predigende Eremiten auf, welche den Untergang Italiens,1. Abschnitt. ja der Welt weissagen und Papst Clemens den Antichrist nennen 1); die colonnesische Faction erhebt ihr Haupt in trotzigster Gestalt; der unbändige Cardinal Pompeo Colonna, dessen Dasein 2) allein schon eine dauernde Plage für das Papstthum war, darf Rom (1526) überfallen in der Hoff- nung, mit Hülfe Carls V. ohne Weiteres Papst zu werden, sobald Clemens todt oder gefangen wäre. Es war kein Glück für Rom, daß dieser sich in die Engelsburg flüchten konnte; das Schicksal aber, für welches er selber aufgespart sein sollte, darf schlimmer als der Tod genannt werden.
Durch eine Reihe von Falschheiten jener Art, welcheDie Verwü- stung Roms. nur dem Mächtigen erlaubt ist, dem Schwächern aber Ver- derben bringt, verursachte Clemens den Anmarsch des spa- nisch-deutschen Heeres unter Bourbon und Frundsberg (1527). Es ist gewiß 3), daß das Cabinet Carls V. ihm eine große Züchtigung zugedacht hatte und daß es nicht voraus berechnen konnte, wie weit seine unbezahlten Horden in ihrem Eifer gehen würden. Die Werbung fast ohne Geld wäre in Deutschland erfolglos geblieben, wenn man nicht gewußt hätte, es gehe gegen Rom. Vielleicht finden sich noch irgendwo die schriftlichen eventuellen Aufträge an Bourbon und zwar solche, die ziemlich gelinde lauten, aber die Geschichtforschung wird sich davon nicht bethören lassen. Der katholische König und Kaiser verdankte es rein dem Glücke, daß Papst und Cardinäle nicht von seinen Leuten ermordet wurden. Wäre dieß geschehen, keine Sophistik der Welt könnte ihn von der Mitschuld lossprechen. Der Mord zahlloser geringern Leute und die Brandschatzung der Uebrigen mit Hülfe von Tortur und Menschenhandel zeigen deutlich genug, was beim "Sacco di Roma" überhaupt möglich war.
1)Varchi, stor. fiorent. I, 43. 46, s.
2)Paul. Jovius: vita Pomp. Columnae.
3) Ranke, Deutsche Geschichte, II, 375 ff.
predigende Eremiten auf, welche den Untergang Italiens,1. Abſchnitt. ja der Welt weiſſagen und Papſt Clemens den Antichriſt nennen 1); die colonneſiſche Faction erhebt ihr Haupt in trotzigſter Geſtalt; der unbändige Cardinal Pompeo Colonna, deſſen Daſein 2) allein ſchon eine dauernde Plage für das Papſtthum war, darf Rom (1526) überfallen in der Hoff- nung, mit Hülfe Carls V. ohne Weiteres Papſt zu werden, ſobald Clemens todt oder gefangen wäre. Es war kein Glück für Rom, daß dieſer ſich in die Engelsburg flüchten konnte; das Schickſal aber, für welches er ſelber aufgeſpart ſein ſollte, darf ſchlimmer als der Tod genannt werden.
Durch eine Reihe von Falſchheiten jener Art, welcheDie Verwü- ſtung Roms. nur dem Mächtigen erlaubt iſt, dem Schwächern aber Ver- derben bringt, verurſachte Clemens den Anmarſch des ſpa- niſch-deutſchen Heeres unter Bourbon und Frundsberg (1527). Es iſt gewiß 3), daß das Cabinet Carls V. ihm eine große Züchtigung zugedacht hatte und daß es nicht voraus berechnen konnte, wie weit ſeine unbezahlten Horden in ihrem Eifer gehen würden. Die Werbung faſt ohne Geld wäre in Deutſchland erfolglos geblieben, wenn man nicht gewußt hätte, es gehe gegen Rom. Vielleicht finden ſich noch irgendwo die ſchriftlichen eventuellen Aufträge an Bourbon und zwar ſolche, die ziemlich gelinde lauten, aber die Geſchichtforſchung wird ſich davon nicht bethören laſſen. Der katholiſche König und Kaiſer verdankte es rein dem Glücke, daß Papſt und Cardinäle nicht von ſeinen Leuten ermordet wurden. Wäre dieß geſchehen, keine Sophiſtik der Welt könnte ihn von der Mitſchuld losſprechen. Der Mord zahlloſer geringern Leute und die Brandſchatzung der Uebrigen mit Hülfe von Tortur und Menſchenhandel zeigen deutlich genug, was beim „Sacco di Roma“ überhaupt möglich war.
1)Varchi, stor. fiorent. I, 43. 46, s.
2)Paul. Jovius: vita Pomp. Columnæ.
3) Ranke, Deutſche Geſchichte, II, 375 ff.
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Papſtthum war, darf Rom (1526) überfallen in der Hoff-
nung, mit Hülfe Carls V. ohne Weiteres Papſt zu werden,
ſobald Clemens todt oder gefangen wäre. Es war kein
Glück für Rom, daß dieſer ſich in die Engelsburg flüchten
konnte; das Schickſal aber, für welches er ſelber aufgeſpart
ſein ſollte, darf ſchlimmer als der Tod genannt werden.
1. Abſchnitt.
Durch eine Reihe von Falſchheiten jener Art, welche
nur dem Mächtigen erlaubt iſt, dem Schwächern aber Ver-
derben bringt, verurſachte Clemens den Anmarſch des ſpa-
niſch-deutſchen Heeres unter Bourbon und Frundsberg
(1527). Es iſt gewiß 3), daß das Cabinet Carls V. ihm
eine große Züchtigung zugedacht hatte und daß es nicht
voraus berechnen konnte, wie weit ſeine unbezahlten Horden
in ihrem Eifer gehen würden. Die Werbung faſt ohne
Geld wäre in Deutſchland erfolglos geblieben, wenn man
nicht gewußt hätte, es gehe gegen Rom. Vielleicht finden
ſich noch irgendwo die ſchriftlichen eventuellen Aufträge an
Bourbon und zwar ſolche, die ziemlich gelinde lauten, aber
die Geſchichtforſchung wird ſich davon nicht bethören laſſen.
Der katholiſche König und Kaiſer verdankte es rein dem
Glücke, daß Papſt und Cardinäle nicht von ſeinen Leuten
ermordet wurden. Wäre dieß geſchehen, keine Sophiſtik
der Welt könnte ihn von der Mitſchuld losſprechen. Der
Mord zahlloſer geringern Leute und die Brandſchatzung der
Uebrigen mit Hülfe von Tortur und Menſchenhandel zeigen
deutlich genug, was beim „Sacco di Roma“ überhaupt
möglich war.
Die Verwü-
ſtung Roms.
1) Varchi, stor. fiorent. I, 43. 46, s.
2) Paul. Jovius: vita Pomp. Columnæ.
3) Ranke, Deutſche Geſchichte, II, 375 ff.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/135>, abgerufen am 25.11.2024.
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