5. Abschnitt.das Ausreiten mit Fahnen, geltend machen wollte, hatte in Florenz sowohl gegenüber der Regierung als gegen die Spötter eine schwere Stellung 1).
Fortdauer der Turniere.Bei näherer Betrachtung wird man inne, daß dieses von allem Geburtsadel unabhängige verspätete Ritterwesen allerdings zum Theil Sache der bloßen lächerlichen, titel- süchtigen Eitelkeit ist, daß es aber auch eine andere Seite hat. Die Turniere dauern nämlich fort und wer daran Theil nehmen will, muß der Form wegen Ritter sein. Der Kampf in geschlossener Bahn aber, und zwar das regel- rechte, je nach Umständen sehr gefährliche Lanzenrennen ist ein Anlaß, Kraft und Muth zu zeigen, welchen sich das entwickelte Individuum -- abgesehen von aller Herkunft -- nicht will entgehen lassen.
Da half es nichts, daß schon Petrarca sich mit dem lebhaftesten Abscheu über das Turnier als über einen ge- fährlichen Unsinn ausgelassen hatte; er bekehrte die Leute nicht mit seinem pathetischen Ausruf: "man liest nirgends "daß Scipio oder Cäsar turniert hätten! 2)" Die Sache wurde gerade in Florenz förmlich populär; der Bürger fing an, sein Turnier -- ohne Zweifel in einer weniger gefähr- lichen Form -- als eine Art von regelrechtem Vergnügen zu betrachten, und Franco Sachetti 3) hat uns das unend- Deren Carica- tur.lich komische Bild eines solchen Sonntagsturnierers auf- behalten. Derselbe reitet hinaus nach Peretola, wo man um ein Billiges turnieren konnte, auf einem gemietheten Färbergaul, welchem dann durch Bösewichter eine Distel
1)Vasari III, 49 und Anm., Vita di Dello.
2)Petrarca, epist. senil. XI, 13. p. 889. Eine andere Stelle, in den Epist. famil. schildert das Grausen, das er empfand, als er bei einem Turnier in Neapel einen Ritter fallen sah.
3) Nov. 64. -- Deßhalb heißt es auch im Orlandino (II. Str. 7) von einem Turnier unter Carl d. Großen ausdrücklich: da stritten nicht Köche und Küchenjungen, sondern Könige, Herzoge und Mark- grafen.
5. Abſchnitt.das Ausreiten mit Fahnen, geltend machen wollte, hatte in Florenz ſowohl gegenüber der Regierung als gegen die Spötter eine ſchwere Stellung 1).
Fortdauer der Turniere.Bei näherer Betrachtung wird man inne, daß dieſes von allem Geburtsadel unabhängige verſpätete Ritterweſen allerdings zum Theil Sache der bloßen lächerlichen, titel- ſüchtigen Eitelkeit iſt, daß es aber auch eine andere Seite hat. Die Turniere dauern nämlich fort und wer daran Theil nehmen will, muß der Form wegen Ritter ſein. Der Kampf in geſchloſſener Bahn aber, und zwar das regel- rechte, je nach Umſtänden ſehr gefährliche Lanzenrennen iſt ein Anlaß, Kraft und Muth zu zeigen, welchen ſich das entwickelte Individuum — abgeſehen von aller Herkunft — nicht will entgehen laſſen.
Da half es nichts, daß ſchon Petrarca ſich mit dem lebhafteſten Abſcheu über das Turnier als über einen ge- fährlichen Unſinn ausgelaſſen hatte; er bekehrte die Leute nicht mit ſeinem pathetiſchen Ausruf: „man liest nirgends „daß Scipio oder Cäſar turniert hätten! 2)“ Die Sache wurde gerade in Florenz förmlich populär; der Bürger fing an, ſein Turnier — ohne Zweifel in einer weniger gefähr- lichen Form — als eine Art von regelrechtem Vergnügen zu betrachten, und Franco Sachetti 3) hat uns das unend- Deren Carica- tur.lich komiſche Bild eines ſolchen Sonntagsturnierers auf- behalten. Derſelbe reitet hinaus nach Peretola, wo man um ein Billiges turnieren konnte, auf einem gemietheten Färbergaul, welchem dann durch Böſewichter eine Diſtel
1)Vasari III, 49 und Anm., Vita di Dello.
2)Petrarca, epist. senil. XI, 13. p. 889. Eine andere Stelle, in den Epist. famil. ſchildert das Grauſen, das er empfand, als er bei einem Turnier in Neapel einen Ritter fallen ſah.
3) Nov. 64. — Deßhalb heißt es auch im Orlandino (II. Str. 7) von einem Turnier unter Carl d. Großen ausdrücklich: da ſtritten nicht Köche und Küchenjungen, ſondern Könige, Herzoge und Mark- grafen.
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das Ausreiten mit Fahnen, geltend machen wollte, hatte
in Florenz ſowohl gegenüber der Regierung als gegen die
Spötter eine ſchwere Stellung 1).
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Bei näherer Betrachtung wird man inne, daß dieſes
von allem Geburtsadel unabhängige verſpätete Ritterweſen
allerdings zum Theil Sache der bloßen lächerlichen, titel-
ſüchtigen Eitelkeit iſt, daß es aber auch eine andere Seite
hat. Die Turniere dauern nämlich fort und wer daran
Theil nehmen will, muß der Form wegen Ritter ſein. Der
Kampf in geſchloſſener Bahn aber, und zwar das regel-
rechte, je nach Umſtänden ſehr gefährliche Lanzenrennen iſt
ein Anlaß, Kraft und Muth zu zeigen, welchen ſich das
entwickelte Individuum — abgeſehen von aller Herkunft —
nicht will entgehen laſſen.
Fortdauer der
Turniere.
Da half es nichts, daß ſchon Petrarca ſich mit dem
lebhafteſten Abſcheu über das Turnier als über einen ge-
fährlichen Unſinn ausgelaſſen hatte; er bekehrte die Leute
nicht mit ſeinem pathetiſchen Ausruf: „man liest nirgends
„daß Scipio oder Cäſar turniert hätten! 2)“ Die Sache
wurde gerade in Florenz förmlich populär; der Bürger fing
an, ſein Turnier — ohne Zweifel in einer weniger gefähr-
lichen Form — als eine Art von regelrechtem Vergnügen
zu betrachten, und Franco Sachetti 3) hat uns das unend-
lich komiſche Bild eines ſolchen Sonntagsturnierers auf-
behalten. Derſelbe reitet hinaus nach Peretola, wo man
um ein Billiges turnieren konnte, auf einem gemietheten
Färbergaul, welchem dann durch Böſewichter eine Diſtel
Deren Carica-
tur.
1) Vasari III, 49 und Anm., Vita di Dello.
2) Petrarca, epist. senil. XI, 13. p. 889. Eine andere Stelle, in
den Epist. famil. ſchildert das Grauſen, das er empfand, als er
bei einem Turnier in Neapel einen Ritter fallen ſah.
3) Nov. 64. — Deßhalb heißt es auch im Orlandino (II. Str. 7)
von einem Turnier unter Carl d. Großen ausdrücklich: da ſtritten
nicht Köche und Küchenjungen, ſondern Könige, Herzoge und Mark-
grafen.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/372>, abgerufen am 24.11.2024.
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