3. Abschnitt.in vereinzelten Nachklängen, die Epigraphik dagegen blüht länger und unterliegt erst im XVII. Jahrhundert völlig dem Schwulst.
Das Epigramm in Venedig.Auch in Venedig hat sie ihre besondere Geschichte, die wir mit Hülfe von Francesco Sansovino's "Venezia" ver- folgen können. Eine stehende Aufgabe bildeten die Motto's (Brievi) auf den Dogenbildnissen des großen Saales im Dogenpalast, zwei bis vier Hexameter, welche das Wesent- liche aus der Amtsführung des Betreffenden enthalten 1). Dann hatten die Dogengräber des XIV. Jahrhunderts laconische Prosainschriften, welche nur Thatsachen enthalten, und daneben schwülstige Hexameter oder leoninische Verse. Im XV. Jahrhundert steigt die Sorgfalt des Styles; im XVI. erreicht sie ihre Höhe und bald beginnt die un- nütze Antithese, die Prosopopöe, das Pathos, das Princi- pienlob, mit Einem Worte: der Schwulst. Ziemlich oft wird gestichelt und verdeckter Tadel gegen Andere durch directes Lob des Verstorbenen ausgedrückt. Ganz spät kommen dann wieder ein paar absichtlich einfache Epita- phien.
Architectur und Ornamentik waren auf das Anbringen von Inschriften -- oft in vielfacher Wiederholung -- voll- kommen eingerichtet, während z. B. das Gothische des Nor- dens nur mit Mühe einen zweckmäßigen Platz für eine Inschrift schafft, und sie an Grabmälern z. B. gerne den bedrohtesten Stellen, den Rändern zuweist.
Durch das bisher Gesagte glauben wir nun keines- weges den Leser von dem eigenthümlichen Werthe dieser lateinischen Poesie der Italiener überzeugt zu haben. Es Macaronische Poesie.handelte sich nur darum, die culturgeschichtliche Stellung und Nothwendigkeit derselben anzudeuten. Schon damals
1) Marin Sanudo, in den vite de' duchi di Venezia (Murat. XXII.) theilt sie regelmäßig mit.
3. Abſchnitt.in vereinzelten Nachklängen, die Epigraphik dagegen blüht länger und unterliegt erſt im XVII. Jahrhundert völlig dem Schwulſt.
Das Epigramm in Venedig.Auch in Venedig hat ſie ihre beſondere Geſchichte, die wir mit Hülfe von Francesco Sanſovino's „Venezia“ ver- folgen können. Eine ſtehende Aufgabe bildeten die Motto's (Brievi) auf den Dogenbildniſſen des großen Saales im Dogenpalaſt, zwei bis vier Hexameter, welche das Weſent- liche aus der Amtsführung des Betreffenden enthalten 1). Dann hatten die Dogengräber des XIV. Jahrhunderts laconiſche Proſainſchriften, welche nur Thatſachen enthalten, und daneben ſchwülſtige Hexameter oder leoniniſche Verſe. Im XV. Jahrhundert ſteigt die Sorgfalt des Styles; im XVI. erreicht ſie ihre Höhe und bald beginnt die un- nütze Antitheſe, die Proſopopöe, das Pathos, das Princi- pienlob, mit Einem Worte: der Schwulſt. Ziemlich oft wird geſtichelt und verdeckter Tadel gegen Andere durch directes Lob des Verſtorbenen ausgedrückt. Ganz ſpät kommen dann wieder ein paar abſichtlich einfache Epita- phien.
Architectur und Ornamentik waren auf das Anbringen von Inſchriften — oft in vielfacher Wiederholung — voll- kommen eingerichtet, während z. B. das Gothiſche des Nor- dens nur mit Mühe einen zweckmäßigen Platz für eine Inſchrift ſchafft, und ſie an Grabmälern z. B. gerne den bedrohteſten Stellen, den Rändern zuweist.
Durch das bisher Geſagte glauben wir nun keines- weges den Leſer von dem eigenthümlichen Werthe dieſer lateiniſchen Poeſie der Italiener überzeugt zu haben. Es Macaroniſche Poeſie.handelte ſich nur darum, die culturgeſchichtliche Stellung und Nothwendigkeit derſelben anzudeuten. Schon damals
1) Marin Sanudo, in den vite de' duchi di Venezia (Murat. XXII.) theilt ſie regelmäßig mit.
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in vereinzelten Nachklängen, die Epigraphik dagegen blüht
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dem Schwulſt.
3. Abſchnitt.
Auch in Venedig hat ſie ihre beſondere Geſchichte, die
wir mit Hülfe von Francesco Sanſovino's „Venezia“ ver-
folgen können. Eine ſtehende Aufgabe bildeten die Motto's
(Brievi) auf den Dogenbildniſſen des großen Saales im
Dogenpalaſt, zwei bis vier Hexameter, welche das Weſent-
liche aus der Amtsführung des Betreffenden enthalten 1).
Dann hatten die Dogengräber des XIV. Jahrhunderts
laconiſche Proſainſchriften, welche nur Thatſachen enthalten,
und daneben ſchwülſtige Hexameter oder leoniniſche Verſe.
Im XV. Jahrhundert ſteigt die Sorgfalt des Styles;
im XVI. erreicht ſie ihre Höhe und bald beginnt die un-
nütze Antitheſe, die Proſopopöe, das Pathos, das Princi-
pienlob, mit Einem Worte: der Schwulſt. Ziemlich oft
wird geſtichelt und verdeckter Tadel gegen Andere durch
directes Lob des Verſtorbenen ausgedrückt. Ganz ſpät
kommen dann wieder ein paar abſichtlich einfache Epita-
phien.
Das Epigramm
in Venedig.
Architectur und Ornamentik waren auf das Anbringen
von Inſchriften — oft in vielfacher Wiederholung — voll-
kommen eingerichtet, während z. B. das Gothiſche des Nor-
dens nur mit Mühe einen zweckmäßigen Platz für eine
Inſchrift ſchafft, und ſie an Grabmälern z. B. gerne den
bedrohteſten Stellen, den Rändern zuweist.
Durch das bisher Geſagte glauben wir nun keines-
weges den Leſer von dem eigenthümlichen Werthe dieſer
lateiniſchen Poeſie der Italiener überzeugt zu haben. Es
handelte ſich nur darum, die culturgeſchichtliche Stellung
und Nothwendigkeit derſelben anzudeuten. Schon damals
Macaroniſche
Poeſie.
1) Marin Sanudo, in den vite de' duchi di Venezia (Murat. XXII.)
theilt ſie regelmäßig mit.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/276>, abgerufen am 25.11.2024.
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