2. Abschnitt.Stylisiren" (operosius excolenda) nach Florenz zu über- senden; sonst möchte es ihm ergehen wie all Jenen, deren Thaten, von der Hülfe der Gelehrten entblößt, "im großen "Schutthaufen menschlicher Gebrechlichkeit verborgen liegen "bleiben". Der König (oder doch sein humanistisch ge- sinnter Kanzler) ging darauf ein und versprach wenigstens, es sollten die bereits portugiesisch abgefaßten Annalen über die africanischen Dinge in italienischer Uebersetzung nach Florenz zur lateinischen Bearbeitung verabfolgt werden; ob dieß wirklich geschah, ist nicht bekannt. So ganz leer, wie dergleichen Prätensionen auf den ersten Blick scheinen, sind sie keinesweges; die Redaction, in welcher die Sachen (auch die wichtigsten) vor Mit- und Nachwelt treten, ist nichts weniger als gleichgültig. Die italienischen Humanisten mit ihrer Darstellungsweise und ihrem Latein haben lange genug die abendländische Lesewelt wirklich beherrscht und auch die italienischen Dichter sind bis ins vorige Jahrhundert weiter in allen Händen herumgekommen als die irgend einer Na- tion. Der Taufname des Amerigo Vespucci von Florenz wurde seiner Reisebeschreibung wegen zum Namen des vierten Welttheils, und wenn Paolo Giovio mit all seiner Flüchtigkeit und eleganten Willkür sich dennoch die Unsterb- lichkeit versprach 1), so ist er dabei nicht ganz fehlgegangen.
Unbedingte Ruhmsucht.Neben solchen Anstalten den Ruhm äußerlich zu ga- rantiren, wird hie und da ein Vorhang hinweg gezogen und wir schauen den colossalsten Ehrgeiz und Durst nach Größe, unabhängig von Gegenstand und Erfolg, in er- schreckend wahrem Ausdruck. So in Macchiavell's Vorrede zu seinen florentinischen Geschichten, wo er seine Vorgänger (Lionardo Aretino, Poggio) tadelt wegen des allzurücksichts- vollen Schweigens in Betreff der städtischen Parteiungen.
1)Paul. Jov. de romanis piscibus, Praefatio (1525): Die erste Decade seiner Historien werde nächstens herauskommen non sine aliqua spe immortalitatis.
2. Abſchnitt.Styliſiren“ (operosius excolenda) nach Florenz zu über- ſenden; ſonſt möchte es ihm ergehen wie all Jenen, deren Thaten, von der Hülfe der Gelehrten entblößt, „im großen „Schutthaufen menſchlicher Gebrechlichkeit verborgen liegen „bleiben“. Der König (oder doch ſein humaniſtiſch ge- ſinnter Kanzler) ging darauf ein und verſprach wenigſtens, es ſollten die bereits portugieſiſch abgefaßten Annalen über die africaniſchen Dinge in italieniſcher Ueberſetzung nach Florenz zur lateiniſchen Bearbeitung verabfolgt werden; ob dieß wirklich geſchah, iſt nicht bekannt. So ganz leer, wie dergleichen Prätenſionen auf den erſten Blick ſcheinen, ſind ſie keinesweges; die Redaction, in welcher die Sachen (auch die wichtigſten) vor Mit- und Nachwelt treten, iſt nichts weniger als gleichgültig. Die italieniſchen Humaniſten mit ihrer Darſtellungsweiſe und ihrem Latein haben lange genug die abendländiſche Leſewelt wirklich beherrſcht und auch die italieniſchen Dichter ſind bis ins vorige Jahrhundert weiter in allen Händen herumgekommen als die irgend einer Na- tion. Der Taufname des Amerigo Vespucci von Florenz wurde ſeiner Reiſebeſchreibung wegen zum Namen des vierten Welttheils, und wenn Paolo Giovio mit all ſeiner Flüchtigkeit und eleganten Willkür ſich dennoch die Unſterb- lichkeit verſprach 1), ſo iſt er dabei nicht ganz fehlgegangen.
Unbedingte Ruhmſucht.Neben ſolchen Anſtalten den Ruhm äußerlich zu ga- rantiren, wird hie und da ein Vorhang hinweg gezogen und wir ſchauen den coloſſalſten Ehrgeiz und Durſt nach Größe, unabhängig von Gegenſtand und Erfolg, in er- ſchreckend wahrem Ausdruck. So in Macchiavell's Vorrede zu ſeinen florentiniſchen Geſchichten, wo er ſeine Vorgänger (Lionardo Aretino, Poggio) tadelt wegen des allzurückſichts- vollen Schweigens in Betreff der ſtädtiſchen Parteiungen.
1)Paul. Jov. de romanis piscibus, Præfatio (1525): Die erſte Decade ſeiner Hiſtorien werde nächſtens herauskommen non sine aliqua spe immortalitatis.
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Styliſiren“ (operosius excolenda) nach Florenz zu über-
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Thaten, von der Hülfe der Gelehrten entblößt, „im großen
„Schutthaufen menſchlicher Gebrechlichkeit verborgen liegen
„bleiben“. Der König (oder doch ſein humaniſtiſch ge-
ſinnter Kanzler) ging darauf ein und verſprach wenigſtens,
es ſollten die bereits portugieſiſch abgefaßten Annalen über
die africaniſchen Dinge in italieniſcher Ueberſetzung nach
Florenz zur lateiniſchen Bearbeitung verabfolgt werden; ob
dieß wirklich geſchah, iſt nicht bekannt. So ganz leer, wie
dergleichen Prätenſionen auf den erſten Blick ſcheinen, ſind
ſie keinesweges; die Redaction, in welcher die Sachen (auch
die wichtigſten) vor Mit- und Nachwelt treten, iſt nichts
weniger als gleichgültig. Die italieniſchen Humaniſten mit
ihrer Darſtellungsweiſe und ihrem Latein haben lange genug
die abendländiſche Leſewelt wirklich beherrſcht und auch die
italieniſchen Dichter ſind bis ins vorige Jahrhundert weiter
in allen Händen herumgekommen als die irgend einer Na-
tion. Der Taufname des Amerigo Vespucci von Florenz
wurde ſeiner Reiſebeſchreibung wegen zum Namen des
vierten Welttheils, und wenn Paolo Giovio mit all ſeiner
Flüchtigkeit und eleganten Willkür ſich dennoch die Unſterb-
lichkeit verſprach 1), ſo iſt er dabei nicht ganz fehlgegangen.
2. Abſchnitt.
Neben ſolchen Anſtalten den Ruhm äußerlich zu ga-
rantiren, wird hie und da ein Vorhang hinweg gezogen
und wir ſchauen den coloſſalſten Ehrgeiz und Durſt nach
Größe, unabhängig von Gegenſtand und Erfolg, in er-
ſchreckend wahrem Ausdruck. So in Macchiavell's Vorrede
zu ſeinen florentiniſchen Geſchichten, wo er ſeine Vorgänger
(Lionardo Aretino, Poggio) tadelt wegen des allzurückſichts-
vollen Schweigens in Betreff der ſtädtiſchen Parteiungen.
Unbedingte
Ruhmſucht.
1) Paul. Jov. de romanis piscibus, Præfatio (1525): Die erſte
Decade ſeiner Hiſtorien werde nächſtens herauskommen non sine
aliqua spe immortalitatis.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/162>, abgerufen am 24.11.2024.
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