2. Abschnitt.verspottet. Ferner lud die göttliche Comödie auf das Stärkste zur Parodirung ein, und Lorenzo magnifico hat im Styl des Inferno die herrlichste Komik zu entwickeln gewußt. (Simposio, oder: i Beoni.) Luigi Pulci ahmt in seinem Morgante deutlich die Improvisatoren nach, und überdieß ist seine und Bojardo's Poesie, schon insofern sie über dem Gegenstande schwebt, stellenweise eine wenigstens halbbewußte Parodie der mittelalterlichen Ritterdichtung. Der große Parodist Teofilo Folengo (blühte um 1520) greift dann ganz unmittelbar zu. Unter dem Namen Li- merno Pitocco dichtet er den Orlandino, wo das Ritter- wesen nur noch als lächerliche Rococoeinfassung um eine Fülle moderner Einfälle und Lebensbilder herum figurirt; unter dem Namen Merlinus Coccajus schildert er die Thaten und Fahrten seiner Bauern und Landstreicher, ebenfalls mit starker tendenziöser Zuthat, in halblateinischen Hexametern, unter dem komischen Scheinapparat des damaligen gelehrten Epos. (Opus Macaronicorum). Seitdem ist die Parodie auf dem italischen Parnaß immerfort, und bisweilen wahr- haft glanzvoll vertreten gewesen.
Theorie des Witzes.In der Zeit der mittlern Höhe der Renaissance wird dann auch der Witz theoretisch zergliedert und seine prac- tische Anwendung in der feinern Gesellschaft genauer fest- gestellt. Der Theoretiker ist Gioviano Pontano 1); in seiner Schrift über das Reden, namentlich im vierten Buch, ver- sucht er durch Analyse zahlreicher einzelner Witze oder fa- cetiae zu einem allgemeinen Princip durchzudringen. Wie der Witz unter Leuten von Stande zu handhaben sei, lehrt Baldassar Castiglione in seinem Cortigiano 2). Natürlich
1)Jovian. Pontan. de Sermone. Er constatiert eine besondere Be- gabung zum Witz außer bei den Florentinern auch bei den Sienesen und Peruginern; den spanischen Hof fügt er dann noch aus Höf- lichkeit bei.
2)Il cortigiano, Lib. II. fol. 74, s. -- Die Herleitung des Witzes aus dem Contrast, obwohl noch nicht völlig klar, fol. 76.
2. Abſchnitt.verſpottet. Ferner lud die göttliche Comödie auf das Stärkſte zur Parodirung ein, und Lorenzo magnifico hat im Styl des Inferno die herrlichſte Komik zu entwickeln gewußt. (Simpoſio, oder: i Beoni.) Luigi Pulci ahmt in ſeinem Morgante deutlich die Improviſatoren nach, und überdieß iſt ſeine und Bojardo's Poeſie, ſchon inſofern ſie über dem Gegenſtande ſchwebt, ſtellenweiſe eine wenigſtens halbbewußte Parodie der mittelalterlichen Ritterdichtung. Der große Parodiſt Teofilo Folengo (blühte um 1520) greift dann ganz unmittelbar zu. Unter dem Namen Li- merno Pitocco dichtet er den Orlandino, wo das Ritter- weſen nur noch als lächerliche Rococoeinfaſſung um eine Fülle moderner Einfälle und Lebensbilder herum figurirt; unter dem Namen Merlinus Coccajus ſchildert er die Thaten und Fahrten ſeiner Bauern und Landſtreicher, ebenfalls mit ſtarker tendenziöſer Zuthat, in halblateiniſchen Hexametern, unter dem komiſchen Scheinapparat des damaligen gelehrten Epos. (Opus Macaronicorum). Seitdem iſt die Parodie auf dem italiſchen Parnaß immerfort, und bisweilen wahr- haft glanzvoll vertreten geweſen.
Theorie des Witzes.In der Zeit der mittlern Höhe der Renaiſſance wird dann auch der Witz theoretiſch zergliedert und ſeine prac- tiſche Anwendung in der feinern Geſellſchaft genauer feſt- geſtellt. Der Theoretiker iſt Gioviano Pontano 1); in ſeiner Schrift über das Reden, namentlich im vierten Buch, ver- ſucht er durch Analyſe zahlreicher einzelner Witze oder fa- cetiæ zu einem allgemeinen Princip durchzudringen. Wie der Witz unter Leuten von Stande zu handhaben ſei, lehrt Baldaſſar Caſtiglione in ſeinem Cortigiano 2). Natürlich
1)Jovian. Pontan. de Sermone. Er conſtatiert eine beſondere Be- gabung zum Witz außer bei den Florentinern auch bei den Sieneſen und Peruginern; den ſpaniſchen Hof fügt er dann noch aus Höf- lichkeit bei.
2)Il cortigiano, Lib. II. fol. 74, s. — Die Herleitung des Witzes aus dem Contraſt, obwohl noch nicht völlig klar, fol. 76.
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in ſeinem Morgante deutlich die Improviſatoren nach, und
überdieß iſt ſeine und Bojardo's Poeſie, ſchon inſofern ſie
über dem Gegenſtande ſchwebt, ſtellenweiſe eine wenigſtens
halbbewußte Parodie der mittelalterlichen Ritterdichtung.
Der große Parodiſt Teofilo Folengo (blühte um 1520)
greift dann ganz unmittelbar zu. Unter dem Namen Li-
merno Pitocco dichtet er den Orlandino, wo das Ritter-
weſen nur noch als lächerliche Rococoeinfaſſung um eine
Fülle moderner Einfälle und Lebensbilder herum figurirt;
unter dem Namen Merlinus Coccajus ſchildert er die Thaten
und Fahrten ſeiner Bauern und Landſtreicher, ebenfalls mit
ſtarker tendenziöſer Zuthat, in halblateiniſchen Hexametern,
unter dem komiſchen Scheinapparat des damaligen gelehrten
Epos. (Opus Macaronicorum). Seitdem iſt die Parodie
auf dem italiſchen Parnaß immerfort, und bisweilen wahr-
haft glanzvoll vertreten geweſen.
2. Abſchnitt.
In der Zeit der mittlern Höhe der Renaiſſance wird
dann auch der Witz theoretiſch zergliedert und ſeine prac-
tiſche Anwendung in der feinern Geſellſchaft genauer feſt-
geſtellt. Der Theoretiker iſt Gioviano Pontano 1); in ſeiner
Schrift über das Reden, namentlich im vierten Buch, ver-
ſucht er durch Analyſe zahlreicher einzelner Witze oder fa-
cetiæ zu einem allgemeinen Princip durchzudringen. Wie
der Witz unter Leuten von Stande zu handhaben ſei, lehrt
Baldaſſar Caſtiglione in ſeinem Cortigiano 2). Natürlich
Theorie des
Witzes.
1) Jovian. Pontan. de Sermone. Er conſtatiert eine beſondere Be-
gabung zum Witz außer bei den Florentinern auch bei den Sieneſen
und Peruginern; den ſpaniſchen Hof fügt er dann noch aus Höf-
lichkeit bei.
2) Il cortigiano, Lib. II. fol. 74, s. — Die Herleitung des Witzes
aus dem Contraſt, obwohl noch nicht völlig klar, fol. 76.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/170>, abgerufen am 24.11.2024.
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