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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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5. Abschnitt.Brüderschaften, oder die Quartiere, welche die Besorgung
und zum Theil die Aufführung selbst übernahmen, verlang-
ten je nach Maßgabe ihres Reichthums wenigstens in den
und ihre Aus-
stattung.
größern Städten den Aufwand aller erreichbaren Mittel
der Kunst. Ebendasselbe darf man voraussetzen, wenn bei
großen fürstlichen Festen neben dem weltlichen Drama oder
der Pantomime auch noch Mysterien aufgeführt werden.
Der Hof des Pietro Riario (S. 107), der von Ferrara etc.
ließen es dabei gewiß nicht an der ersinnlichsten Pracht
fehlen 1). Vergegenwärtigt man sich das scenische Talent
und die reichen Trachten der Schauspieler, die Darstellung
der Oertlichkeiten durch ideale Decorationen des damaligen
Baustyls, durch Laubwerk und Teppiche, endlich als Hinter-
grund die Prachtbauten der Piazza einer großen Stadt
oder die lichten Säulenhallen eines Palasthofes, eines großen
Klosterhofes, so ergiebt sich ein überaus reiches Bild. Wie
aber das weltliche Drama eben durch eine solche Ausstattung
zu Schaden kam, so ist auch wohl die höhere poetische Ent-
wicklung des Mysteriums selber durch dieses unmäßige Vor-
drängen der Schaulust gehemmt worden. In den erhal-
tenen Texten findet man ein meist sehr dürftiges dramatisches
Gewebe mit einzelnen schönen lyrisch-rhetorischen Stellen,
aber nichts von jenem großartigen symbolischen Schwung,
der die "Autos sagramentales" eines Calderon auszeichnet.

Bisweilen mag in kleinern Städten, bei ärmerer Aus-
stattung, die Wirkung dieser geistlichen Dramen auf das
Gemüth eine stärkere gewesen sein. Es kommt vor 2), daß

1) Arch. stor. Append. II, p. 310. Das Mysterium von Mariä
Verkündigung in Ferrara bei der Hochzeit des Alfonso, mit kunst-
reichen Schwebemaschinen und Feuerwerk. Die Aufführung der Su-
sanna, des Täufers Johannes und einer Legende beim Card. Riario
s. bei Corio, fol. 417. Das Mysterium von Constantin d. Gr.,
im päpstlichen Palast, Carneval 1484, s. bei Jac. Volaterran.,
Murat. XXIII, Col. 194.
2) Graziani, cronaca di Perugia, Arch. stor. XVI, I, p. 598.

5. Abſchnitt.Brüderſchaften, oder die Quartiere, welche die Beſorgung
und zum Theil die Aufführung ſelbſt übernahmen, verlang-
ten je nach Maßgabe ihres Reichthums wenigſtens in den
und ihre Aus-
ſtattung.
größern Städten den Aufwand aller erreichbaren Mittel
der Kunſt. Ebendaſſelbe darf man vorausſetzen, wenn bei
großen fürſtlichen Feſten neben dem weltlichen Drama oder
der Pantomime auch noch Myſterien aufgeführt werden.
Der Hof des Pietro Riario (S. 107), der von Ferrara ꝛc.
ließen es dabei gewiß nicht an der erſinnlichſten Pracht
fehlen 1). Vergegenwärtigt man ſich das ſceniſche Talent
und die reichen Trachten der Schauſpieler, die Darſtellung
der Oertlichkeiten durch ideale Decorationen des damaligen
Bauſtyls, durch Laubwerk und Teppiche, endlich als Hinter-
grund die Prachtbauten der Piazza einer großen Stadt
oder die lichten Säulenhallen eines Palaſthofes, eines großen
Kloſterhofes, ſo ergiebt ſich ein überaus reiches Bild. Wie
aber das weltliche Drama eben durch eine ſolche Ausſtattung
zu Schaden kam, ſo iſt auch wohl die höhere poetiſche Ent-
wicklung des Myſteriums ſelber durch dieſes unmäßige Vor-
drängen der Schauluſt gehemmt worden. In den erhal-
tenen Texten findet man ein meiſt ſehr dürftiges dramatiſches
Gewebe mit einzelnen ſchönen lyriſch-rhetoriſchen Stellen,
aber nichts von jenem großartigen ſymboliſchen Schwung,
der die „Autos ſagramentales“ eines Calderon auszeichnet.

Bisweilen mag in kleinern Städten, bei ärmerer Aus-
ſtattung, die Wirkung dieſer geiſtlichen Dramen auf das
Gemüth eine ſtärkere geweſen ſein. Es kommt vor 2), daß

1) Arch. stor. Append. II, p. 310. Das Myſterium von Mariä
Verkündigung in Ferrara bei der Hochzeit des Alfonſo, mit kunſt-
reichen Schwebemaſchinen und Feuerwerk. Die Aufführung der Su-
ſanna, des Täufers Johannes und einer Legende beim Card. Riario
ſ. bei Corio, fol. 417. Das Myſterium von Conſtantin d. Gr.,
im päpſtlichen Palaſt, Carneval 1484, ſ. bei Jac. Volaterran.,
Murat. XXIII, Col. 194.
2) Graziani, cronaca di Perugia, Arch. stor. XVI, I, p. 598.
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[408/0418] Brüderſchaften, oder die Quartiere, welche die Beſorgung und zum Theil die Aufführung ſelbſt übernahmen, verlang- ten je nach Maßgabe ihres Reichthums wenigſtens in den größern Städten den Aufwand aller erreichbaren Mittel der Kunſt. Ebendaſſelbe darf man vorausſetzen, wenn bei großen fürſtlichen Feſten neben dem weltlichen Drama oder der Pantomime auch noch Myſterien aufgeführt werden. Der Hof des Pietro Riario (S. 107), der von Ferrara ꝛc. ließen es dabei gewiß nicht an der erſinnlichſten Pracht fehlen 1). Vergegenwärtigt man ſich das ſceniſche Talent und die reichen Trachten der Schauſpieler, die Darſtellung der Oertlichkeiten durch ideale Decorationen des damaligen Bauſtyls, durch Laubwerk und Teppiche, endlich als Hinter- grund die Prachtbauten der Piazza einer großen Stadt oder die lichten Säulenhallen eines Palaſthofes, eines großen Kloſterhofes, ſo ergiebt ſich ein überaus reiches Bild. Wie aber das weltliche Drama eben durch eine ſolche Ausſtattung zu Schaden kam, ſo iſt auch wohl die höhere poetiſche Ent- wicklung des Myſteriums ſelber durch dieſes unmäßige Vor- drängen der Schauluſt gehemmt worden. In den erhal- tenen Texten findet man ein meiſt ſehr dürftiges dramatiſches Gewebe mit einzelnen ſchönen lyriſch-rhetoriſchen Stellen, aber nichts von jenem großartigen ſymboliſchen Schwung, der die „Autos ſagramentales“ eines Calderon auszeichnet. 5. Abſchnitt. und ihre Aus- ſtattung. Bisweilen mag in kleinern Städten, bei ärmerer Aus- ſtattung, die Wirkung dieſer geiſtlichen Dramen auf das Gemüth eine ſtärkere geweſen ſein. Es kommt vor 2), daß 1) Arch. stor. Append. II, p. 310. Das Myſterium von Mariä Verkündigung in Ferrara bei der Hochzeit des Alfonſo, mit kunſt- reichen Schwebemaſchinen und Feuerwerk. Die Aufführung der Su- ſanna, des Täufers Johannes und einer Legende beim Card. Riario ſ. bei Corio, fol. 417. Das Myſterium von Conſtantin d. Gr., im päpſtlichen Palaſt, Carneval 1484, ſ. bei Jac. Volaterran., Murat. XXIII, Col. 194. 2) Graziani, cronaca di Perugia, Arch. stor. XVI, I, p. 598.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/418>, abgerufen am 22.11.2024.