3. Abschnitt.den Lorenza Valla, den Bartolommeo Facio und den An- tonio Panormita, welche seine Geschichtschreiber wurden; der letztere mußte ihm und seinem Hofe täglich den Livius erklären, auch während der Feldzüge im Lager. Diese Leute kosteten ihn jährlich über 20,000 Goldgulden; dem Facio schenkte er für die Historia Alphonsi über die 500 Ducaten Jahresbesoldung am Schluß der Arbeit noch 1500 Gold- gulden obendrein, mit den Worten: "es geschieht nicht um "Euch zu bezahlen, denn Euer Werk ist überhaupt nicht "zu bezahlen, auch nicht, wenn ich Euch eine meiner besten "Städte gäbe; aber mit der Zeit will ich suchen Euch zu- "frieden zu stellen". Als er den Giannozzo Mannetti unter den glänzendsten Bedingungen zu seinem Secretär nahm, sagte er: "mein letztes Brod würde ich mit Euch theilen". Schon als Gratulationsgesandter von Florenz bei der Hoch- zeit des Prinzen Ferrante hatte Giannozzo einen solchen Eindruck auf den König gemacht, daß dieser "wie ein Erz- bild" regungslos auf dem Throne saß und nicht einmal die Mücken abwehrte. Seine Lieblingsstätte scheint die Bibliothek des Schlosses von Neapel gewesen zu sein, wo er an einem Fenster mit besonders schöner Aussicht gegen das Meer saß und den Weisen zuhörte, wenn sie z. B. über die Trinität discutirten. Denn er war auch völlig religiös und ließ sich außer Livius und Seneca auch die Bibel vortragen, die er beinah auswendig wußte. Wer Sein Cultus der Erinnerungen.will die Empfindung genau errathen, die er den vermeint- lichen Gebeinen des Livius zu Padua (S. 147) widmete? Als er auf große Bitten von den Venezianern einen Arm- knochen davon erhielt und ehrfurchtsvoll zu Neapel in Empfang nahm, mag in seinem Gemüthe Christliches und Heidnisches sonderbar durch einander gegangen sein. Auf einem Feldzug in den Abruzzen zeigte man ihm das ferne Sulmona, die Heimath des Ovid, und er grüßte die Stadt und dankte dem Genius des Ortes; offenbar that es ihm wohl, die Weissagung des großen Dichters über seinen
3. Abſchnitt.den Lorenza Valla, den Bartolommeo Facio und den An- tonio Panormita, welche ſeine Geſchichtſchreiber wurden; der letztere mußte ihm und ſeinem Hofe täglich den Livius erklären, auch während der Feldzüge im Lager. Dieſe Leute koſteten ihn jährlich über 20,000 Goldgulden; dem Facio ſchenkte er für die Hiſtoria Alphonſi über die 500 Ducaten Jahresbeſoldung am Schluß der Arbeit noch 1500 Gold- gulden obendrein, mit den Worten: „es geſchieht nicht um „Euch zu bezahlen, denn Euer Werk iſt überhaupt nicht „zu bezahlen, auch nicht, wenn ich Euch eine meiner beſten „Städte gäbe; aber mit der Zeit will ich ſuchen Euch zu- „frieden zu ſtellen“. Als er den Giannozzo Mannetti unter den glänzendſten Bedingungen zu ſeinem Secretär nahm, ſagte er: „mein letztes Brod würde ich mit Euch theilen“. Schon als Gratulationsgeſandter von Florenz bei der Hoch- zeit des Prinzen Ferrante hatte Giannozzo einen ſolchen Eindruck auf den König gemacht, daß dieſer „wie ein Erz- bild“ regungslos auf dem Throne ſaß und nicht einmal die Mücken abwehrte. Seine Lieblingsſtätte ſcheint die Bibliothek des Schloſſes von Neapel geweſen zu ſein, wo er an einem Fenſter mit beſonders ſchöner Ausſicht gegen das Meer ſaß und den Weiſen zuhörte, wenn ſie z. B. über die Trinität discutirten. Denn er war auch völlig religiös und ließ ſich außer Livius und Seneca auch die Bibel vortragen, die er beinah auswendig wußte. Wer Sein Cultus der Erinnerungen.will die Empfindung genau errathen, die er den vermeint- lichen Gebeinen des Livius zu Padua (S. 147) widmete? Als er auf große Bitten von den Venezianern einen Arm- knochen davon erhielt und ehrfurchtsvoll zu Neapel in Empfang nahm, mag in ſeinem Gemüthe Chriſtliches und Heidniſches ſonderbar durch einander gegangen ſein. Auf einem Feldzug in den Abruzzen zeigte man ihm das ferne Sulmona, die Heimath des Ovid, und er grüßte die Stadt und dankte dem Genius des Ortes; offenbar that es ihm wohl, die Weiſſagung des großen Dichters über ſeinen
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den Lorenza Valla, den Bartolommeo Facio und den An-
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erklären, auch während der Feldzüge im Lager. Dieſe Leute
koſteten ihn jährlich über 20,000 Goldgulden; dem Facio
ſchenkte er für die Hiſtoria Alphonſi über die 500 Ducaten
Jahresbeſoldung am Schluß der Arbeit noch 1500 Gold-
gulden obendrein, mit den Worten: „es geſchieht nicht um
„Euch zu bezahlen, denn Euer Werk iſt überhaupt nicht
„zu bezahlen, auch nicht, wenn ich Euch eine meiner beſten
„Städte gäbe; aber mit der Zeit will ich ſuchen Euch zu-
„frieden zu ſtellen“. Als er den Giannozzo Mannetti unter
den glänzendſten Bedingungen zu ſeinem Secretär nahm,
ſagte er: „mein letztes Brod würde ich mit Euch theilen“.
Schon als Gratulationsgeſandter von Florenz bei der Hoch-
zeit des Prinzen Ferrante hatte Giannozzo einen ſolchen
Eindruck auf den König gemacht, daß dieſer „wie ein Erz-
bild“ regungslos auf dem Throne ſaß und nicht einmal
die Mücken abwehrte. Seine Lieblingsſtätte ſcheint die
Bibliothek des Schloſſes von Neapel geweſen zu ſein, wo
er an einem Fenſter mit beſonders ſchöner Ausſicht gegen
das Meer ſaß und den Weiſen zuhörte, wenn ſie z. B.
über die Trinität discutirten. Denn er war auch völlig
religiös und ließ ſich außer Livius und Seneca auch die
Bibel vortragen, die er beinah auswendig wußte. Wer
will die Empfindung genau errathen, die er den vermeint-
lichen Gebeinen des Livius zu Padua (S. 147) widmete?
Als er auf große Bitten von den Venezianern einen Arm-
knochen davon erhielt und ehrfurchtsvoll zu Neapel in
Empfang nahm, mag in ſeinem Gemüthe Chriſtliches und
Heidniſches ſonderbar durch einander gegangen ſein. Auf
einem Feldzug in den Abruzzen zeigte man ihm das ferne
Sulmona, die Heimath des Ovid, und er grüßte die Stadt
und dankte dem Genius des Ortes; offenbar that es ihm
wohl, die Weiſſagung des großen Dichters über ſeinen
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Sein Cultus der
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/230>, abgerufen am 23.11.2024.
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