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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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erscheinen. Oder war nicht bis jetzt von der Krone Spa-1. Abschnitt.
nien am ehesten ein dauernder Respect vor der Kirche zu
erwarten 1), während die italienischen Fürsten vielleicht nur
noch frevelhafte Gedanken gegen letztere hegten? -- WiePersönlichkeit.
dem aber sei, der mächtige originelle Mensch, der keinen
Zorn herunterschlucken konnte und kein wirkliches Wohl-
wollen verbarg, machte im Ganzen den für seine Lage höchst
wünschbaren Eindruck eines "Pontefice terribile". Er
konnte sogar wieder mit relativ gutem Gewissen die Beru-
fung eines Concils nach Rom wagen, womit dem Concils-
Geschrei der ganzen europäischen Opposition Trotz geboten
war. Ein solcher Herrscher bedurfte auch eines großartigen
äußern Symboles seiner Richtung; Julius fand dasselbe
im Neubau von St. Peter; die Anlage desselben, wie sie
Bramante wollte, ist vielleicht der größte Ausdruck aller
einheitlichen Macht überhaupt. Aber auch in den übrigen
Künsten lebt Andenken und Gestalt dieses Papstes im höch-
sten Sinne fort, und es ist nicht ohne Bedeutung, daß
selbst die lateinische Poesie jener Tage für Julius in andere
Flammen geräth als für seine Vorgänger. Der Einzug in
Bologna, am Ende des "Iter Julii secundi", von Cardi-
nal Adriano da Corneto, hat einen eigenen prachtvollen
Ton, und Giovan Antonio Flaminio hat in einer der
schönsten Elegien 2) den Patrioten im Papst um Schutz für
Italien angerufen.

1) Ob Julius wirklich gehofft hat, Ferdinand der Cath. werde sich von
ihm bestimmen lassen, die verdrängte aragonische Nebenlinie wieder
auf den Thron von Neapel zu setzen, bleibt trotz Giovio's Aussage
(Vita Alfonsi Ducis) sehr zweifelhaft.
2) Beide Gedichte z. B. bei Roscoe, Leone X, ed. Bossi IV, 257
und 297. -- Freilich als Julius im Aug. 1511 einmal in mehr-
stündiger Ohnmacht lag und für todt galt, wagten sogleich die un-
ruhigsten Köpfe aus den vornehmsten Familien -- Pompeo Colonna
und Antimo Savelli -- das "Volk" aufs Capitol zu rufen und
zur Abwerfung der päpstlichen Herrschaft anzufeuern, a vendicarsi

erſcheinen. Oder war nicht bis jetzt von der Krone Spa-1. Abſchnitt.
nien am eheſten ein dauernder Reſpect vor der Kirche zu
erwarten 1), während die italieniſchen Fürſten vielleicht nur
noch frevelhafte Gedanken gegen letztere hegten? — WiePerſönlichkeit.
dem aber ſei, der mächtige originelle Menſch, der keinen
Zorn herunterſchlucken konnte und kein wirkliches Wohl-
wollen verbarg, machte im Ganzen den für ſeine Lage höchſt
wünſchbaren Eindruck eines „Pontefice terribile“. Er
konnte ſogar wieder mit relativ gutem Gewiſſen die Beru-
fung eines Concils nach Rom wagen, womit dem Concils-
Geſchrei der ganzen europäiſchen Oppoſition Trotz geboten
war. Ein ſolcher Herrſcher bedurfte auch eines großartigen
äußern Symboles ſeiner Richtung; Julius fand daſſelbe
im Neubau von St. Peter; die Anlage deſſelben, wie ſie
Bramante wollte, iſt vielleicht der größte Ausdruck aller
einheitlichen Macht überhaupt. Aber auch in den übrigen
Künſten lebt Andenken und Geſtalt dieſes Papſtes im höch-
ſten Sinne fort, und es iſt nicht ohne Bedeutung, daß
ſelbſt die lateiniſche Poeſie jener Tage für Julius in andere
Flammen geräth als für ſeine Vorgänger. Der Einzug in
Bologna, am Ende des „Iter Julii secundi“, von Cardi-
nal Adriano da Corneto, hat einen eigenen prachtvollen
Ton, und Giovan Antonio Flaminio hat in einer der
ſchönſten Elegien 2) den Patrioten im Papſt um Schutz für
Italien angerufen.

1) Ob Julius wirklich gehofft hat, Ferdinand der Cath. werde ſich von
ihm beſtimmen laſſen, die verdrängte aragoniſche Nebenlinie wieder
auf den Thron von Neapel zu ſetzen, bleibt trotz Giovio's Ausſage
(Vita Alfonsi Ducis) ſehr zweifelhaft.
2) Beide Gedichte z. B. bei Roscoe, Leone X, ed. Bossi IV, 257
und 297. — Freilich als Julius im Aug. 1511 einmal in mehr-
ſtündiger Ohnmacht lag und für todt galt, wagten ſogleich die un-
ruhigſten Köpfe aus den vornehmſten Familien — Pompeo Colonna
und Antimo Savelli — das „Volk“ aufs Capitol zu rufen und
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[121/0131] erſcheinen. Oder war nicht bis jetzt von der Krone Spa- nien am eheſten ein dauernder Reſpect vor der Kirche zu erwarten 1), während die italieniſchen Fürſten vielleicht nur noch frevelhafte Gedanken gegen letztere hegten? — Wie dem aber ſei, der mächtige originelle Menſch, der keinen Zorn herunterſchlucken konnte und kein wirkliches Wohl- wollen verbarg, machte im Ganzen den für ſeine Lage höchſt wünſchbaren Eindruck eines „Pontefice terribile“. Er konnte ſogar wieder mit relativ gutem Gewiſſen die Beru- fung eines Concils nach Rom wagen, womit dem Concils- Geſchrei der ganzen europäiſchen Oppoſition Trotz geboten war. Ein ſolcher Herrſcher bedurfte auch eines großartigen äußern Symboles ſeiner Richtung; Julius fand daſſelbe im Neubau von St. Peter; die Anlage deſſelben, wie ſie Bramante wollte, iſt vielleicht der größte Ausdruck aller einheitlichen Macht überhaupt. Aber auch in den übrigen Künſten lebt Andenken und Geſtalt dieſes Papſtes im höch- ſten Sinne fort, und es iſt nicht ohne Bedeutung, daß ſelbſt die lateiniſche Poeſie jener Tage für Julius in andere Flammen geräth als für ſeine Vorgänger. Der Einzug in Bologna, am Ende des „Iter Julii secundi“, von Cardi- nal Adriano da Corneto, hat einen eigenen prachtvollen Ton, und Giovan Antonio Flaminio hat in einer der ſchönſten Elegien 2) den Patrioten im Papſt um Schutz für Italien angerufen. 1. Abſchnitt. Perſönlichkeit. 1) Ob Julius wirklich gehofft hat, Ferdinand der Cath. werde ſich von ihm beſtimmen laſſen, die verdrängte aragoniſche Nebenlinie wieder auf den Thron von Neapel zu ſetzen, bleibt trotz Giovio's Ausſage (Vita Alfonsi Ducis) ſehr zweifelhaft. 2) Beide Gedichte z. B. bei Roscoe, Leone X, ed. Bossi IV, 257 und 297. — Freilich als Julius im Aug. 1511 einmal in mehr- ſtündiger Ohnmacht lag und für todt galt, wagten ſogleich die un- ruhigſten Köpfe aus den vornehmſten Familien — Pompeo Colonna und Antimo Savelli — das „Volk“ aufs Capitol zu rufen und zur Abwerfung der päpſtlichen Herrſchaft anzufeuern, a vendicarsi

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/131>, abgerufen am 26.11.2024.