1. Abschnitt.Den Papst, der wieder in die Engelsburg geflüchtet Folgen und Re- action.war, wollte Carl V., auch nachdem er ihm ungeheure Summen abgepreßt, wie es heißt, nach Neapel bringen lassen, und daß Clemens statt dessen nach Orvieto floh, soll ohne alle Connivenz von spanischer Seite geschehen sein 1). Ob Carl einen Augenblick an die Säcularisation des Kir- chenstaates dachte (worauf alle Welt2) gefaßt war), ob er sich wirklich durch Vorstellungen Heinrichs VIII. von Eng- land davon abbringen ließ, dieß wird wohl in ewigem Dunkel bleiben.
Wenn aber solche Absichten vorhanden waren, so haben sie in keinem Falle lange angehalten; mitten aus der Ver- wüstung von Rom steigt der Geist der kirchlich-weltlichen Restauration empor. Augenblicklich ahnte dieß z. B.: Sa- doleto 3). "Wenn durch unsern Jammer, schreibt er, dem "Zorn und der Strenge Gottes genuggethan ist, wenn diese "furchtbaren Strafen uns wieder den Weg öffnen zu bessern "Sitten und Gesetzen, dann ist vielleicht unser Unglück "nicht das größte gewesen ... Was Gottes ist, dafür mag "Gott sorgen, wir aber haben ein Leben der Besserung vor "uns, das uns keine Waffengewalt entreißen mag; richten "wir nur Thaten und Gedanken dahin, daß wir den wahren "Glanz des Priesterthums und unsere wahre Größe und "Macht in Gott suchen."
Von diesem kritischen Jahre 1527 an war in der That so viel gewonnen, daß ernsthafte Stimmen wieder einmal sich hörbar machen konnten. Rom hatte zuviel gelitten um selbst unter einem Paul III. je wieder das heitere grund- verdorbene Rom Leo's X. werden zu können.
1)Varchi, stor. fiorent. II, 43, s.
2) Ebenda, und: Ranke, Deutsche Gesch. II, S. 394, Anm. Man glaubte, Carl würde seine Residenz nach Rom verlegen.
3) Sein Brief an den Papst, d. d. Carpentras 1. Sept. 1527, in den Anecdota litt. IV, p. 335.
1. Abſchnitt.Den Papſt, der wieder in die Engelsburg geflüchtet Folgen und Re- action.war, wollte Carl V., auch nachdem er ihm ungeheure Summen abgepreßt, wie es heißt, nach Neapel bringen laſſen, und daß Clemens ſtatt deſſen nach Orvieto floh, ſoll ohne alle Connivenz von ſpaniſcher Seite geſchehen ſein 1). Ob Carl einen Augenblick an die Säculariſation des Kir- chenſtaates dachte (worauf alle Welt2) gefaßt war), ob er ſich wirklich durch Vorſtellungen Heinrichs VIII. von Eng- land davon abbringen ließ, dieß wird wohl in ewigem Dunkel bleiben.
Wenn aber ſolche Abſichten vorhanden waren, ſo haben ſie in keinem Falle lange angehalten; mitten aus der Ver- wüſtung von Rom ſteigt der Geiſt der kirchlich-weltlichen Reſtauration empor. Augenblicklich ahnte dieß z. B.: Sa- doleto 3). „Wenn durch unſern Jammer, ſchreibt er, dem „Zorn und der Strenge Gottes genuggethan iſt, wenn dieſe „furchtbaren Strafen uns wieder den Weg öffnen zu beſſern „Sitten und Geſetzen, dann iſt vielleicht unſer Unglück „nicht das größte geweſen … Was Gottes iſt, dafür mag „Gott ſorgen, wir aber haben ein Leben der Beſſerung vor „uns, das uns keine Waffengewalt entreißen mag; richten „wir nur Thaten und Gedanken dahin, daß wir den wahren „Glanz des Prieſterthums und unſere wahre Größe und „Macht in Gott ſuchen.“
Von dieſem kritiſchen Jahre 1527 an war in der That ſo viel gewonnen, daß ernſthafte Stimmen wieder einmal ſich hörbar machen konnten. Rom hatte zuviel gelitten um ſelbſt unter einem Paul III. je wieder das heitere grund- verdorbene Rom Leo's X. werden zu können.
1)Varchi, stor. fiorent. II, 43, s.
2) Ebenda, und: Ranke, Deutſche Geſch. II, S. 394, Anm. Man glaubte, Carl würde ſeine Reſidenz nach Rom verlegen.
3) Sein Brief an den Papſt, d. d. Carpentras 1. Sept. 1527, in den Anecdota litt. IV, p. 335.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0136"n="126"/><p><noteplace="left"><hirendition="#b"><hirendition="#u">1. Abſchnitt.</hi></hi></note>Den Papſt, der wieder in die Engelsburg geflüchtet<lb/><noteplace="left">Folgen und Re-<lb/>
action.</note>war, wollte Carl <hirendition="#aq">V.</hi>, auch nachdem er ihm ungeheure<lb/>
Summen abgepreßt, wie es heißt, nach Neapel bringen<lb/>
laſſen, und daß Clemens ſtatt deſſen nach Orvieto floh,<lb/>ſoll ohne alle Connivenz von ſpaniſcher Seite geſchehen ſein <noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#aq">Varchi, stor. fiorent. II, 43, s.</hi></note>.<lb/>
Ob Carl einen Augenblick an die Säculariſation des Kir-<lb/>
chenſtaates dachte (worauf alle Welt<noteplace="foot"n="2)">Ebenda, und: Ranke, Deutſche Geſch. <hirendition="#aq">II,</hi> S. 394, Anm. Man<lb/>
glaubte, Carl würde ſeine Reſidenz nach Rom verlegen.</note> gefaßt war), ob er<lb/>ſich wirklich durch Vorſtellungen Heinrichs <hirendition="#aq">VIII.</hi> von Eng-<lb/>
land davon abbringen ließ, dieß wird wohl in ewigem<lb/>
Dunkel bleiben.</p><lb/><p>Wenn aber ſolche Abſichten vorhanden waren, ſo haben<lb/>ſie in keinem Falle lange angehalten; mitten aus der Ver-<lb/>
wüſtung von Rom ſteigt der Geiſt der kirchlich-weltlichen<lb/>
Reſtauration empor. Augenblicklich ahnte dieß z. B.: Sa-<lb/>
doleto <noteplace="foot"n="3)">Sein Brief an den Papſt, d. d. Carpentras 1. Sept. 1527, in den<lb/><hirendition="#aq">Anecdota litt. IV, p.</hi> 335.</note>. „Wenn durch unſern Jammer, ſchreibt er, dem<lb/>„Zorn und der Strenge Gottes genuggethan iſt, wenn dieſe<lb/>„furchtbaren Strafen uns wieder den Weg öffnen zu beſſern<lb/>„Sitten und Geſetzen, dann iſt vielleicht unſer Unglück<lb/>„nicht das größte geweſen … Was Gottes iſt, dafür mag<lb/>„Gott ſorgen, wir aber haben ein Leben der Beſſerung vor<lb/>„uns, das uns keine Waffengewalt entreißen mag; richten<lb/>„wir nur Thaten und Gedanken dahin, daß wir den wahren<lb/>„Glanz des Prieſterthums und unſere wahre Größe und<lb/>„Macht in Gott ſuchen.“</p><lb/><p>Von dieſem kritiſchen Jahre 1527 an war in der That<lb/>ſo viel gewonnen, daß ernſthafte Stimmen wieder einmal<lb/>ſich hörbar machen konnten. Rom hatte zuviel gelitten um<lb/>ſelbſt unter einem Paul <hirendition="#aq">III.</hi> je wieder das heitere grund-<lb/>
verdorbene Rom Leo's <hirendition="#aq">X.</hi> werden zu können.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[126/0136]
Den Papſt, der wieder in die Engelsburg geflüchtet
war, wollte Carl V., auch nachdem er ihm ungeheure
Summen abgepreßt, wie es heißt, nach Neapel bringen
laſſen, und daß Clemens ſtatt deſſen nach Orvieto floh,
ſoll ohne alle Connivenz von ſpaniſcher Seite geſchehen ſein 1).
Ob Carl einen Augenblick an die Säculariſation des Kir-
chenſtaates dachte (worauf alle Welt 2) gefaßt war), ob er
ſich wirklich durch Vorſtellungen Heinrichs VIII. von Eng-
land davon abbringen ließ, dieß wird wohl in ewigem
Dunkel bleiben.
1. Abſchnitt.
Folgen und Re-
action.
Wenn aber ſolche Abſichten vorhanden waren, ſo haben
ſie in keinem Falle lange angehalten; mitten aus der Ver-
wüſtung von Rom ſteigt der Geiſt der kirchlich-weltlichen
Reſtauration empor. Augenblicklich ahnte dieß z. B.: Sa-
doleto 3). „Wenn durch unſern Jammer, ſchreibt er, dem
„Zorn und der Strenge Gottes genuggethan iſt, wenn dieſe
„furchtbaren Strafen uns wieder den Weg öffnen zu beſſern
„Sitten und Geſetzen, dann iſt vielleicht unſer Unglück
„nicht das größte geweſen … Was Gottes iſt, dafür mag
„Gott ſorgen, wir aber haben ein Leben der Beſſerung vor
„uns, das uns keine Waffengewalt entreißen mag; richten
„wir nur Thaten und Gedanken dahin, daß wir den wahren
„Glanz des Prieſterthums und unſere wahre Größe und
„Macht in Gott ſuchen.“
Von dieſem kritiſchen Jahre 1527 an war in der That
ſo viel gewonnen, daß ernſthafte Stimmen wieder einmal
ſich hörbar machen konnten. Rom hatte zuviel gelitten um
ſelbſt unter einem Paul III. je wieder das heitere grund-
verdorbene Rom Leo's X. werden zu können.
1) Varchi, stor. fiorent. II, 43, s.
2) Ebenda, und: Ranke, Deutſche Geſch. II, S. 394, Anm. Man
glaubte, Carl würde ſeine Reſidenz nach Rom verlegen.
3) Sein Brief an den Papſt, d. d. Carpentras 1. Sept. 1527, in den
Anecdota litt. IV, p. 335.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/136>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.