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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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I. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht.
steht er allein da und hat keine Gleichberechtigten sich gegenüber;
seine Rechtsbeziehungen zu den Mitgliedern der staatlichen Ge-
meinschaft (wenn man von Rechtsbeziehungen reden kann) sind
nicht subjektive Rechtsverhältnisse, sondern Äußerungen des
objektiven Rechtes in konkreter Gestalt (vgl. oben S. 69). Als
Rechtssubjekt erscheint also der Staat nur da, wo er in dieser
Eigenschaft andern Rechtssubjekten gegenübertritt, und das ist
im Privatrecht1 (vgl. unten III. Teil).

Und außerdem im Völkerrecht. Auch hier tritt der eine Staat
andern gleichberechtigten gegenüber und auch hier kann sich der
Staat nicht als der Vertreter der objektiven überstaatlichen Ord-
nung ausgeben, sondern nur als einer der Rechtsunterworfenen,
die an dem durch diese Ordnung geregelten Verkehr teilnehmen.
Hier ist er nicht mehr die zur Verwirklichung des Rechtes ein-
gesetzte Einrichtung, sondern eine der zufällig gegebenen Per-
sonen, die ihm unterstellt sind und sich seines für ihre subjektiven
Interessen bedienen. Das ist später noch auszuführen.

4. Kapitel.
Die wohlerworbenen Rechte.

Wir sprachen vorhin (S. 61) von der Möglichkeit, einmal ge-
troffene Entscheidungen über Privatrechte oder Verwaltungsakte
nachträglich wegen sachlicher Unrichtigkeit abzuändern, und wir
sagten: Entscheidungen über Privatrechte und Privatrechte selbst
sind notwendig unabänderlich, Verfügungen in Anwendung öffent-
lichen Rechts dagegen sind nicht begrifflich unabänderlich; die

1 Es ist schon oft bemerkt worden, daß das Privatrecht das Gebiet
der subjektiven Rechte ist. "Das Charakteristische der zivilistischen Rechts-
anschauung liegt in der Gegenüberstellung von objektivem und subjektivem
Recht." Das "Recht" löst sich auf in "Rechte". Spiegel, Die Verwal-
tungsrechtswissenschaft (Leipzig 1909) 149. Von subjektiven Rechten des
Staates im öffentlichen Recht zu sprechen, sei nicht am Platze. Alle diese
Sätze hätten nur dekorativen Wert. In der Tat, sonst hätte ja der Ver-
brecher das Verdienst, den Staat um einen subjektiven (vielleicht recht wert-
vollen) Strafanspruch bereichert zu haben! Aber auch die subjektiven
Rechte der einzelnen gegenüber dem Staat haben im öffentlichen Recht nur
dekorativen Wert, eine Dekoration, die allerdings mitunter die Wahrheit
verhüllt. Vgl. W. Burckhardt, Kommentar der Bundesverfassung, 2. A.,
32. Das subjektive Recht hat im öffentlichen Rechte überhaupt keinen Platz.

I. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht.
steht er allein da und hat keine Gleichberechtigten sich gegenüber;
seine Rechtsbeziehungen zu den Mitgliedern der staatlichen Ge-
meinschaft (wenn man von Rechtsbeziehungen reden kann) sind
nicht subjektive Rechtsverhältnisse, sondern Äußerungen des
objektiven Rechtes in konkreter Gestalt (vgl. oben S. 69). Als
Rechtssubjekt erscheint also der Staat nur da, wo er in dieser
Eigenschaft andern Rechtssubjekten gegenübertritt, und das ist
im Privatrecht1 (vgl. unten III. Teil).

Und außerdem im Völkerrecht. Auch hier tritt der eine Staat
andern gleichberechtigten gegenüber und auch hier kann sich der
Staat nicht als der Vertreter der objektiven überstaatlichen Ord-
nung ausgeben, sondern nur als einer der Rechtsunterworfenen,
die an dem durch diese Ordnung geregelten Verkehr teilnehmen.
Hier ist er nicht mehr die zur Verwirklichung des Rechtes ein-
gesetzte Einrichtung, sondern eine der zufällig gegebenen Per-
sonen, die ihm unterstellt sind und sich seines für ihre subjektiven
Interessen bedienen. Das ist später noch auszuführen.

4. Kapitel.
Die wohlerworbenen Rechte.

Wir sprachen vorhin (S. 61) von der Möglichkeit, einmal ge-
troffene Entscheidungen über Privatrechte oder Verwaltungsakte
nachträglich wegen sachlicher Unrichtigkeit abzuändern, und wir
sagten: Entscheidungen über Privatrechte und Privatrechte selbst
sind notwendig unabänderlich, Verfügungen in Anwendung öffent-
lichen Rechts dagegen sind nicht begrifflich unabänderlich; die

1 Es ist schon oft bemerkt worden, daß das Privatrecht das Gebiet
der subjektiven Rechte ist. „Das Charakteristische der zivilistischen Rechts-
anschauung liegt in der Gegenüberstellung von objektivem und subjektivem
Recht.“ Das „Recht“ löst sich auf in „Rechte“. Spiegel, Die Verwal-
tungsrechtswissenschaft (Leipzig 1909) 149. Von subjektiven Rechten des
Staates im öffentlichen Recht zu sprechen, sei nicht am Platze. Alle diese
Sätze hätten nur dekorativen Wert. In der Tat, sonst hätte ja der Ver-
brecher das Verdienst, den Staat um einen subjektiven (vielleicht recht wert-
vollen) Strafanspruch bereichert zu haben! Aber auch die subjektiven
Rechte der einzelnen gegenüber dem Staat haben im öffentlichen Recht nur
dekorativen Wert, eine Dekoration, die allerdings mitunter die Wahrheit
verhüllt. Vgl. W. Burckhardt, Kommentar der Bundesverfassung, 2. A.,
32. Das subjektive Recht hat im öffentlichen Rechte überhaupt keinen Platz.
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[84/0099] I. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht. steht er allein da und hat keine Gleichberechtigten sich gegenüber; seine Rechtsbeziehungen zu den Mitgliedern der staatlichen Ge- meinschaft (wenn man von Rechtsbeziehungen reden kann) sind nicht subjektive Rechtsverhältnisse, sondern Äußerungen des objektiven Rechtes in konkreter Gestalt (vgl. oben S. 69). Als Rechtssubjekt erscheint also der Staat nur da, wo er in dieser Eigenschaft andern Rechtssubjekten gegenübertritt, und das ist im Privatrecht 1 (vgl. unten III. Teil). Und außerdem im Völkerrecht. Auch hier tritt der eine Staat andern gleichberechtigten gegenüber und auch hier kann sich der Staat nicht als der Vertreter der objektiven überstaatlichen Ord- nung ausgeben, sondern nur als einer der Rechtsunterworfenen, die an dem durch diese Ordnung geregelten Verkehr teilnehmen. Hier ist er nicht mehr die zur Verwirklichung des Rechtes ein- gesetzte Einrichtung, sondern eine der zufällig gegebenen Per- sonen, die ihm unterstellt sind und sich seines für ihre subjektiven Interessen bedienen. Das ist später noch auszuführen. 4. Kapitel. Die wohlerworbenen Rechte. Wir sprachen vorhin (S. 61) von der Möglichkeit, einmal ge- troffene Entscheidungen über Privatrechte oder Verwaltungsakte nachträglich wegen sachlicher Unrichtigkeit abzuändern, und wir sagten: Entscheidungen über Privatrechte und Privatrechte selbst sind notwendig unabänderlich, Verfügungen in Anwendung öffent- lichen Rechts dagegen sind nicht begrifflich unabänderlich; die 1 Es ist schon oft bemerkt worden, daß das Privatrecht das Gebiet der subjektiven Rechte ist. „Das Charakteristische der zivilistischen Rechts- anschauung liegt in der Gegenüberstellung von objektivem und subjektivem Recht.“ Das „Recht“ löst sich auf in „Rechte“. Spiegel, Die Verwal- tungsrechtswissenschaft (Leipzig 1909) 149. Von subjektiven Rechten des Staates im öffentlichen Recht zu sprechen, sei nicht am Platze. Alle diese Sätze hätten nur dekorativen Wert. In der Tat, sonst hätte ja der Ver- brecher das Verdienst, den Staat um einen subjektiven (vielleicht recht wert- vollen) Strafanspruch bereichert zu haben! Aber auch die subjektiven Rechte der einzelnen gegenüber dem Staat haben im öffentlichen Recht nur dekorativen Wert, eine Dekoration, die allerdings mitunter die Wahrheit verhüllt. Vgl. W. Burckhardt, Kommentar der Bundesverfassung, 2. A., 32. Das subjektive Recht hat im öffentlichen Rechte überhaupt keinen Platz.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/99>, abgerufen am 24.11.2024.