5. Abschnitt.Das Hauswesen unseres Mittelalters war ein Pro- duct der herrschenden Volkssitte oder, wenn man will, ein höheres Naturproduct, beruhend auf den Antrieben der Völkerentwicklung, und auf der Einwirkung der Lebens- weise je nach Stand und Vermögen. Das Ritterthum in seiner Blüthezeit ließ das Hauswesen unberührt; sein Le- ben war das Herumziehen an Höfen und in Kriegen; seine Huldigung gehörte systematisch einer andern Frau als der Hausfrau, und auf dem Schloß daheim mochten die Dinge gehen wie sie konnten. Die Renaissance zuerst ver- sucht auch das Hauswesen mit Bewußtsein, als ein geord- netes, ja als ein Kunstwerk aufzubauen. Eine sehr ent- wickelte Oeconomie (S. 80) und ein rationeller Hausbau kömmt ihr dabei zu Hülfe, die Hauptsache aber ist eine verständige Reflexion über alle Fragen des Zusammenlebens, der Erziehung, der Einrichtung und Bedienung.
Pandolfini.Das schätzbarste Actenstück hiefür ist der Dialog über die Leitung des Hauses von Agnolo Pandolfini 1). Ein Vater spricht zu seinen erwachsenen Söhnen und weiht sie in seine ganze Handlungsweise ein. Man sieht in einen großen, reichlichen Hausstand hinein, der, mit vernünftiger Sparsamkeit und mit mäßigem Leben weiter geführt, Glück und Wohlergehen auf viele Geschlechter hinaus verheißt. Ein ansehnlicher Grundbesitz, der schon durch seine Pro- ducte den Tisch des Hauses versieht und die Basis des Ganzen ausmacht, wird mit einem industriellen Geschäft, sei es Seiden- oder Wollenweberei, verbunden. Wohnung und Nahrung sind höchst solid; alles was zur Einrichtung und Anlage gehört, soll groß, dauerhaft und kostbar, das tägliche Leben darin so einfach als möglich sein. Aller übrige Aufwand, von den größten Ehrenausgaben bis auf
1)Trattato delgoverno della famiglia. Vgl. oben S. 135, 140, Anmm. Pandolfini starb 1446, L. B. Alberti, dem das Werk ebenfalls zu- geschrieben wird, im J 1472 -- Vgl. auch S. 302, Anm.
5. Abſchnitt.Das Hausweſen unſeres Mittelalters war ein Pro- duct der herrſchenden Volksſitte oder, wenn man will, ein höheres Naturproduct, beruhend auf den Antrieben der Völkerentwicklung, und auf der Einwirkung der Lebens- weiſe je nach Stand und Vermögen. Das Ritterthum in ſeiner Blüthezeit ließ das Hausweſen unberührt; ſein Le- ben war das Herumziehen an Höfen und in Kriegen; ſeine Huldigung gehörte ſyſtematiſch einer andern Frau als der Hausfrau, und auf dem Schloß daheim mochten die Dinge gehen wie ſie konnten. Die Renaiſſance zuerſt ver- ſucht auch das Hausweſen mit Bewußtſein, als ein geord- netes, ja als ein Kunſtwerk aufzubauen. Eine ſehr ent- wickelte Oeconomie (S. 80) und ein rationeller Hausbau kömmt ihr dabei zu Hülfe, die Hauptſache aber iſt eine verſtändige Reflexion über alle Fragen des Zuſammenlebens, der Erziehung, der Einrichtung und Bedienung.
Pandolfini.Das ſchätzbarſte Actenſtück hiefür iſt der Dialog über die Leitung des Hauſes von Agnolo Pandolfini 1). Ein Vater ſpricht zu ſeinen erwachſenen Söhnen und weiht ſie in ſeine ganze Handlungsweiſe ein. Man ſieht in einen großen, reichlichen Hausſtand hinein, der, mit vernünftiger Sparſamkeit und mit mäßigem Leben weiter geführt, Glück und Wohlergehen auf viele Geſchlechter hinaus verheißt. Ein anſehnlicher Grundbeſitz, der ſchon durch ſeine Pro- ducte den Tiſch des Hauſes verſieht und die Baſis des Ganzen ausmacht, wird mit einem induſtriellen Geſchäft, ſei es Seiden- oder Wollenweberei, verbunden. Wohnung und Nahrung ſind höchſt ſolid; alles was zur Einrichtung und Anlage gehört, ſoll groß, dauerhaft und koſtbar, das tägliche Leben darin ſo einfach als möglich ſein. Aller übrige Aufwand, von den größten Ehrenausgaben bis auf
1)Trattato delgoverno della famiglia. Vgl. oben S. 135, 140, Anmm. Pandolfini ſtarb 1446, L. B. Alberti, dem das Werk ebenfalls zu- geſchrieben wird, im J 1472 — Vgl. auch S. 302, Anm.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0408"n="398"/><p><noteplace="left"><hirendition="#b"><hirendition="#u">5. Abſchnitt.</hi></hi></note>Das Hausweſen unſeres Mittelalters war ein Pro-<lb/>
duct der herrſchenden Volksſitte oder, wenn man will, ein<lb/>
höheres Naturproduct, beruhend auf den Antrieben der<lb/>
Völkerentwicklung, und auf der Einwirkung der Lebens-<lb/>
weiſe je nach Stand und Vermögen. Das Ritterthum in<lb/>ſeiner Blüthezeit ließ das Hausweſen unberührt; ſein Le-<lb/>
ben war das Herumziehen an Höfen und in Kriegen;<lb/>ſeine Huldigung gehörte ſyſtematiſch einer andern Frau als<lb/>
der Hausfrau, und auf dem Schloß daheim mochten die<lb/>
Dinge gehen wie ſie konnten. Die Renaiſſance zuerſt ver-<lb/>ſucht auch das Hausweſen mit Bewußtſein, als ein geord-<lb/>
netes, ja als ein Kunſtwerk aufzubauen. Eine ſehr ent-<lb/>
wickelte Oeconomie (S. 80) und ein rationeller Hausbau<lb/>
kömmt ihr dabei zu Hülfe, die Hauptſache aber iſt eine<lb/>
verſtändige Reflexion über alle Fragen des Zuſammenlebens,<lb/>
der Erziehung, der Einrichtung und Bedienung.</p><lb/><p><noteplace="left">Pandolfini.</note>Das ſchätzbarſte Actenſtück hiefür iſt der Dialog über<lb/>
die Leitung des Hauſes von Agnolo Pandolfini <noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#aq">Trattato delgoverno della famiglia.</hi> Vgl. oben S. 135, 140, Anmm.<lb/>
Pandolfini ſtarb 1446, L. B. Alberti, dem das Werk ebenfalls zu-<lb/>
geſchrieben wird, im J 1472 — Vgl. auch S. 302, Anm.</note>. Ein<lb/>
Vater ſpricht zu ſeinen erwachſenen Söhnen und weiht ſie<lb/>
in ſeine ganze Handlungsweiſe ein. Man ſieht in einen<lb/>
großen, reichlichen Hausſtand hinein, der, mit vernünftiger<lb/>
Sparſamkeit und mit mäßigem Leben weiter geführt, Glück<lb/>
und Wohlergehen auf viele Geſchlechter hinaus verheißt.<lb/>
Ein anſehnlicher Grundbeſitz, der ſchon durch ſeine Pro-<lb/>
ducte den Tiſch des Hauſes verſieht und die Baſis des<lb/>
Ganzen ausmacht, wird mit einem induſtriellen Geſchäft,<lb/>ſei es Seiden- oder Wollenweberei, verbunden. Wohnung<lb/>
und Nahrung ſind höchſt ſolid; alles was zur Einrichtung<lb/>
und Anlage gehört, ſoll groß, dauerhaft und koſtbar, das<lb/>
tägliche Leben darin ſo einfach als möglich ſein. Aller<lb/>
übrige Aufwand, von den größten Ehrenausgaben bis auf<lb/></p></div></body></text></TEI>
[398/0408]
Das Hausweſen unſeres Mittelalters war ein Pro-
duct der herrſchenden Volksſitte oder, wenn man will, ein
höheres Naturproduct, beruhend auf den Antrieben der
Völkerentwicklung, und auf der Einwirkung der Lebens-
weiſe je nach Stand und Vermögen. Das Ritterthum in
ſeiner Blüthezeit ließ das Hausweſen unberührt; ſein Le-
ben war das Herumziehen an Höfen und in Kriegen;
ſeine Huldigung gehörte ſyſtematiſch einer andern Frau als
der Hausfrau, und auf dem Schloß daheim mochten die
Dinge gehen wie ſie konnten. Die Renaiſſance zuerſt ver-
ſucht auch das Hausweſen mit Bewußtſein, als ein geord-
netes, ja als ein Kunſtwerk aufzubauen. Eine ſehr ent-
wickelte Oeconomie (S. 80) und ein rationeller Hausbau
kömmt ihr dabei zu Hülfe, die Hauptſache aber iſt eine
verſtändige Reflexion über alle Fragen des Zuſammenlebens,
der Erziehung, der Einrichtung und Bedienung.
5. Abſchnitt.
Das ſchätzbarſte Actenſtück hiefür iſt der Dialog über
die Leitung des Hauſes von Agnolo Pandolfini 1). Ein
Vater ſpricht zu ſeinen erwachſenen Söhnen und weiht ſie
in ſeine ganze Handlungsweiſe ein. Man ſieht in einen
großen, reichlichen Hausſtand hinein, der, mit vernünftiger
Sparſamkeit und mit mäßigem Leben weiter geführt, Glück
und Wohlergehen auf viele Geſchlechter hinaus verheißt.
Ein anſehnlicher Grundbeſitz, der ſchon durch ſeine Pro-
ducte den Tiſch des Hauſes verſieht und die Baſis des
Ganzen ausmacht, wird mit einem induſtriellen Geſchäft,
ſei es Seiden- oder Wollenweberei, verbunden. Wohnung
und Nahrung ſind höchſt ſolid; alles was zur Einrichtung
und Anlage gehört, ſoll groß, dauerhaft und koſtbar, das
tägliche Leben darin ſo einfach als möglich ſein. Aller
übrige Aufwand, von den größten Ehrenausgaben bis auf
Pandolfini.
1) Trattato delgoverno della famiglia. Vgl. oben S. 135, 140, Anmm.
Pandolfini ſtarb 1446, L. B. Alberti, dem das Werk ebenfalls zu-
geſchrieben wird, im J 1472 — Vgl. auch S. 302, Anm.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/408>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.