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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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zu welchen schon Boccaccio mit emphatischer Bitterkeit die2. Abschnitt.
Vaterstadt aufstachelte 1), ruhig bei S. Francesco in Ra-
venna schlafen, "zwischen uralten Kaisergräbern und Heiligen-
"grüften, in ehrenvollerer Gesellschaft als du, o Heimath,
"ihm bieten könntest". Es kam schon damals vor, daß
ein wunderlicher Mensch ungestraft die Lichter vom Altar
des Crucifixes wegnahm und sie an das Grab stellte mit
den Worten: Nimm sie, du bist ihrer würdiger als Jener --
der Gekreuzigte 2).

Nunmehr gedenken auch die italischen Städte wiederBerühmte
Männer des
Alterthums.

ihrer Mitbürger und Einwohner aus dem Alterthum.
Neapel hatte vielleicht sein Grab Virgil's nie ganz vergessen,
schon weil sich ein halbmythischer Begriff an den Namen
geknüpft hatte. Padua glaubte vollends noch im XVI.
Jahrhundert nicht nur die echten Gebeine seines trojanischen
Gründers Antenor, sondern auch die des Titus Livius zu
besitzen 3). "Sulmona, sagt Boccaccio 4), klagt, daß Ovid
"fern in der Verbannung begraben sei, Parma freut sich,
"daß Cassius in seinen Mauern schlummere". Die Man-
tuaner prägten im XIV. Jahrhundert eine Münze mit
dem Brustbild Virgil's und stellten eine Statue auf, die
ihn vorstellen sollte; aus mittelalterlichem Junkerhochmuth 5)
ließ sie der Vormund des damaligen Gonzaga, Carlo Ma-
latesta, 1392 umstürzen und mußte sie, weil der Ruhm

1) Boccaccio, vita di Dante, p. 39.
2) Franco Sacchetti, Nov. 121.
3) Erstere in dem bekannten Sarcophag bei S. Lorenzo, letztere am
Palazzo della ragione über einer Thür. Das Nähere über deren
Auffindung 1413 s. bei Misson, voyage en Italie, vol. I.
4) Vita di Dante, l. c. Wie die Leiche des Cassius nach der Schlacht
bei Philippi wieder nach Parma gelangt sein mag?
5) Nobilitatis fastu, und zwar sub obtentu religionis, sagt Pius II.
(Comment. X, p. 473).
Die neue Gattung von Ruhm mußte
wohl vielen Leuten unbequem erscheinen, die an Anderes gewöhnt
waren.
10*

zu welchen ſchon Boccaccio mit emphatiſcher Bitterkeit die2. Abſchnitt.
Vaterſtadt aufſtachelte 1), ruhig bei S. Francesco in Ra-
venna ſchlafen, „zwiſchen uralten Kaiſergräbern und Heiligen-
„grüften, in ehrenvollerer Geſellſchaft als du, o Heimath,
„ihm bieten könnteſt“. Es kam ſchon damals vor, daß
ein wunderlicher Menſch ungeſtraft die Lichter vom Altar
des Crucifixes wegnahm und ſie an das Grab ſtellte mit
den Worten: Nimm ſie, du biſt ihrer würdiger als Jener —
der Gekreuzigte 2).

Nunmehr gedenken auch die italiſchen Städte wiederBerühmte
Männer des
Alterthums.

ihrer Mitbürger und Einwohner aus dem Alterthum.
Neapel hatte vielleicht ſein Grab Virgil's nie ganz vergeſſen,
ſchon weil ſich ein halbmythiſcher Begriff an den Namen
geknüpft hatte. Padua glaubte vollends noch im XVI.
Jahrhundert nicht nur die echten Gebeine ſeines trojaniſchen
Gründers Antenor, ſondern auch die des Titus Livius zu
beſitzen 3). „Sulmona, ſagt Boccaccio 4), klagt, daß Ovid
„fern in der Verbannung begraben ſei, Parma freut ſich,
„daß Caſſius in ſeinen Mauern ſchlummere“. Die Man-
tuaner prägten im XIV. Jahrhundert eine Münze mit
dem Bruſtbild Virgil's und ſtellten eine Statue auf, die
ihn vorſtellen ſollte; aus mittelalterlichem Junkerhochmuth 5)
ließ ſie der Vormund des damaligen Gonzaga, Carlo Ma-
lateſta, 1392 umſtürzen und mußte ſie, weil der Ruhm

1) Boccaccio, vita di Dante, p. 39.
2) Franco Sacchetti, Nov. 121.
3) Erſtere in dem bekannten Sarcophag bei S. Lorenzo, letztere am
Palazzo della ragione über einer Thür. Das Nähere über deren
Auffindung 1413 ſ. bei Misson, voyage en Italie, vol. I.
4) Vita di Dante, l. c. Wie die Leiche des Caſſius nach der Schlacht
bei Philippi wieder nach Parma gelangt ſein mag?
5) Nobilitatis fastu, und zwar sub obtentu religionis, ſagt Pius II.
(Comment. X, p. 473).
Die neue Gattung von Ruhm mußte
wohl vielen Leuten unbequem erſcheinen, die an Anderes gewöhnt
waren.
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[147/0157] zu welchen ſchon Boccaccio mit emphatiſcher Bitterkeit die Vaterſtadt aufſtachelte 1), ruhig bei S. Francesco in Ra- venna ſchlafen, „zwiſchen uralten Kaiſergräbern und Heiligen- „grüften, in ehrenvollerer Geſellſchaft als du, o Heimath, „ihm bieten könnteſt“. Es kam ſchon damals vor, daß ein wunderlicher Menſch ungeſtraft die Lichter vom Altar des Crucifixes wegnahm und ſie an das Grab ſtellte mit den Worten: Nimm ſie, du biſt ihrer würdiger als Jener — der Gekreuzigte 2). 2. Abſchnitt. Nunmehr gedenken auch die italiſchen Städte wieder ihrer Mitbürger und Einwohner aus dem Alterthum. Neapel hatte vielleicht ſein Grab Virgil's nie ganz vergeſſen, ſchon weil ſich ein halbmythiſcher Begriff an den Namen geknüpft hatte. Padua glaubte vollends noch im XVI. Jahrhundert nicht nur die echten Gebeine ſeines trojaniſchen Gründers Antenor, ſondern auch die des Titus Livius zu beſitzen 3). „Sulmona, ſagt Boccaccio 4), klagt, daß Ovid „fern in der Verbannung begraben ſei, Parma freut ſich, „daß Caſſius in ſeinen Mauern ſchlummere“. Die Man- tuaner prägten im XIV. Jahrhundert eine Münze mit dem Bruſtbild Virgil's und ſtellten eine Statue auf, die ihn vorſtellen ſollte; aus mittelalterlichem Junkerhochmuth 5) ließ ſie der Vormund des damaligen Gonzaga, Carlo Ma- lateſta, 1392 umſtürzen und mußte ſie, weil der Ruhm Berühmte Männer des Alterthums. 1) Boccaccio, vita di Dante, p. 39. 2) Franco Sacchetti, Nov. 121. 3) Erſtere in dem bekannten Sarcophag bei S. Lorenzo, letztere am Palazzo della ragione über einer Thür. Das Nähere über deren Auffindung 1413 ſ. bei Misson, voyage en Italie, vol. I. 4) Vita di Dante, l. c. Wie die Leiche des Caſſius nach der Schlacht bei Philippi wieder nach Parma gelangt ſein mag? 5) Nobilitatis fastu, und zwar sub obtentu religionis, ſagt Pius II. (Comment. X, p. 473). Die neue Gattung von Ruhm mußte wohl vielen Leuten unbequem erſcheinen, die an Anderes gewöhnt waren. 10*

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/157>, abgerufen am 22.11.2024.