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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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alles dessen was aus Frankreich kommt, während es doch5. Abschnitt.
oft ursprünglich italienische Moden seien, die man nur von
den Franzosen zurück erhalte. Insofern nun der häufige
Wechsel der Kleiderformen und die Annahme französischer
und spanischer Moden 1) der gewöhnlichen Putzsucht diente,
haben wir uns damit nicht weiter zu beschäftigen; allein
es liegt darin außerdem ein culturgeschichtlicher Beleg für
das rasche Leben Italiens überhaupt in den Jahrzehnden
um 1500.

Eine besondere Beachtung verdient die Bemühung derToiletten-
mittel.

Frauen, durch Toilettenmittel aller Art ihr Aussehen we-
sentlich zu verändern. In keinem Lande Europa's seit dem
Untergange des römischen Reiches hat man wohl der Ge-
stalt, der Hautfarbe, dem Haarwuchs von so vielen Seiten
zugesetzt wie damals in Italien 2). Alles strebt einer Nor-
malbildung zu, selbst mit den auffallendsten, sichtbarsten
Täuschungen. Wir sehen hiebei gänzlich ab von der son-
stigen Tracht, die im XIV. Jahrhundert 3) äußerst bunt
und schmuckbeladen, später von einem mehr veredelten Reich-
thum war, und beschränken uns auf die Toilette im engern
Sinne.

Vor Allem werden falsche Haartouren, auch aus weißer
und gelber Seide 4), in Masse getragen, verboten und

1) Hierüber z. B. Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV. Col. 297.
320. 376. 399;
hier auch deutsche Mode.
2) Man vgl. damit die betr. Stellen bei Falke: Die deutsche Trachten-
und Modenwelt.
3) Ueber die Florentinerinnen vgl. die Hauptstellen bei Giov. Villani X,
10 und 152; Matteo Villani I, 4. Im großen Modenedict von
1330 werden u. a. nur eingewirkte Figuren auf den Frauengewän-
dern erlaubt, die bloß "aufgemalten" (dipinto) dagegen verboten. Soll
man hiebei etwa an Modeldruck denken?
4) Diejenigen aus echten Haaren heißen capelli morti. -- Falsche Zähne
aus Elfenbein, die ein italien. Prälat, doch nur um der deutlichen
Aussprache willen, einsetzt, bei Anshelm, Berner Chronik, IV,
S. 30. (1508.)

alles deſſen was aus Frankreich kommt, während es doch5. Abſchnitt.
oft urſprünglich italieniſche Moden ſeien, die man nur von
den Franzoſen zurück erhalte. Inſofern nun der häufige
Wechſel der Kleiderformen und die Annahme franzöſiſcher
und ſpaniſcher Moden 1) der gewöhnlichen Putzſucht diente,
haben wir uns damit nicht weiter zu beſchäftigen; allein
es liegt darin außerdem ein culturgeſchichtlicher Beleg für
das raſche Leben Italiens überhaupt in den Jahrzehnden
um 1500.

Eine beſondere Beachtung verdient die Bemühung derToiletten-
mittel.

Frauen, durch Toilettenmittel aller Art ihr Ausſehen we-
ſentlich zu verändern. In keinem Lande Europa's ſeit dem
Untergange des römiſchen Reiches hat man wohl der Ge-
ſtalt, der Hautfarbe, dem Haarwuchs von ſo vielen Seiten
zugeſetzt wie damals in Italien 2). Alles ſtrebt einer Nor-
malbildung zu, ſelbſt mit den auffallendſten, ſichtbarſten
Täuſchungen. Wir ſehen hiebei gänzlich ab von der ſon-
ſtigen Tracht, die im XIV. Jahrhundert 3) äußerſt bunt
und ſchmuckbeladen, ſpäter von einem mehr veredelten Reich-
thum war, und beſchränken uns auf die Toilette im engern
Sinne.

Vor Allem werden falſche Haartouren, auch aus weißer
und gelber Seide 4), in Maſſe getragen, verboten und

1) Hierüber z. B. Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV. Col. 297.
320. 376. 399;
hier auch deutſche Mode.
2) Man vgl. damit die betr. Stellen bei Falke: Die deutſche Trachten-
und Modenwelt.
3) Ueber die Florentinerinnen vgl. die Hauptſtellen bei Giov. Villani X,
10 und 152; Matteo Villani I, 4. Im großen Modenedict von
1330 werden u. a. nur eingewirkte Figuren auf den Frauengewän-
dern erlaubt, die bloß „aufgemalten“ (dipinto) dagegen verboten. Soll
man hiebei etwa an Modeldruck denken?
4) Diejenigen aus echten Haaren heißen capelli morti. — Falſche Zähne
aus Elfenbein, die ein italien. Prälat, doch nur um der deutlichen
Ausſprache willen, einſetzt, bei Anshelm, Berner Chronik, IV,
S. 30. (1508.)
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[367/0377] alles deſſen was aus Frankreich kommt, während es doch oft urſprünglich italieniſche Moden ſeien, die man nur von den Franzoſen zurück erhalte. Inſofern nun der häufige Wechſel der Kleiderformen und die Annahme franzöſiſcher und ſpaniſcher Moden 1) der gewöhnlichen Putzſucht diente, haben wir uns damit nicht weiter zu beſchäftigen; allein es liegt darin außerdem ein culturgeſchichtlicher Beleg für das raſche Leben Italiens überhaupt in den Jahrzehnden um 1500. 5. Abſchnitt. Eine beſondere Beachtung verdient die Bemühung der Frauen, durch Toilettenmittel aller Art ihr Ausſehen we- ſentlich zu verändern. In keinem Lande Europa's ſeit dem Untergange des römiſchen Reiches hat man wohl der Ge- ſtalt, der Hautfarbe, dem Haarwuchs von ſo vielen Seiten zugeſetzt wie damals in Italien 2). Alles ſtrebt einer Nor- malbildung zu, ſelbſt mit den auffallendſten, ſichtbarſten Täuſchungen. Wir ſehen hiebei gänzlich ab von der ſon- ſtigen Tracht, die im XIV. Jahrhundert 3) äußerſt bunt und ſchmuckbeladen, ſpäter von einem mehr veredelten Reich- thum war, und beſchränken uns auf die Toilette im engern Sinne. Toiletten- mittel. Vor Allem werden falſche Haartouren, auch aus weißer und gelber Seide 4), in Maſſe getragen, verboten und 1) Hierüber z. B. Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV. Col. 297. 320. 376. 399; hier auch deutſche Mode. 2) Man vgl. damit die betr. Stellen bei Falke: Die deutſche Trachten- und Modenwelt. 3) Ueber die Florentinerinnen vgl. die Hauptſtellen bei Giov. Villani X, 10 und 152; Matteo Villani I, 4. Im großen Modenedict von 1330 werden u. a. nur eingewirkte Figuren auf den Frauengewän- dern erlaubt, die bloß „aufgemalten“ (dipinto) dagegen verboten. Soll man hiebei etwa an Modeldruck denken? 4) Diejenigen aus echten Haaren heißen capelli morti. — Falſche Zähne aus Elfenbein, die ein italien. Prälat, doch nur um der deutlichen Ausſprache willen, einſetzt, bei Anshelm, Berner Chronik, IV, S. 30. (1508.)

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/377>, abgerufen am 24.11.2024.