1. Abschnitt.die, welche die Barbaren gerufen, ein schlechtes Ende ge- nommen hätten.
Verbindungen mit den Türken.Offen und ohne alle Scheu setzte man sich im XV. Jahrhundert auch mit den Türken in Verbindung; es schien dieß ein Mittel politischer Wirkung wie ein anderes. Der Begriff einer solidarischen "abendländischen Christenheit" hatte schon im Verlauf der Kreuzzüge bisweilen bedenklich gewankt und Friedrich II. mochte demselben bereits ent- wachsen sein, allein das erneute Vordringen des Orientes, die Noth und der Untergang des griechischen Reiches hatte im Ganzen wieder die frühere Stimmung der Abendländer (wenn auch nicht ihren Eifer) erneuert. Hievon macht Italien eine durchgängige Ausnahme; so groß der Schrecken vor den Türken und die wirkliche Gefahr sein mochte, so Die Regierun- gen;ist doch kaum eine bedeutendere Regierung, welche nicht irgend einmal frevelhaft mit Mohammed II. und seinen Nachfolgern einverstanden gewesen wäre gegen andere ita- lienische Staaten. Und wo es nicht geschah, da traute es doch jeder dem andern zu -- es war noch immer nicht so schlimm als was z. B. die Venezianer dem Thronerben Alfons von Neapel Schuld gaben, daß er Leute geschickt habe, um die Cisternen von Venedig zu vergiften 1). Von einem Verbrecher wie Sigismondo Malatesta erwartete man nichts Besseres, als daß er die Türken nach Italien rufen möchte 2). Aber auch die Aragonesen von Neapel, welchen Mohammed -- angeblich von andern italienischen Regie-
1)Comines, Charles VIII. chap. 7. -- Wie Alfons im Kriege sei- nen Gegner bei einer Unterredung wegzufangen suchte erzählt Nan- tiporto, bei Murat. III, II, Col. 1073. Er ist der wahre Vor- läufer des Cesare Borgia.
2)Pii II. Commentarii X, p. 492. -- Was Galeazzo Maria von Mailand 1467 einem venezian. Agenten sagte, war wohl nur Prahlerei. Vgl. Malipiero, ann. veneti, archiv. stor. VII, I, p. 222. -- Ueber Boccalino s. S. 26.
1. Abſchnitt.die, welche die Barbaren gerufen, ein ſchlechtes Ende ge- nommen hätten.
Verbindungen mit den Türken.Offen und ohne alle Scheu ſetzte man ſich im XV. Jahrhundert auch mit den Türken in Verbindung; es ſchien dieß ein Mittel politiſcher Wirkung wie ein anderes. Der Begriff einer ſolidariſchen „abendländiſchen Chriſtenheit“ hatte ſchon im Verlauf der Kreuzzüge bisweilen bedenklich gewankt und Friedrich II. mochte demſelben bereits ent- wachſen ſein, allein das erneute Vordringen des Orientes, die Noth und der Untergang des griechiſchen Reiches hatte im Ganzen wieder die frühere Stimmung der Abendländer (wenn auch nicht ihren Eifer) erneuert. Hievon macht Italien eine durchgängige Ausnahme; ſo groß der Schrecken vor den Türken und die wirkliche Gefahr ſein mochte, ſo Die Regierun- gen;iſt doch kaum eine bedeutendere Regierung, welche nicht irgend einmal frevelhaft mit Mohammed II. und ſeinen Nachfolgern einverſtanden geweſen wäre gegen andere ita- lieniſche Staaten. Und wo es nicht geſchah, da traute es doch jeder dem andern zu — es war noch immer nicht ſo ſchlimm als was z. B. die Venezianer dem Thronerben Alfons von Neapel Schuld gaben, daß er Leute geſchickt habe, um die Ciſternen von Venedig zu vergiften 1). Von einem Verbrecher wie Sigismondo Malateſta erwartete man nichts Beſſeres, als daß er die Türken nach Italien rufen möchte 2). Aber auch die Aragoneſen von Neapel, welchen Mohammed — angeblich von andern italieniſchen Regie-
1)Comines, Charles VIII. chap. 7. — Wie Alfons im Kriege ſei- nen Gegner bei einer Unterredung wegzufangen ſuchte erzählt Nan- tiporto, bei Murat. III, II, Col. 1073. Er iſt der wahre Vor- läufer des Ceſare Borgia.
2)Pii II. Commentarii X, p. 492. — Was Galeazzo Maria von Mailand 1467 einem venezian. Agenten ſagte, war wohl nur Prahlerei. Vgl. Malipiero, ann. veneti, archiv. stor. VII, I, p. 222. — Ueber Boccalino ſ. S. 26.
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die, welche die Barbaren gerufen, ein ſchlechtes Ende ge-
nommen hätten.
1. Abſchnitt.
Offen und ohne alle Scheu ſetzte man ſich im XV.
Jahrhundert auch mit den Türken in Verbindung; es ſchien
dieß ein Mittel politiſcher Wirkung wie ein anderes. Der
Begriff einer ſolidariſchen „abendländiſchen Chriſtenheit“
hatte ſchon im Verlauf der Kreuzzüge bisweilen bedenklich
gewankt und Friedrich II. mochte demſelben bereits ent-
wachſen ſein, allein das erneute Vordringen des Orientes,
die Noth und der Untergang des griechiſchen Reiches hatte
im Ganzen wieder die frühere Stimmung der Abendländer
(wenn auch nicht ihren Eifer) erneuert. Hievon macht
Italien eine durchgängige Ausnahme; ſo groß der Schrecken
vor den Türken und die wirkliche Gefahr ſein mochte, ſo
iſt doch kaum eine bedeutendere Regierung, welche nicht
irgend einmal frevelhaft mit Mohammed II. und ſeinen
Nachfolgern einverſtanden geweſen wäre gegen andere ita-
lieniſche Staaten. Und wo es nicht geſchah, da traute es
doch jeder dem andern zu — es war noch immer nicht ſo
ſchlimm als was z. B. die Venezianer dem Thronerben
Alfons von Neapel Schuld gaben, daß er Leute geſchickt
habe, um die Ciſternen von Venedig zu vergiften 1). Von
einem Verbrecher wie Sigismondo Malateſta erwartete man
nichts Beſſeres, als daß er die Türken nach Italien rufen
möchte 2). Aber auch die Aragoneſen von Neapel, welchen
Mohammed — angeblich von andern italieniſchen Regie-
Verbindungen
mit den Türken.
Die Regierun-
gen;
1) Comines, Charles VIII. chap. 7. — Wie Alfons im Kriege ſei-
nen Gegner bei einer Unterredung wegzufangen ſuchte erzählt Nan-
tiporto, bei Murat. III, II, Col. 1073. Er iſt der wahre Vor-
läufer des Ceſare Borgia.
2) Pii II. Commentarii X, p. 492. — Was Galeazzo Maria von
Mailand 1467 einem venezian. Agenten ſagte, war wohl nur
Prahlerei. Vgl. Malipiero, ann. veneti, archiv. stor. VII, I,
p. 222. — Ueber Boccalino ſ. S. 26.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/104>, abgerufen am 24.11.2024.
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