mitten in den Aufführungen geschriebener Comödien sich4. Abschnitt. der eigenen Improvisation überließ 1), so daß eine förmliche Mischgattung sich hie und da geltend machen konnte. In dieser Weise mögen die Comödien gehalten gewesen sein, welche in Venedig Burchiello und dann die Gesellschaft des Armonio, Val. Zuccato, Lod. Dolce etc. aufführte 2); von Burchiello erfährt man bereits, daß er die Komik durch einen mit Griechisch und Slavonisch versetzten venezianischen Dialect zu steigern wußte. Eine fast oder ganz vollständige Commedia dell 'Arte war dann die des Angelo Beolco, ge- nannt il Ruzzante (1502--1542), dessen stehende Masken paduanische Bauern (Menato, Vezzo, Billora u. A.) sind; ihren Dialect pflegte er zu studiren wenn er auf der Villa seines Gönners Luigi Cornaro zu Codevico den Sommer zubrachte 3). Allmälig tauchen dann all die berühmten Localmasken auf, an deren Ueberreste Italien sich noch heute ergötzt: Pantalone, der Dottore, Brighella, Pulcinella, Arlecchino u. s. w. Sie sind gewiß großentheils sehr viel älter, ja möglicherweise im Zusammenhang mit den Masken altrömischer Farsen, allein erst das XVI. Jahrhundert vereinigte mehrere von ihnen in Einem Stücke. Gegen- wärtig geschieht dieß nicht mehr leicht, aber jede große Stadt hält wenigstens ihre Localmaske fest: Neapel seinen Pulcinella, Florenz den Stenterello, Mailand den bisweilen herrlichen Meneking 4).
1) Dieß meint wohl Sansovino, Venezia fol. 168, wenn er klagt, die recitanti verdürben die Comödien "con invenzioni o per- sonaggi troppo ridicoli".
2) Sansovino, a. a. O.
3)Scardeonius, de urb. Patav. antiq. bei Graevius, Thes. VI, III, Col. 288, s. Eine wichtige Stelle auch für die Dialectliteratur überhaupt.
4) Daß Letzterer mindestens im XV. Jahrh. schon vorhanden ist, läßt sich aus dem Diario Ferrarese schließen, indem dieses aus den in Ferrara 1501 aufgeführten Menächmen des Plautus mißverständlich einen Menechino macht. Diar. Ferr. bei Murat. XXIV, Col. 393.
mitten in den Aufführungen geſchriebener Comödien ſich4. Abſchnitt. der eigenen Improviſation überließ 1), ſo daß eine förmliche Miſchgattung ſich hie und da geltend machen konnte. In dieſer Weiſe mögen die Comödien gehalten geweſen ſein, welche in Venedig Burchiello und dann die Geſellſchaft des Armonio, Val. Zuccato, Lod. Dolce ꝛc. aufführte 2); von Burchiello erfährt man bereits, daß er die Komik durch einen mit Griechiſch und Slavoniſch verſetzten venezianiſchen Dialect zu ſteigern wußte. Eine faſt oder ganz vollſtändige Commedia dell 'Arte war dann die des Angelo Beolco, ge- nannt il Ruzzante (1502—1542), deſſen ſtehende Masken paduaniſche Bauern (Menato, Vezzo, Billora u. A.) ſind; ihren Dialect pflegte er zu ſtudiren wenn er auf der Villa ſeines Gönners Luigi Cornaro zu Codevico den Sommer zubrachte 3). Allmälig tauchen dann all die berühmten Localmasken auf, an deren Ueberreſte Italien ſich noch heute ergötzt: Pantalone, der Dottore, Brighella, Pulcinella, Arlecchino u. ſ. w. Sie ſind gewiß großentheils ſehr viel älter, ja möglicherweiſe im Zuſammenhang mit den Masken altrömiſcher Farſen, allein erſt das XVI. Jahrhundert vereinigte mehrere von ihnen in Einem Stücke. Gegen- wärtig geſchieht dieß nicht mehr leicht, aber jede große Stadt hält wenigſtens ihre Localmaske feſt: Neapel ſeinen Pulcinella, Florenz den Stenterello, Mailand den bisweilen herrlichen Meneking 4).
1) Dieß meint wohl Sanſovino, Venezia fol. 168, wenn er klagt, die recitanti verdürben die Comödien „con invenzioni o per- sonaggi troppo ridicoli“.
2) Sanſovino, a. a. O.
3)Scardeonius, de urb. Patav. antiq. bei Grævius, Thes. VI, III, Col. 288, s. Eine wichtige Stelle auch für die Dialectliteratur überhaupt.
4) Daß Letzterer mindeſtens im XV. Jahrh. ſchon vorhanden iſt, läßt ſich aus dem Diario Ferrareſe ſchließen, indem dieſes aus den in Ferrara 1501 aufgeführten Menächmen des Plautus mißverſtändlich einen Menechino macht. Diar. Ferr. bei Murat. XXIV, Col. 393.
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dieſer Weiſe mögen die Comödien gehalten geweſen ſein,
welche in Venedig Burchiello und dann die Geſellſchaft
des Armonio, Val. Zuccato, Lod. Dolce ꝛc. aufführte 2);
von Burchiello erfährt man bereits, daß er die Komik durch
einen mit Griechiſch und Slavoniſch verſetzten venezianiſchen
Dialect zu ſteigern wußte. Eine faſt oder ganz vollſtändige
Commedia dell 'Arte war dann die des Angelo Beolco, ge-
nannt il Ruzzante (1502—1542), deſſen ſtehende Masken
paduaniſche Bauern (Menato, Vezzo, Billora u. A.) ſind;
ihren Dialect pflegte er zu ſtudiren wenn er auf der Villa
ſeines Gönners Luigi Cornaro zu Codevico den Sommer
zubrachte 3). Allmälig tauchen dann all die berühmten
Localmasken auf, an deren Ueberreſte Italien ſich noch heute
ergötzt: Pantalone, der Dottore, Brighella, Pulcinella,
Arlecchino u. ſ. w. Sie ſind gewiß großentheils ſehr viel
älter, ja möglicherweiſe im Zuſammenhang mit den Masken
altrömiſcher Farſen, allein erſt das XVI. Jahrhundert
vereinigte mehrere von ihnen in Einem Stücke. Gegen-
wärtig geſchieht dieß nicht mehr leicht, aber jede große
Stadt hält wenigſtens ihre Localmaske feſt: Neapel ſeinen
Pulcinella, Florenz den Stenterello, Mailand den bisweilen
herrlichen Meneking 4).
4. Abſchnitt.
1) Dieß meint wohl Sanſovino, Venezia fol. 168, wenn er klagt,
die recitanti verdürben die Comödien „con invenzioni o per-
sonaggi troppo ridicoli“.
2) Sanſovino, a. a. O.
3) Scardeonius, de urb. Patav. antiq. bei Grævius, Thes. VI,
III, Col. 288, s. Eine wichtige Stelle auch für die Dialectliteratur
überhaupt.
4) Daß Letzterer mindeſtens im XV. Jahrh. ſchon vorhanden iſt, läßt
ſich aus dem Diario Ferrareſe ſchließen, indem dieſes aus den in
Ferrara 1501 aufgeführten Menächmen des Plautus mißverſtändlich
einen Menechino macht. Diar. Ferr. bei Murat. XXIV, Col. 393.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/329>, abgerufen am 16.02.2025.
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