welches auch der festliche Anlaß sein mochte. Unter3. Abschnitt. Sixtus IV. verzeichnet und kritisirt Giacomo da Volterra regelmäßig diese Festprediger, nach den Gesetzen der Kunst 1). Fedra Inghirami, als Festredner berühmt unter Julius II., hatte wenigstens die geistlichen Weihen und war Chorherr am Lateran; auch sonst hatte man unter den Prälaten jetzt elegante Lateiner genug. Ueberhaupt erscheinen mit dem XVI. Jahrhundert die früher übergroßen Vorrechte der profanen Humanisten in dieser Beziehung gedämpft wie in andern, wovon unten ein Weiteres.
Welcher Art und welches Inhaltes waren nun dieseErneuerung der Rhetorik. Reden im Großen und Ganzen? Die natürliche Wohlreden- heit wird den Italienern das Mittelalter hindurch nie ge- fehlt haben, und eine sogenannte Rhetorik gehörte von je- her zu den sieben freien Künsten; wenn es sich aber um die Auferweckung der antiken Methode handelt, so ist dieses Verdienst nach Aussage des Filippo Villani 2) einem Flo- rentiner Bruno Casini zuzuschreiben, welcher noch in jungen Jahren 1348 an der Pest starb. In ganz practischen Ab- sichten, um nämlich die Florentiner zum leichten, gewandten Auftreten in Räthen u. a. öffentlichen Versammlungen zu befähigen, behandelte er nach Maßgabe der Alten die Er- findung, die Declamation, Gestus und Haltung im Zu- sammenhange. Auch sonst hören wir frühe von einer völlig auf die Anwendung berechneten rhetorischen Erziehung; nichts galt höher als aus dem Stegreif in elegantem La- tein das jedesmal Passende vorbringen zu können. Das wachsende Studium von Cicero's Reden und theoretischen Schriften, von Quintilian und den kaiserlichen Panegyrikern,
1)Jac. Volaterrani Diar. roman., bei Mur. XXIII. passim. -- Col. 173 wird eine höchst merkwürdige Predigt vor dem Hofe, doch bei zufälliger Abwesenheit Sixtus IV. erwähnt: Pater Paolo Tos- canella donnerte gegen den Papst, dessen Familie und die Cardinäle; Sixtus erfuhr es und lächelte.
2)Fil. Villani, vite, p. 33.
welches auch der feſtliche Anlaß ſein mochte. Unter3. Abſchnitt. Sixtus IV. verzeichnet und kritiſirt Giacomo da Volterra regelmäßig dieſe Feſtprediger, nach den Geſetzen der Kunſt 1). Fedra Inghirami, als Feſtredner berühmt unter Julius II., hatte wenigſtens die geiſtlichen Weihen und war Chorherr am Lateran; auch ſonſt hatte man unter den Prälaten jetzt elegante Lateiner genug. Ueberhaupt erſcheinen mit dem XVI. Jahrhundert die früher übergroßen Vorrechte der profanen Humaniſten in dieſer Beziehung gedämpft wie in andern, wovon unten ein Weiteres.
Welcher Art und welches Inhaltes waren nun dieſeErneuerung der Rhetorik. Reden im Großen und Ganzen? Die natürliche Wohlreden- heit wird den Italienern das Mittelalter hindurch nie ge- fehlt haben, und eine ſogenannte Rhetorik gehörte von je- her zu den ſieben freien Künſten; wenn es ſich aber um die Auferweckung der antiken Methode handelt, ſo iſt dieſes Verdienſt nach Ausſage des Filippo Villani 2) einem Flo- rentiner Bruno Caſini zuzuſchreiben, welcher noch in jungen Jahren 1348 an der Peſt ſtarb. In ganz practiſchen Ab- ſichten, um nämlich die Florentiner zum leichten, gewandten Auftreten in Räthen u. a. öffentlichen Verſammlungen zu befähigen, behandelte er nach Maßgabe der Alten die Er- findung, die Declamation, Geſtus und Haltung im Zu- ſammenhange. Auch ſonſt hören wir frühe von einer völlig auf die Anwendung berechneten rhetoriſchen Erziehung; nichts galt höher als aus dem Stegreif in elegantem La- tein das jedesmal Paſſende vorbringen zu können. Das wachſende Studium von Cicero's Reden und theoretiſchen Schriften, von Quintilian und den kaiſerlichen Panegyrikern,
1)Jac. Volaterrani Diar. roman., bei Mur. XXIII. passim. — Col. 173 wird eine höchſt merkwürdige Predigt vor dem Hofe, doch bei zufälliger Abweſenheit Sixtus IV. erwähnt: Pater Paolo Tos- canella donnerte gegen den Papſt, deſſen Familie und die Cardinäle; Sixtus erfuhr es und lächelte.
2)Fil. Villani, vite, p. 33.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0243"n="233"/>
welches auch der feſtliche Anlaß ſein mochte. Unter<noteplace="right"><hirendition="#b"><hirendition="#u">3. Abſchnitt.</hi></hi></note><lb/>
Sixtus <hirendition="#aq">IV.</hi> verzeichnet und kritiſirt Giacomo da Volterra<lb/>
regelmäßig dieſe Feſtprediger, nach den Geſetzen der Kunſt <noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#aq">Jac. Volaterrani Diar. roman.,</hi> bei <hirendition="#aq">Mur. XXIII. passim. —<lb/>
Col.</hi> 173 wird eine höchſt merkwürdige Predigt vor dem Hofe, doch<lb/>
bei zufälliger Abweſenheit Sixtus <hirendition="#aq">IV.</hi> erwähnt: Pater Paolo Tos-<lb/>
canella donnerte gegen den Papſt, deſſen Familie und die Cardinäle;<lb/>
Sixtus erfuhr es und lächelte.</note>.<lb/>
Fedra Inghirami, als Feſtredner berühmt unter Julius <hirendition="#aq">II.</hi>,<lb/>
hatte wenigſtens die geiſtlichen Weihen und war Chorherr<lb/>
am Lateran; auch ſonſt hatte man unter den Prälaten<lb/>
jetzt elegante Lateiner genug. Ueberhaupt erſcheinen mit dem<lb/><hirendition="#aq">XVI.</hi> Jahrhundert die früher übergroßen Vorrechte der<lb/>
profanen Humaniſten in dieſer Beziehung gedämpft wie in<lb/>
andern, wovon unten ein Weiteres.</p><lb/><p>Welcher Art und welches Inhaltes waren nun dieſe<noteplace="right">Erneuerung der<lb/>
Rhetorik.</note><lb/>
Reden im Großen und Ganzen? Die natürliche Wohlreden-<lb/>
heit wird den Italienern das Mittelalter hindurch nie ge-<lb/>
fehlt haben, und eine ſogenannte Rhetorik gehörte von je-<lb/>
her zu den ſieben freien Künſten; wenn es ſich aber um<lb/>
die Auferweckung der antiken Methode handelt, ſo iſt dieſes<lb/>
Verdienſt nach Ausſage des Filippo Villani <noteplace="foot"n="2)"><hirendition="#aq">Fil. Villani, vite, p. 33.</hi></note> einem Flo-<lb/>
rentiner Bruno Caſini zuzuſchreiben, welcher noch in jungen<lb/>
Jahren 1348 an der Peſt ſtarb. In ganz practiſchen Ab-<lb/>ſichten, um nämlich die Florentiner zum leichten, gewandten<lb/>
Auftreten in Räthen u. a. öffentlichen Verſammlungen zu<lb/>
befähigen, behandelte er nach Maßgabe der Alten die Er-<lb/>
findung, die Declamation, Geſtus und Haltung im Zu-<lb/>ſammenhange. Auch ſonſt hören wir frühe von einer völlig<lb/>
auf die Anwendung berechneten rhetoriſchen Erziehung;<lb/>
nichts galt höher als aus dem Stegreif in elegantem La-<lb/>
tein das jedesmal Paſſende vorbringen zu können. Das<lb/>
wachſende Studium von Cicero's Reden und theoretiſchen<lb/>
Schriften, von Quintilian und den kaiſerlichen Panegyrikern,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[233/0243]
welches auch der feſtliche Anlaß ſein mochte. Unter
Sixtus IV. verzeichnet und kritiſirt Giacomo da Volterra
regelmäßig dieſe Feſtprediger, nach den Geſetzen der Kunſt 1).
Fedra Inghirami, als Feſtredner berühmt unter Julius II.,
hatte wenigſtens die geiſtlichen Weihen und war Chorherr
am Lateran; auch ſonſt hatte man unter den Prälaten
jetzt elegante Lateiner genug. Ueberhaupt erſcheinen mit dem
XVI. Jahrhundert die früher übergroßen Vorrechte der
profanen Humaniſten in dieſer Beziehung gedämpft wie in
andern, wovon unten ein Weiteres.
3. Abſchnitt.
Welcher Art und welches Inhaltes waren nun dieſe
Reden im Großen und Ganzen? Die natürliche Wohlreden-
heit wird den Italienern das Mittelalter hindurch nie ge-
fehlt haben, und eine ſogenannte Rhetorik gehörte von je-
her zu den ſieben freien Künſten; wenn es ſich aber um
die Auferweckung der antiken Methode handelt, ſo iſt dieſes
Verdienſt nach Ausſage des Filippo Villani 2) einem Flo-
rentiner Bruno Caſini zuzuſchreiben, welcher noch in jungen
Jahren 1348 an der Peſt ſtarb. In ganz practiſchen Ab-
ſichten, um nämlich die Florentiner zum leichten, gewandten
Auftreten in Räthen u. a. öffentlichen Verſammlungen zu
befähigen, behandelte er nach Maßgabe der Alten die Er-
findung, die Declamation, Geſtus und Haltung im Zu-
ſammenhange. Auch ſonſt hören wir frühe von einer völlig
auf die Anwendung berechneten rhetoriſchen Erziehung;
nichts galt höher als aus dem Stegreif in elegantem La-
tein das jedesmal Paſſende vorbringen zu können. Das
wachſende Studium von Cicero's Reden und theoretiſchen
Schriften, von Quintilian und den kaiſerlichen Panegyrikern,
Erneuerung der
Rhetorik.
1) Jac. Volaterrani Diar. roman., bei Mur. XXIII. passim. —
Col. 173 wird eine höchſt merkwürdige Predigt vor dem Hofe, doch
bei zufälliger Abweſenheit Sixtus IV. erwähnt: Pater Paolo Tos-
canella donnerte gegen den Papſt, deſſen Familie und die Cardinäle;
Sixtus erfuhr es und lächelte.
2) Fil. Villani, vite, p. 33.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/243>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.