Tage auf der Gasse erstochen, einer Alexanders VI., der1. Abschnitt. abgesandt war um zu schlichten, erntete nichts als offenen Hohn. Dafür hatten die beiden Häupter des regierenden Hauses Guido und Ridolfo häufige Unterredungen mit der heiligen wunderthätigen Dominicanernonne Suor Colomba von Rieti, welche unter Androhung großen künftigen Un- heils zum Frieden rieth, natürlich vergebens. Immerhin macht der Chronist bei diesem Anlaß aufmerksam auf die Andacht und Frömmigkeit der bessern Peruginer in diesen Schreckensjahren. Während (1494) Carl VIII. heranzog, führten die Baglionen und die in und um Assisi gelagerten Verbannten einen Krieg von solcher Art, daß im Thal alle Gebäude dem Boden eben, die Felder unbebaut lagen, die Bauern zu kühnen Räubern und Mördern verwilderten, und Hirsche und Wölfe das emporwuchernde Gestrüpp be- völkerten, wo letztere sich an den Leichen der Gefallenen, an "Christenfleisch", gütlich thaten. Als Alexander VI.Absichten des Papstes. vor dem von Neapel zurückkehrenden Carl VIII. (1495) nach Umbrien entwich, fiel es ihm in Perugia ein, er könnte sich der Baglionen auf immer entledigen; er schlug dem Guido irgend ein Fest, ein Turnier oder etwas dergleichen vor, um sie irgendwo alle beisammen zu haben, aber Guido war der Meinung, "das allerschönste Schauspiel wäre, alle bewaffnete Mannschaft von Perugia beisammen zu sehen", worauf der Papst seinen Plan fallen ließ. Bald darauf machten die Verbannten wieder einen Ueberfall, bei welchem nur der persönlichste Heldenmuth der Baglionen den Sieg gewann. Da wehrte sich auf der Piazza der achtzehnjährige Simonetto Baglione mit Wenigen gegen mehrere Hunderte, und stürzte mit mehr als zwanzig Wunden, erhob sich aber wieder, als ihm Astorre Baglione zu Hülfe kam, hoch zu Roß in vergoldeter Eisenrüstung mit einem Falken auf dem Helm; "dem Mars vergleichbar an Anblick und an Thaten sprengte er in das Gewühl."
Tage auf der Gaſſe erſtochen, einer Alexanders VI., der1. Abſchnitt. abgeſandt war um zu ſchlichten, erntete nichts als offenen Hohn. Dafür hatten die beiden Häupter des regierenden Hauſes Guido und Ridolfo häufige Unterredungen mit der heiligen wunderthätigen Dominicanernonne Suor Colomba von Rieti, welche unter Androhung großen künftigen Un- heils zum Frieden rieth, natürlich vergebens. Immerhin macht der Chroniſt bei dieſem Anlaß aufmerkſam auf die Andacht und Frömmigkeit der beſſern Peruginer in dieſen Schreckensjahren. Während (1494) Carl VIII. heranzog, führten die Baglionen und die in und um Aſſiſi gelagerten Verbannten einen Krieg von ſolcher Art, daß im Thal alle Gebäude dem Boden eben, die Felder unbebaut lagen, die Bauern zu kühnen Räubern und Mördern verwilderten, und Hirſche und Wölfe das emporwuchernde Geſtrüpp be- völkerten, wo letztere ſich an den Leichen der Gefallenen, an „Chriſtenfleiſch“, gütlich thaten. Als Alexander VI.Abſichten des Papſtes. vor dem von Neapel zurückkehrenden Carl VIII. (1495) nach Umbrien entwich, fiel es ihm in Perugia ein, er könnte ſich der Baglionen auf immer entledigen; er ſchlug dem Guido irgend ein Feſt, ein Turnier oder etwas dergleichen vor, um ſie irgendwo alle beiſammen zu haben, aber Guido war der Meinung, „das allerſchönſte Schauſpiel wäre, alle bewaffnete Mannſchaft von Perugia beiſammen zu ſehen“, worauf der Papſt ſeinen Plan fallen ließ. Bald darauf machten die Verbannten wieder einen Ueberfall, bei welchem nur der perſönlichſte Heldenmuth der Baglionen den Sieg gewann. Da wehrte ſich auf der Piazza der achtzehnjährige Simonetto Baglione mit Wenigen gegen mehrere Hunderte, und ſtürzte mit mehr als zwanzig Wunden, erhob ſich aber wieder, als ihm Aſtorre Baglione zu Hülfe kam, hoch zu Roß in vergoldeter Eiſenrüſtung mit einem Falken auf dem Helm; „dem Mars vergleichbar an Anblick und an Thaten ſprengte er in das Gewühl.“
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Tage auf der Gaſſe erſtochen, einer Alexanders VI., der
abgeſandt war um zu ſchlichten, erntete nichts als offenen
Hohn. Dafür hatten die beiden Häupter des regierenden
Hauſes Guido und Ridolfo häufige Unterredungen mit der
heiligen wunderthätigen Dominicanernonne Suor Colomba
von Rieti, welche unter Androhung großen künftigen Un-
heils zum Frieden rieth, natürlich vergebens. Immerhin
macht der Chroniſt bei dieſem Anlaß aufmerkſam auf die
Andacht und Frömmigkeit der beſſern Peruginer in dieſen
Schreckensjahren. Während (1494) Carl VIII. heranzog,
führten die Baglionen und die in und um Aſſiſi gelagerten
Verbannten einen Krieg von ſolcher Art, daß im Thal alle
Gebäude dem Boden eben, die Felder unbebaut lagen, die
Bauern zu kühnen Räubern und Mördern verwilderten,
und Hirſche und Wölfe das emporwuchernde Geſtrüpp be-
völkerten, wo letztere ſich an den Leichen der Gefallenen,
an „Chriſtenfleiſch“, gütlich thaten. Als Alexander VI.
vor dem von Neapel zurückkehrenden Carl VIII. (1495)
nach Umbrien entwich, fiel es ihm in Perugia ein, er könnte
ſich der Baglionen auf immer entledigen; er ſchlug dem
Guido irgend ein Feſt, ein Turnier oder etwas dergleichen
vor, um ſie irgendwo alle beiſammen zu haben, aber Guido
war der Meinung, „das allerſchönſte Schauſpiel wäre, alle
bewaffnete Mannſchaft von Perugia beiſammen zu ſehen“,
worauf der Papſt ſeinen Plan fallen ließ. Bald darauf
machten die Verbannten wieder einen Ueberfall, bei welchem
nur der perſönlichſte Heldenmuth der Baglionen den Sieg
gewann. Da wehrte ſich auf der Piazza der achtzehnjährige
Simonetto Baglione mit Wenigen gegen mehrere Hunderte,
und ſtürzte mit mehr als zwanzig Wunden, erhob ſich aber
wieder, als ihm Aſtorre Baglione zu Hülfe kam, hoch zu
Roß in vergoldeter Eiſenrüſtung mit einem Falken auf dem
Helm; „dem Mars vergleichbar an Anblick und an Thaten
ſprengte er in das Gewühl.“
1. Abſchnitt.
Abſichten des
Papſtes.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/39>, abgerufen am 11.12.2024.
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