1. Abschnitt.In der Folge behielt Carl durch die Concils-Idee das Papstthum wesentlich in der Gewalt und konnte es zugleich drücken und beschützen. Jene größte Gefahr aber, die Sä- cularisation, vollends diejenige von innen heraus, durch die Päpste und ihre Nepoten selber, war für Jahrhunderte be- seitigt durch die deutsche Reformation. So wie diese allein dem Zug gegen Rom (1527) Möglichkeit und Erfolg ver- liehen hatte, so nöthigte sie auch das Papstthum, wieder der Ausdruck einer geistigen Weltmacht zu werden, indem Das Papst- thum d. Gegen- reformation.es sich an die Spitze aller ihrer Gegner stellen, sich aus der "Versunkenheit in lauter factischen Verhältnissen" empor- raffen mußte. Was nun in der spätern Zeit des Clemens VII., unter Paul III., Paul IV. und ihren Nachfolgern mitten im Abfall halb Europa's allmälig heranwächst, ist eine ganz neue, regenerirte Hierarchie, welche alle großen, gefähr- lichen Aergernisse im eigenen Hause, besonders den staaten- gründenden Nepotismus vermeidet und im Bunde mit den katholischen Fürsten, getragen von einem neuen geistlichen Antrieb, ihr Hauptgeschäft aus der Wiedergewinnung der Verlorenen macht. Sie ist nur vorhanden und nur zu verstehen in ihrem Gegensatz zu den Abgefallenen. In diesem Sinne kann man mit voller Wahrheit sagen, daß das Papstthum in moralischer Beziehung durch seine Tod- feinde gerettet worden ist. Und nun befestigte sich auch seine politische Stellung, freilich unter dauernder Aufsicht Spaniens, bis zur Unantastbarkeit; fast ohne alle Anstren- gung erbte es beim Aussterben seiner Vasallen (der legiti- men Linie von Este und des Hauses della Rovere) die Herzogthümer Ferrara und Urbino. Ohne die Reformation dagegen -- wenn man sie sich überhaupt wegdenken kann -- wäre der ganze Kirchenstaat wahrscheinlich schon längst in weltliche Hände übergegangen.
1. Abſchnitt.In der Folge behielt Carl durch die Concils-Idee das Papſtthum weſentlich in der Gewalt und konnte es zugleich drücken und beſchützen. Jene größte Gefahr aber, die Sä- culariſation, vollends diejenige von innen heraus, durch die Päpſte und ihre Nepoten ſelber, war für Jahrhunderte be- ſeitigt durch die deutſche Reformation. So wie dieſe allein dem Zug gegen Rom (1527) Möglichkeit und Erfolg ver- liehen hatte, ſo nöthigte ſie auch das Papſtthum, wieder der Ausdruck einer geiſtigen Weltmacht zu werden, indem Das Papſt- thum d. Gegen- reformation.es ſich an die Spitze aller ihrer Gegner ſtellen, ſich aus der „Verſunkenheit in lauter factiſchen Verhältniſſen“ empor- raffen mußte. Was nun in der ſpätern Zeit des Clemens VII., unter Paul III., Paul IV. und ihren Nachfolgern mitten im Abfall halb Europa's allmälig heranwächst, iſt eine ganz neue, regenerirte Hierarchie, welche alle großen, gefähr- lichen Aergerniſſe im eigenen Hauſe, beſonders den ſtaaten- gründenden Nepotismus vermeidet und im Bunde mit den katholiſchen Fürſten, getragen von einem neuen geiſtlichen Antrieb, ihr Hauptgeſchäft aus der Wiedergewinnung der Verlorenen macht. Sie iſt nur vorhanden und nur zu verſtehen in ihrem Gegenſatz zu den Abgefallenen. In dieſem Sinne kann man mit voller Wahrheit ſagen, daß das Papſtthum in moraliſcher Beziehung durch ſeine Tod- feinde gerettet worden iſt. Und nun befeſtigte ſich auch ſeine politiſche Stellung, freilich unter dauernder Aufſicht Spaniens, bis zur Unantaſtbarkeit; faſt ohne alle Anſtren- gung erbte es beim Ausſterben ſeiner Vaſallen (der legiti- men Linie von Eſte und des Hauſes della Rovere) die Herzogthümer Ferrara und Urbino. Ohne die Reformation dagegen — wenn man ſie ſich überhaupt wegdenken kann — wäre der ganze Kirchenſtaat wahrſcheinlich ſchon längſt in weltliche Hände übergegangen.
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In der Folge behielt Carl durch die Concils-Idee das
Papſtthum weſentlich in der Gewalt und konnte es zugleich
drücken und beſchützen. Jene größte Gefahr aber, die Sä-
culariſation, vollends diejenige von innen heraus, durch die
Päpſte und ihre Nepoten ſelber, war für Jahrhunderte be-
ſeitigt durch die deutſche Reformation. So wie dieſe allein
dem Zug gegen Rom (1527) Möglichkeit und Erfolg ver-
liehen hatte, ſo nöthigte ſie auch das Papſtthum, wieder
der Ausdruck einer geiſtigen Weltmacht zu werden, indem
es ſich an die Spitze aller ihrer Gegner ſtellen, ſich aus
der „Verſunkenheit in lauter factiſchen Verhältniſſen“ empor-
raffen mußte. Was nun in der ſpätern Zeit des Clemens VII.,
unter Paul III., Paul IV. und ihren Nachfolgern mitten
im Abfall halb Europa's allmälig heranwächst, iſt eine
ganz neue, regenerirte Hierarchie, welche alle großen, gefähr-
lichen Aergerniſſe im eigenen Hauſe, beſonders den ſtaaten-
gründenden Nepotismus vermeidet und im Bunde mit den
katholiſchen Fürſten, getragen von einem neuen geiſtlichen
Antrieb, ihr Hauptgeſchäft aus der Wiedergewinnung der
Verlorenen macht. Sie iſt nur vorhanden und nur zu
verſtehen in ihrem Gegenſatz zu den Abgefallenen. In
dieſem Sinne kann man mit voller Wahrheit ſagen, daß
das Papſtthum in moraliſcher Beziehung durch ſeine Tod-
feinde gerettet worden iſt. Und nun befeſtigte ſich auch
ſeine politiſche Stellung, freilich unter dauernder Aufſicht
Spaniens, bis zur Unantaſtbarkeit; faſt ohne alle Anſtren-
gung erbte es beim Ausſterben ſeiner Vaſallen (der legiti-
men Linie von Eſte und des Hauſes della Rovere) die
Herzogthümer Ferrara und Urbino. Ohne die Reformation
dagegen — wenn man ſie ſich überhaupt wegdenken kann —
wäre der ganze Kirchenſtaat wahrſcheinlich ſchon längſt in
weltliche Hände übergegangen.
1. Abſchnitt.
Das Papſt-
thum d. Gegen-
reformation.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/138>, abgerufen am 25.11.2024.
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