Paläste der Großen und Cardinäle begannen sich mit an-3. Abschnitt. tiken Statuen und Fragmenten zu füllen. Für Leo X. unternahm Rafael jene ideale Restauration der ganzen alten Stadt, von welcher sein (oder Castiglione's) berühm- ter Brief spricht 1). Nach der bittern Klage über die noch immer dauernden Zerstörungen, namentlich noch unter Julius II., ruft er den Papst um Schutz an für die we- nigen übriggebliebenen Zeugnisse der Größe und Kraft jener göttlichen Seelen des Alterthums, an deren Andenken sich noch jetzt diejenigen entzünden, die des Höhern fähig seien. Mit merkwürdig durchdringendem Urtheil legt er dann den Grund zu einer vergleichenden Kunstgeschichte überhaupt und stellt am Ende denjenigen Begriff von "Aufnahme" fest,u. Aufnahmen. welcher seitdem gegolten hat: er verlangt für jeden Ueberrest Plan, Aufriß und Durchschnitt gesondert. Wie seit dieser Zeit die Archäologie, in speciellem Anschluß an die gehei- ligte Weltstadt und deren Topographie, zur besondern Wissenschaft heranwuchs, wie die vitruvianische Academie wenigstens ein colossales Programm 2) aufstellte, kann nicht weiter aufgeführt werden. Hier dürfen wir bei Leo X.Das leonische Rom. stehen bleiben, unter welchem der Genuß des Alterthums sich mit allen andern Genüssen zu jenem wundersamen Eindruck verflocht, welcher dem Leben in Rom seine Weihe gab. Der Vatican tönte von Gesang und Saitenspiel; wie ein Gebot zur Lebensfreude gingen diese Klänge über Rom hin, wenn auch Leo damit für sich kaum eben erreichte, daß sich Sorgen und Schmerzen verscheuchen ließen und wenn auch seine bewußte Rechnung, durch Heiterkeit das Dasein zu verlängern 3), mit seinem frühen Tode fehlschlug.
1)Quatremere, stor. della vita etc. di Rafaello, ed. Longhena, p. 531.
2)Lettere pittoriche II, I. Tolomei an Landi, 14. Nov. 1542.
3) Er wollte curis animique doloribus quacunque ratione aditum intercludere, heitererer Scherz und Musik fesselten ihn und er hoffte auf diese Weise länger zu leben Leonis X. vita anonyma, bei Roscoe, ed. Bossi XII, p. 169.
Paläſte der Großen und Cardinäle begannen ſich mit an-3. Abſchnitt. tiken Statuen und Fragmenten zu füllen. Für Leo X. unternahm Rafael jene ideale Reſtauration der ganzen alten Stadt, von welcher ſein (oder Caſtiglione's) berühm- ter Brief ſpricht 1). Nach der bittern Klage über die noch immer dauernden Zerſtörungen, namentlich noch unter Julius II., ruft er den Papſt um Schutz an für die we- nigen übriggebliebenen Zeugniſſe der Größe und Kraft jener göttlichen Seelen des Alterthums, an deren Andenken ſich noch jetzt diejenigen entzünden, die des Höhern fähig ſeien. Mit merkwürdig durchdringendem Urtheil legt er dann den Grund zu einer vergleichenden Kunſtgeſchichte überhaupt und ſtellt am Ende denjenigen Begriff von „Aufnahme“ feſt,u. Aufnahmen. welcher ſeitdem gegolten hat: er verlangt für jeden Ueberreſt Plan, Aufriß und Durchſchnitt geſondert. Wie ſeit dieſer Zeit die Archäologie, in ſpeciellem Anſchluß an die gehei- ligte Weltſtadt und deren Topographie, zur beſondern Wiſſenſchaft heranwuchs, wie die vitruvianiſche Academie wenigſtens ein coloſſales Programm 2) aufſtellte, kann nicht weiter aufgeführt werden. Hier dürfen wir bei Leo X.Das leoniſche Rom. ſtehen bleiben, unter welchem der Genuß des Alterthums ſich mit allen andern Genüſſen zu jenem wunderſamen Eindruck verflocht, welcher dem Leben in Rom ſeine Weihe gab. Der Vatican tönte von Geſang und Saitenſpiel; wie ein Gebot zur Lebensfreude gingen dieſe Klänge über Rom hin, wenn auch Leo damit für ſich kaum eben erreichte, daß ſich Sorgen und Schmerzen verſcheuchen ließen und wenn auch ſeine bewußte Rechnung, durch Heiterkeit das Daſein zu verlängern 3), mit ſeinem frühen Tode fehlſchlug.
1)Quatremère, stor. della vita etc. di Rafaello, ed. Longhena, p. 531.
2)Lettere pittoriche II, I. Tolomei an Landi, 14. Nov. 1542.
3) Er wollte curis animique doloribus quacunque ratione aditum intercludere, heitererer Scherz und Muſik feſſelten ihn und er hoffte auf dieſe Weiſe länger zu leben Leonis X. vita anonyma, bei Roscoe, ed. Bossi XII, p. 169.
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Paläſte der Großen und Cardinäle begannen ſich mit an-
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alten Stadt, von welcher ſein (oder Caſtiglione's) berühm-
ter Brief ſpricht 1). Nach der bittern Klage über die noch
immer dauernden Zerſtörungen, namentlich noch unter
Julius II., ruft er den Papſt um Schutz an für die we-
nigen übriggebliebenen Zeugniſſe der Größe und Kraft jener
göttlichen Seelen des Alterthums, an deren Andenken ſich
noch jetzt diejenigen entzünden, die des Höhern fähig ſeien.
Mit merkwürdig durchdringendem Urtheil legt er dann den
Grund zu einer vergleichenden Kunſtgeſchichte überhaupt und
ſtellt am Ende denjenigen Begriff von „Aufnahme“ feſt,
welcher ſeitdem gegolten hat: er verlangt für jeden Ueberreſt
Plan, Aufriß und Durchſchnitt geſondert. Wie ſeit dieſer
Zeit die Archäologie, in ſpeciellem Anſchluß an die gehei-
ligte Weltſtadt und deren Topographie, zur beſondern
Wiſſenſchaft heranwuchs, wie die vitruvianiſche Academie
wenigſtens ein coloſſales Programm 2) aufſtellte, kann nicht
weiter aufgeführt werden. Hier dürfen wir bei Leo X.
ſtehen bleiben, unter welchem der Genuß des Alterthums
ſich mit allen andern Genüſſen zu jenem wunderſamen
Eindruck verflocht, welcher dem Leben in Rom ſeine Weihe
gab. Der Vatican tönte von Geſang und Saitenſpiel; wie
ein Gebot zur Lebensfreude gingen dieſe Klänge über Rom
hin, wenn auch Leo damit für ſich kaum eben erreichte,
daß ſich Sorgen und Schmerzen verſcheuchen ließen und
wenn auch ſeine bewußte Rechnung, durch Heiterkeit das
Daſein zu verlängern 3), mit ſeinem frühen Tode fehlſchlug.
3. Abſchnitt.
u. Aufnahmen.
Das leoniſche
Rom.
1) Quatremère, stor. della vita etc. di Rafaello, ed. Longhena, p. 531.
2) Lettere pittoriche II, I. Tolomei an Landi, 14. Nov. 1542.
3) Er wollte curis animique doloribus quacunque ratione aditum
intercludere, heitererer Scherz und Muſik feſſelten ihn und er
hoffte auf dieſe Weiſe länger zu leben Leonis X. vita anonyma,
bei Roscoe, ed. Bossi XII, p. 169.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/195>, abgerufen am 23.11.2024.
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