Malatesten arme Verbannte. Die Zeit um 1527Untergang der Kleinen. war wie die des Cesare Borgia eine Epidemie für diese kleinen Dynastien, nur sehr wenige überlebten sie und nicht einmal zu ihrem Glück. In Mirandola, wo kleine Fürsten aus dem Hause Pico herrschten, saß im Jahr 1533 ein armer Gelehrter, Lilio Gregorio Giraldi, der aus der Ver- wüstung von Rom sich an den gastlichen Heerd des hoch- bejahrten Giovan Francesco Pico (Neffen des berühmten Giovanni) geflüchtet hatte; bei Anlaß ihrer Besprechungen über das Grabmal, welches der Fürst für sich bereiten wollte, entstand eine Abhandlung, 2) deren Dedication vom April jenes Jahres datirt ist. Aber wie wehmüthig lautet die Nachschrift: "im October desselben Jahres ist der un-
1)Malipiero, Ann. Veneti, Archiv. stor. VII, I, p. 498.
2)Lil. Greg. Giraldus, de vario sepeliendi ritu. -- Schon 1470 war in diesem Hause eine Miniaturkatastrophe vorgefallen, vgl. Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 225.
Cultur der Renaissance. 3
Beamten im Jahr 1534 eine nur kurze aber ſchreckliche1. Abſchnitt. Herrſchaft übte.
Den Gewaltherrſchern von Rimini werden wir nochDie Malateſten von Rimini. hie und da begegnen. Frevelmuth, Gottloſigkeit, kriegeriſches Talent und höhere Bildung ſind ſelten ſo in einem Menſchen vereinigt geweſen wie in Sigismondo Malateſta (ſt. 1467). Aber wo die Miſſethaten ſich häufen wie in dieſem Hauſe geſchah, da gewinnen ſie das Schwergewicht auch über alles Talent und ziehen die Tyrannen in den Abgrund. Der ſchon erwähnte Pandolfo, Sigismondo's Enkel, hielt ſich nur noch weil Venedig ſeinen Condottiere trotz aller Ver- brechen nicht wollte fallen laſſen; als ihn ſeine Unterthanen (1497) aus hinreichenden Gründen 1) in ſeiner Burg zu Rimini bombardirten und dann entwiſchen ließen, führte ein venezianiſcher Commiſſär den mit Brudermord und allen Gräueln befleckten wieder zurück. Nach drei Jahrzehnden waren die Malateſten arme Verbannte. Die Zeit um 1527Untergang der Kleinen. war wie die des Ceſare Borgia eine Epidemie für dieſe kleinen Dynaſtien, nur ſehr wenige überlebten ſie und nicht einmal zu ihrem Glück. In Mirandola, wo kleine Fürſten aus dem Hauſe Pico herrſchten, ſaß im Jahr 1533 ein armer Gelehrter, Lilio Gregorio Giraldi, der aus der Ver- wüſtung von Rom ſich an den gaſtlichen Heerd des hoch- bejahrten Giovan Francesco Pico (Neffen des berühmten Giovanni) geflüchtet hatte; bei Anlaß ihrer Beſprechungen über das Grabmal, welches der Fürſt für ſich bereiten wollte, entſtand eine Abhandlung, 2) deren Dedication vom April jenes Jahres datirt iſt. Aber wie wehmüthig lautet die Nachſchrift: „im October deſſelben Jahres iſt der un-
1)Malipiero, Ann. Veneti, Archiv. stor. VII, I, p. 498.
2)Lil. Greg. Giraldus, de vario sepeliendi ritu. — Schon 1470 war in dieſem Hauſe eine Miniaturkataſtrophe vorgefallen, vgl. Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 225.
Cultur der Renaiſſance. 3
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Beamten im Jahr 1534 eine nur kurze aber ſchreckliche
Herrſchaft übte.
1. Abſchnitt.
Den Gewaltherrſchern von Rimini werden wir noch
hie und da begegnen. Frevelmuth, Gottloſigkeit, kriegeriſches
Talent und höhere Bildung ſind ſelten ſo in einem Menſchen
vereinigt geweſen wie in Sigismondo Malateſta (ſt. 1467).
Aber wo die Miſſethaten ſich häufen wie in dieſem Hauſe
geſchah, da gewinnen ſie das Schwergewicht auch über alles
Talent und ziehen die Tyrannen in den Abgrund. Der
ſchon erwähnte Pandolfo, Sigismondo's Enkel, hielt ſich
nur noch weil Venedig ſeinen Condottiere trotz aller Ver-
brechen nicht wollte fallen laſſen; als ihn ſeine Unterthanen
(1497) aus hinreichenden Gründen 1) in ſeiner Burg zu
Rimini bombardirten und dann entwiſchen ließen, führte
ein venezianiſcher Commiſſär den mit Brudermord und allen
Gräueln befleckten wieder zurück. Nach drei Jahrzehnden
waren die Malateſten arme Verbannte. Die Zeit um 1527
war wie die des Ceſare Borgia eine Epidemie für dieſe
kleinen Dynaſtien, nur ſehr wenige überlebten ſie und nicht
einmal zu ihrem Glück. In Mirandola, wo kleine Fürſten
aus dem Hauſe Pico herrſchten, ſaß im Jahr 1533 ein
armer Gelehrter, Lilio Gregorio Giraldi, der aus der Ver-
wüſtung von Rom ſich an den gaſtlichen Heerd des hoch-
bejahrten Giovan Francesco Pico (Neffen des berühmten
Giovanni) geflüchtet hatte; bei Anlaß ihrer Beſprechungen
über das Grabmal, welches der Fürſt für ſich bereiten
wollte, entſtand eine Abhandlung, 2) deren Dedication vom
April jenes Jahres datirt iſt. Aber wie wehmüthig lautet
die Nachſchrift: „im October deſſelben Jahres iſt der un-
Die Malateſten
von Rimini.
Untergang der
Kleinen.
1) Malipiero, Ann. Veneti, Archiv. stor. VII, I, p. 498.
2) Lil. Greg. Giraldus, de vario sepeliendi ritu. — Schon 1470
war in dieſem Hauſe eine Miniaturkataſtrophe vorgefallen, vgl.
Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 225.
Cultur der Renaiſſance. 3
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/43>, abgerufen am 21.11.2024.
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