Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

5. Abschnitt.wieder getragen, bis etwa ein Bußprediger die weltlichen
Gemüther rührt; da erhebt sich auf einem öffentlichen Platz
ein zierlicher Scheiterhaufen (talamo), auf welchen neben
Lauten, Spielgeräthen, Masken, Zauberzetteln, Liederbüchern
und anderm Tand auch die Haartouren 1) zu liegen kommen;
die reinigende Flamme nimmt Alles mit in die Lüfte. Die
Idealfarbe aber, welche man in den eigenen, wie in den
aufgesetzten Haaren zu erreichen strebte, war blond. Und
da die Sonne im Rufe stand, das Haar blond machen zu
können 2), so gab es Damen, welche bei gutem Wetter den
ganzen Tag nicht aus der Sonne gingen 3), sonst brauchte
man auch Färbemittel und außerdem Mixturen für den
Umgestaltung
des Gesichtes.
Haarwuchs. Dazu kommt aber noch ein Arsenal von
Schönheitswassern, Teigpflastern und Schminken für jeden
einzelnen Theil des Gesichtes, selbst für Augenlider und
Zähne, wovon unsere Zeit keinen Begriff mehr hat. Kein
Hohn der Dichter 4), kein Zorn der Bußprediger, keine
Warnung vor frühem Verderben der Haut konnte die
Weiber von dem Gebrauch abwendig machen, ihrem Antlitz
eine andere Farbe und sogar eine theilweis andere Gestalt
zu geben. Es ist möglich, daß die häufigen und pracht-
vollen Aufführungen von Mysterien, wobei hunderte von

1) Infessura, bei Eccard, scriptores II, Col. 1874. -- Allegretto,
bei Murat. XXIII, Col. 823. -- Dann die Autoren über Savo-
narola, s. unten.
2) Sansovino, Venezia, fol. 152: capelli biondissimi per forza
di sole.
-- Vgl. S. 343.
3) Wie auch in Deutschland geschah. -- Poesie satiriche, p. 119,
in der Satire des Bern. Giambullari: per prender moglie. Ein
Inbegriff der ganzen Toilettenchemie, welche sich offenbar noch
sehr an Aberglauben und Magie anlehnt.
4) Welche sich doch alle Mühe gaben, das Ekelhafte, Gefährliche und
Lächerliche dieser Schmiererei hervorzuheben. Vgl. Ariosto, Sa-
tria III, vs. 202, s. -- Aretino, il marescalco, Atto II, scena
5
und mehrere Stellen in den Ragionamenti. Dann Giambullari
a. a. O. -- Phil. Beroald. sen. Carmina.

5. Abſchnitt.wieder getragen, bis etwa ein Bußprediger die weltlichen
Gemüther rührt; da erhebt ſich auf einem öffentlichen Platz
ein zierlicher Scheiterhaufen (talamo), auf welchen neben
Lauten, Spielgeräthen, Masken, Zauberzetteln, Liederbüchern
und anderm Tand auch die Haartouren 1) zu liegen kommen;
die reinigende Flamme nimmt Alles mit in die Lüfte. Die
Idealfarbe aber, welche man in den eigenen, wie in den
aufgeſetzten Haaren zu erreichen ſtrebte, war blond. Und
da die Sonne im Rufe ſtand, das Haar blond machen zu
können 2), ſo gab es Damen, welche bei gutem Wetter den
ganzen Tag nicht aus der Sonne gingen 3), ſonſt brauchte
man auch Färbemittel und außerdem Mixturen für den
Umgeſtaltung
des Geſichtes.
Haarwuchs. Dazu kommt aber noch ein Arſenal von
Schönheitswaſſern, Teigpflaſtern und Schminken für jeden
einzelnen Theil des Geſichtes, ſelbſt für Augenlider und
Zähne, wovon unſere Zeit keinen Begriff mehr hat. Kein
Hohn der Dichter 4), kein Zorn der Bußprediger, keine
Warnung vor frühem Verderben der Haut konnte die
Weiber von dem Gebrauch abwendig machen, ihrem Antlitz
eine andere Farbe und ſogar eine theilweis andere Geſtalt
zu geben. Es iſt möglich, daß die häufigen und pracht-
vollen Aufführungen von Myſterien, wobei hunderte von

1) Infessura, bei Eccard, scriptores II, Col. 1874. — Allegretto,
bei Murat. XXIII, Col. 823. — Dann die Autoren über Savo-
narola, ſ. unten.
2) Sansovino, Venezia, fol. 152: capelli biondissimi per forza
di sole.
— Vgl. S. 343.
3) Wie auch in Deutſchland geſchah. — Poesie satiriche, p. 119,
in der Satire des Bern. Giambullari: per prender moglie. Ein
Inbegriff der ganzen Toilettenchemie, welche ſich offenbar noch
ſehr an Aberglauben und Magie anlehnt.
4) Welche ſich doch alle Mühe gaben, das Ekelhafte, Gefährliche und
Lächerliche dieſer Schmiererei hervorzuheben. Vgl. Ariosto, Sa-
tria III, vs. 202, s. — Aretino, il marescalco, Atto II, scena
5
und mehrere Stellen in den Ragionamenti. Dann Giambullari
a. a. O. — Phil. Beroald. sen. Carmina.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0378" n="368"/><note place="left"><hi rendition="#b"><hi rendition="#u">5. Ab&#x017F;chnitt.</hi></hi></note>wieder getragen, bis etwa ein Bußprediger die weltlichen<lb/>
Gemüther rührt; da erhebt &#x017F;ich auf einem öffentlichen Platz<lb/>
ein zierlicher Scheiterhaufen <hi rendition="#aq">(talamo)</hi>, auf welchen neben<lb/>
Lauten, Spielgeräthen, Masken, Zauberzetteln, Liederbüchern<lb/>
und anderm Tand auch die Haartouren <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Infessura,</hi> bei <hi rendition="#aq">Eccard, scriptores II, Col. 1874. &#x2014; Allegretto,</hi><lb/>
bei <hi rendition="#aq">Murat. XXIII, Col. 823.</hi> &#x2014; Dann die Autoren über Savo-<lb/>
narola, &#x017F;. unten.</note> zu liegen kommen;<lb/>
die reinigende Flamme nimmt Alles mit in die Lüfte. Die<lb/>
Idealfarbe aber, welche man in den eigenen, wie in den<lb/>
aufge&#x017F;etzten Haaren zu erreichen &#x017F;trebte, war blond. Und<lb/>
da die Sonne im Rufe &#x017F;tand, das Haar blond machen zu<lb/>
können <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Sansovino, Venezia, fol. 152: capelli biondissimi per forza<lb/>
di sole.</hi> &#x2014; Vgl. S. 343.</note>, &#x017F;o gab es Damen, welche bei gutem Wetter den<lb/>
ganzen Tag nicht aus der Sonne gingen <note place="foot" n="3)">Wie auch in Deut&#x017F;chland ge&#x017F;chah. &#x2014; <hi rendition="#aq">Poesie satiriche, p. 119,</hi><lb/>
in der Satire des Bern. Giambullari: <hi rendition="#aq">per prender moglie.</hi> Ein<lb/>
Inbegriff der ganzen Toilettenchemie, welche &#x017F;ich offenbar noch<lb/>
&#x017F;ehr an Aberglauben und Magie anlehnt.</note>, &#x017F;on&#x017F;t brauchte<lb/>
man auch Färbemittel und außerdem Mixturen für den<lb/><note place="left">Umge&#x017F;taltung<lb/>
des Ge&#x017F;ichtes.</note>Haarwuchs. Dazu kommt aber noch ein Ar&#x017F;enal von<lb/>
Schönheitswa&#x017F;&#x017F;ern, Teigpfla&#x017F;tern und Schminken für jeden<lb/>
einzelnen Theil des Ge&#x017F;ichtes, &#x017F;elb&#x017F;t für Augenlider und<lb/>
Zähne, wovon un&#x017F;ere Zeit keinen Begriff mehr hat. Kein<lb/>
Hohn der Dichter <note place="foot" n="4)">Welche &#x017F;ich doch alle Mühe gaben, das Ekelhafte, Gefährliche und<lb/>
Lächerliche die&#x017F;er Schmiererei hervorzuheben. Vgl. <hi rendition="#aq">Ariosto, Sa-<lb/>
tria III, vs. 202, s. &#x2014; Aretino, il marescalco, Atto II, scena</hi> 5<lb/>
und mehrere Stellen in den Ragionamenti. Dann Giambullari<lb/>
a. a. O. &#x2014; <hi rendition="#aq">Phil. Beroald. sen. Carmina.</hi></note>, kein Zorn der Bußprediger, keine<lb/>
Warnung vor frühem Verderben der Haut konnte die<lb/>
Weiber von dem Gebrauch abwendig machen, ihrem Antlitz<lb/>
eine andere Farbe und &#x017F;ogar eine theilweis andere Ge&#x017F;talt<lb/>
zu geben. Es i&#x017F;t möglich, daß die häufigen und pracht-<lb/>
vollen Aufführungen von My&#x017F;terien, wobei hunderte von<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[368/0378] wieder getragen, bis etwa ein Bußprediger die weltlichen Gemüther rührt; da erhebt ſich auf einem öffentlichen Platz ein zierlicher Scheiterhaufen (talamo), auf welchen neben Lauten, Spielgeräthen, Masken, Zauberzetteln, Liederbüchern und anderm Tand auch die Haartouren 1) zu liegen kommen; die reinigende Flamme nimmt Alles mit in die Lüfte. Die Idealfarbe aber, welche man in den eigenen, wie in den aufgeſetzten Haaren zu erreichen ſtrebte, war blond. Und da die Sonne im Rufe ſtand, das Haar blond machen zu können 2), ſo gab es Damen, welche bei gutem Wetter den ganzen Tag nicht aus der Sonne gingen 3), ſonſt brauchte man auch Färbemittel und außerdem Mixturen für den Haarwuchs. Dazu kommt aber noch ein Arſenal von Schönheitswaſſern, Teigpflaſtern und Schminken für jeden einzelnen Theil des Geſichtes, ſelbſt für Augenlider und Zähne, wovon unſere Zeit keinen Begriff mehr hat. Kein Hohn der Dichter 4), kein Zorn der Bußprediger, keine Warnung vor frühem Verderben der Haut konnte die Weiber von dem Gebrauch abwendig machen, ihrem Antlitz eine andere Farbe und ſogar eine theilweis andere Geſtalt zu geben. Es iſt möglich, daß die häufigen und pracht- vollen Aufführungen von Myſterien, wobei hunderte von 5. Abſchnitt. Umgeſtaltung des Geſichtes. 1) Infessura, bei Eccard, scriptores II, Col. 1874. — Allegretto, bei Murat. XXIII, Col. 823. — Dann die Autoren über Savo- narola, ſ. unten. 2) Sansovino, Venezia, fol. 152: capelli biondissimi per forza di sole. — Vgl. S. 343. 3) Wie auch in Deutſchland geſchah. — Poesie satiriche, p. 119, in der Satire des Bern. Giambullari: per prender moglie. Ein Inbegriff der ganzen Toilettenchemie, welche ſich offenbar noch ſehr an Aberglauben und Magie anlehnt. 4) Welche ſich doch alle Mühe gaben, das Ekelhafte, Gefährliche und Lächerliche dieſer Schmiererei hervorzuheben. Vgl. Ariosto, Sa- tria III, vs. 202, s. — Aretino, il marescalco, Atto II, scena 5 und mehrere Stellen in den Ragionamenti. Dann Giambullari a. a. O. — Phil. Beroald. sen. Carmina.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/378
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/378>, abgerufen am 24.11.2024.