Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

5. Abschnitt.lockern Fräulein 1), aber nicht durch ihr eigenes Benehmen
in ungünstige Nachrede gerathen; Giulia Gonzaga Colonna,
Ippolita Sforza vermählte Bentivoglio, Bianca Rangona,
Cecilia Gallerana, Camilla Scarampa u. A. waren ent-
weder völlig unbescholten oder es wurde auf ihr sonstiges
Benehmen kein Gewicht gelegt neben ihrem socialen Ruhm.
Die berühmteste Dame von Italien, Vittoria Colonna, war
vollends eine Heilige. Was nun Specielles von dem zwang-
losen Zeitvertreib jener Kreise in der Stadt, auf der Villa,
in Badeorten gemeldet wird, läßt sich nicht so wiedergeben,
daß daraus die Superiorität über die Geselligkeit des
übrigen Europa's buchstäblich klar würde. Aber man höre
Bandello an 2) und frage sich dann nach der Möglichkeit
von etwas Aehnlichem z. B. in Frankreich, bevor diese Art
von Geselligkeit eben durch Leute wie er aus Italien dort-
hin verpflanzt worden war. -- Gewiß wurde auch damals
das Größte im Gebiet des Geistes hervorgebracht ohne die
Beihülfe solcher Salons und ohne Rücksicht auf sie; doch
thäte man Unrecht, ihren Werth für die Bewegung von
Kunst und Poesie gar zu gering zu schätzen, wäre es auch
nur, weil sie das schaffen halfen, was damals in keinem
Lande existirte: eine gleichartige Beurtheilung und Theil-
nahme für die Productionen. Abgesehen davon ist diese
Art von Societät schon als solche eine nothwendige Blüthe
jener bestimmten Cultur und Existenz, welche damals eine
italienische war und seitdem eine europäische geworden ist.

Florentinische
Geselligkeit.
In Florenz wird das Gesellschaftsleben stark bedingt
von Seiten der Literatur und der Politik. Lorenzo magnifico
ist vor Allem eine Persönlichkeit, welche nicht wie man
glauben möchte, durch die fürstengleiche Stellung, sondern
durch das außerordentliche Naturell seine Umgebung voll-

1) Prato, Arch. stor. III, p. 309.
2) Die wichtigern Stellen: Parte I, Nov. 1. 3. 21. 30. 44. II, 10.
34. 55. III, 17. etc.

5. Abſchnitt.lockern Fräulein 1), aber nicht durch ihr eigenes Benehmen
in ungünſtige Nachrede gerathen; Giulia Gonzaga Colonna,
Ippolita Sforza vermählte Bentivoglio, Bianca Rangona,
Cecilia Gallerana, Camilla Scarampa u. A. waren ent-
weder völlig unbeſcholten oder es wurde auf ihr ſonſtiges
Benehmen kein Gewicht gelegt neben ihrem ſocialen Ruhm.
Die berühmteſte Dame von Italien, Vittoria Colonna, war
vollends eine Heilige. Was nun Specielles von dem zwang-
loſen Zeitvertreib jener Kreiſe in der Stadt, auf der Villa,
in Badeorten gemeldet wird, läßt ſich nicht ſo wiedergeben,
daß daraus die Superiorität über die Geſelligkeit des
übrigen Europa's buchſtäblich klar würde. Aber man höre
Bandello an 2) und frage ſich dann nach der Möglichkeit
von etwas Aehnlichem z. B. in Frankreich, bevor dieſe Art
von Geſelligkeit eben durch Leute wie er aus Italien dort-
hin verpflanzt worden war. — Gewiß wurde auch damals
das Größte im Gebiet des Geiſtes hervorgebracht ohne die
Beihülfe ſolcher Salons und ohne Rückſicht auf ſie; doch
thäte man Unrecht, ihren Werth für die Bewegung von
Kunſt und Poeſie gar zu gering zu ſchätzen, wäre es auch
nur, weil ſie das ſchaffen halfen, was damals in keinem
Lande exiſtirte: eine gleichartige Beurtheilung und Theil-
nahme für die Productionen. Abgeſehen davon iſt dieſe
Art von Societät ſchon als ſolche eine nothwendige Blüthe
jener beſtimmten Cultur und Exiſtenz, welche damals eine
italieniſche war und ſeitdem eine europäiſche geworden iſt.

Florentiniſche
Geſelligkeit.
In Florenz wird das Geſellſchaftsleben ſtark bedingt
von Seiten der Literatur und der Politik. Lorenzo magnifico
iſt vor Allem eine Perſönlichkeit, welche nicht wie man
glauben möchte, durch die fürſtengleiche Stellung, ſondern
durch das außerordentliche Naturell ſeine Umgebung voll-

1) Prato, Arch. stor. III, p. 309.
2) Die wichtigern Stellen: Parte I, Nov. 1. 3. 21. 30. 44. II, 10.
34. 55. III, 17. etc.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0392" n="382"/><note place="left"><hi rendition="#b"><hi rendition="#u">5. Ab&#x017F;chnitt.</hi></hi></note>lockern Fräulein <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Prato, Arch. stor. III, p.</hi> 309.</note>, aber nicht durch ihr eigenes Benehmen<lb/>
in ungün&#x017F;tige Nachrede gerathen; Giulia Gonzaga Colonna,<lb/>
Ippolita Sforza vermählte Bentivoglio, Bianca Rangona,<lb/>
Cecilia Gallerana, Camilla Scarampa u. A. waren ent-<lb/>
weder völlig unbe&#x017F;cholten oder es wurde auf ihr &#x017F;on&#x017F;tiges<lb/>
Benehmen kein Gewicht gelegt neben ihrem &#x017F;ocialen Ruhm.<lb/>
Die berühmte&#x017F;te Dame von Italien, Vittoria Colonna, war<lb/>
vollends eine Heilige. Was nun Specielles von dem zwang-<lb/>
lo&#x017F;en Zeitvertreib jener Krei&#x017F;e in der Stadt, auf der Villa,<lb/>
in Badeorten gemeldet wird, läßt &#x017F;ich nicht &#x017F;o wiedergeben,<lb/>
daß daraus die Superiorität über die Ge&#x017F;elligkeit des<lb/>
übrigen Europa's buch&#x017F;täblich klar würde. Aber man höre<lb/>
Bandello an <note place="foot" n="2)">Die wichtigern Stellen: <hi rendition="#aq">Parte I, Nov. 1. 3. 21. 30. 44. II, 10.<lb/>
34. 55. III, 17. etc.</hi></note> und frage &#x017F;ich dann nach der Möglichkeit<lb/>
von etwas Aehnlichem z. B. in Frankreich, bevor die&#x017F;e Art<lb/>
von Ge&#x017F;elligkeit eben durch Leute wie er aus Italien dort-<lb/>
hin verpflanzt worden war. &#x2014; Gewiß wurde auch damals<lb/>
das Größte im Gebiet des Gei&#x017F;tes hervorgebracht ohne die<lb/>
Beihülfe &#x017F;olcher Salons und ohne Rück&#x017F;icht auf &#x017F;ie; doch<lb/>
thäte man Unrecht, ihren Werth für die Bewegung von<lb/>
Kun&#x017F;t und Poe&#x017F;ie gar zu gering zu &#x017F;chätzen, wäre es auch<lb/>
nur, weil &#x017F;ie das &#x017F;chaffen halfen, was damals in keinem<lb/>
Lande exi&#x017F;tirte: eine gleichartige Beurtheilung und Theil-<lb/>
nahme für die Productionen. Abge&#x017F;ehen davon i&#x017F;t die&#x017F;e<lb/>
Art von Societät &#x017F;chon als &#x017F;olche eine nothwendige Blüthe<lb/>
jener be&#x017F;timmten Cultur und Exi&#x017F;tenz, welche damals eine<lb/>
italieni&#x017F;che war und &#x017F;eitdem eine europäi&#x017F;che geworden i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p><note place="left">Florentini&#x017F;che<lb/>
Ge&#x017F;elligkeit.</note>In Florenz wird das Ge&#x017F;ell&#x017F;chaftsleben &#x017F;tark bedingt<lb/>
von Seiten der Literatur und der Politik. Lorenzo magnifico<lb/>
i&#x017F;t vor Allem eine Per&#x017F;önlichkeit, welche nicht wie man<lb/>
glauben möchte, durch die für&#x017F;tengleiche Stellung, &#x017F;ondern<lb/>
durch das außerordentliche Naturell &#x017F;eine Umgebung voll-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382/0392] lockern Fräulein 1), aber nicht durch ihr eigenes Benehmen in ungünſtige Nachrede gerathen; Giulia Gonzaga Colonna, Ippolita Sforza vermählte Bentivoglio, Bianca Rangona, Cecilia Gallerana, Camilla Scarampa u. A. waren ent- weder völlig unbeſcholten oder es wurde auf ihr ſonſtiges Benehmen kein Gewicht gelegt neben ihrem ſocialen Ruhm. Die berühmteſte Dame von Italien, Vittoria Colonna, war vollends eine Heilige. Was nun Specielles von dem zwang- loſen Zeitvertreib jener Kreiſe in der Stadt, auf der Villa, in Badeorten gemeldet wird, läßt ſich nicht ſo wiedergeben, daß daraus die Superiorität über die Geſelligkeit des übrigen Europa's buchſtäblich klar würde. Aber man höre Bandello an 2) und frage ſich dann nach der Möglichkeit von etwas Aehnlichem z. B. in Frankreich, bevor dieſe Art von Geſelligkeit eben durch Leute wie er aus Italien dort- hin verpflanzt worden war. — Gewiß wurde auch damals das Größte im Gebiet des Geiſtes hervorgebracht ohne die Beihülfe ſolcher Salons und ohne Rückſicht auf ſie; doch thäte man Unrecht, ihren Werth für die Bewegung von Kunſt und Poeſie gar zu gering zu ſchätzen, wäre es auch nur, weil ſie das ſchaffen halfen, was damals in keinem Lande exiſtirte: eine gleichartige Beurtheilung und Theil- nahme für die Productionen. Abgeſehen davon iſt dieſe Art von Societät ſchon als ſolche eine nothwendige Blüthe jener beſtimmten Cultur und Exiſtenz, welche damals eine italieniſche war und ſeitdem eine europäiſche geworden iſt. 5. Abſchnitt. In Florenz wird das Geſellſchaftsleben ſtark bedingt von Seiten der Literatur und der Politik. Lorenzo magnifico iſt vor Allem eine Perſönlichkeit, welche nicht wie man glauben möchte, durch die fürſtengleiche Stellung, ſondern durch das außerordentliche Naturell ſeine Umgebung voll- Florentiniſche Geſelligkeit. 1) Prato, Arch. stor. III, p. 309. 2) Die wichtigern Stellen: Parte I, Nov. 1. 3. 21. 30. 44. II, 10. 34. 55. III, 17. etc.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/392
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/392>, abgerufen am 28.11.2024.