4. Abschnittempfanden, so gewiß hätten doch die spärlichen Aussagen hierüber, welche Pius kennen mochte, nicht hingereicht um in ihm eine solche Begeisterung zu entzünden 1).
Spätere Zeug- nisse.Die nun folgende zweite Blüthezeit der italienischen Poesie zu Ende des XV. und zu Anfang des XVI. Jahr- hunderts nebst der gleichzeitigen lateinischen Dichtung ist reich an Beweisen für die starke Wirkung der landschaft- lichen Umgebung auf das Gemüth, wie der erste Blick auf die damaligen Lyriker lehren mag. Eigentliche Beschrei- bungen großer landschaftlicher Anblicke aber finden sich deß- halb kaum, weil Lyrik, Epos und Novelle in dieser ener- gischen Zeit anderes zu thun haben. Bojardo und Ariosto zeichnen ihre Naturscenerie sehr entschieden, aber so kurz als möglich, ohne sie je durch Fernen und große Perspectiven zur Stimmung beitragen zu lassen 2), denn diese liegt ausschließlich in den Gestalten und Ereignissen. Beschau- liche Dialogenschreiber 3) und Epistolographen können viel eher eine Quelle für das wachsende Naturgefühl sein als Dichter. Merkwürdig bewußt hält z. B. Bandello die Ge- setze seiner Literaturgattung fest: in den Novellen selbst kein Wort mehr als das Nothwendigste über die Natur- umgebung 4), in den jedesmal vorangehenden Widmungen dagegen mehrmals eine behagliche Schilderung derselben als Scene von Gespräch und Geselligkeit. Von den Brief-
1) Ueber Leonbattista Alberti's Verhältniß zur Landschaft vgl. S. 140 f.
2) Das ausgeführteste Bild dieser Art bei Ariosto, sein sechster Gesang, besteht aus lauter Vordergrund.
3) Agnolo Pandolfini (Trattato del gov. della famiglia, p. 90), noch ein Zeitgenosse des Aeneas, freut sich auf dem Lande "der "buschigen Hügel, der reizvollen Ebenen und der rauschenden Ge- "wässer", aber vielleicht ist unter seinem Namen der große Alberti verborgen, der, wie bemerkt, noch ein ganz anderes Verhältniß zur Landschaft hatte.
4) Ueber die architectonische Umgebung denkt er anders, und hier kann auch die Decoration noch von ihm lernen.
4. Abſchnittempfanden, ſo gewiß hätten doch die ſpärlichen Ausſagen hierüber, welche Pius kennen mochte, nicht hingereicht um in ihm eine ſolche Begeiſterung zu entzünden 1).
Spätere Zeug- niſſe.Die nun folgende zweite Blüthezeit der italieniſchen Poeſie zu Ende des XV. und zu Anfang des XVI. Jahr- hunderts nebſt der gleichzeitigen lateiniſchen Dichtung iſt reich an Beweiſen für die ſtarke Wirkung der landſchaft- lichen Umgebung auf das Gemüth, wie der erſte Blick auf die damaligen Lyriker lehren mag. Eigentliche Beſchrei- bungen großer landſchaftlicher Anblicke aber finden ſich deß- halb kaum, weil Lyrik, Epos und Novelle in dieſer ener- giſchen Zeit anderes zu thun haben. Bojardo und Arioſto zeichnen ihre Naturſcenerie ſehr entſchieden, aber ſo kurz als möglich, ohne ſie je durch Fernen und große Perſpectiven zur Stimmung beitragen zu laſſen 2), denn dieſe liegt ausſchließlich in den Geſtalten und Ereigniſſen. Beſchau- liche Dialogenſchreiber 3) und Epiſtolographen können viel eher eine Quelle für das wachſende Naturgefühl ſein als Dichter. Merkwürdig bewußt hält z. B. Bandello die Ge- ſetze ſeiner Literaturgattung feſt: in den Novellen ſelbſt kein Wort mehr als das Nothwendigſte über die Natur- umgebung 4), in den jedesmal vorangehenden Widmungen dagegen mehrmals eine behagliche Schilderung derſelben als Scene von Geſpräch und Geſelligkeit. Von den Brief-
1) Ueber Leonbattiſta Alberti's Verhältniß zur Landſchaft vgl. S. 140 f.
2) Das ausgeführteſte Bild dieſer Art bei Arioſto, ſein ſechster Geſang, beſteht aus lauter Vordergrund.
3) Agnolo Pandolfini (Trattato del gov. della famiglia, p. 90), noch ein Zeitgenoſſe des Aeneas, freut ſich auf dem Lande „der „buſchigen Hügel, der reizvollen Ebenen und der rauſchenden Ge- „wäſſer“, aber vielleicht iſt unter ſeinem Namen der große Alberti verborgen, der, wie bemerkt, noch ein ganz anderes Verhältniß zur Landſchaft hatte.
4) Ueber die architectoniſche Umgebung denkt er anders, und hier kann auch die Decoration noch von ihm lernen.
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Die nun folgende zweite Blüthezeit der italieniſchen
Poeſie zu Ende des XV. und zu Anfang des XVI. Jahr-
hunderts nebſt der gleichzeitigen lateiniſchen Dichtung iſt
reich an Beweiſen für die ſtarke Wirkung der landſchaft-
lichen Umgebung auf das Gemüth, wie der erſte Blick auf
die damaligen Lyriker lehren mag. Eigentliche Beſchrei-
bungen großer landſchaftlicher Anblicke aber finden ſich deß-
halb kaum, weil Lyrik, Epos und Novelle in dieſer ener-
giſchen Zeit anderes zu thun haben. Bojardo und Arioſto
zeichnen ihre Naturſcenerie ſehr entſchieden, aber ſo kurz als
möglich, ohne ſie je durch Fernen und große Perſpectiven
zur Stimmung beitragen zu laſſen 2), denn dieſe liegt
ausſchließlich in den Geſtalten und Ereigniſſen. Beſchau-
liche Dialogenſchreiber 3) und Epiſtolographen können viel
eher eine Quelle für das wachſende Naturgefühl ſein als
Dichter. Merkwürdig bewußt hält z. B. Bandello die Ge-
ſetze ſeiner Literaturgattung feſt: in den Novellen ſelbſt
kein Wort mehr als das Nothwendigſte über die Natur-
umgebung 4), in den jedesmal vorangehenden Widmungen
dagegen mehrmals eine behagliche Schilderung derſelben
als Scene von Geſpräch und Geſelligkeit. Von den Brief-
Spätere Zeug-
niſſe.
1) Ueber Leonbattiſta Alberti's Verhältniß zur Landſchaft vgl. S. 140 f.
2) Das ausgeführteſte Bild dieſer Art bei Arioſto, ſein ſechster Geſang,
beſteht aus lauter Vordergrund.
3) Agnolo Pandolfini (Trattato del gov. della famiglia, p. 90),
noch ein Zeitgenoſſe des Aeneas, freut ſich auf dem Lande „der
„buſchigen Hügel, der reizvollen Ebenen und der rauſchenden Ge-
„wäſſer“, aber vielleicht iſt unter ſeinem Namen der große Alberti
verborgen, der, wie bemerkt, noch ein ganz anderes Verhältniß zur
Landſchaft hatte.
4) Ueber die architectoniſche Umgebung denkt er anders, und hier kann
auch die Decoration noch von ihm lernen.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/312>, abgerufen am 16.02.2025.
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