Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.Rechtsgeschäfte des privaten und des öffentlichen Rechts. gründung) des Verwaltungsaktes, woran vielleicht der Doppelsinndes Wortes motif schuld ist. Wenn wir von der Frage absehen, ob die Verfügung eine rechtliche Begründung enthalten muß, was nur die Form betrifft, so bleibt immer bedeutsam die sachliche Richtigkeit des Aktes, und sie allein, nicht aber die persönlichen Beweggründe des Beamten, denen ja auch nicht ernsthaft nachge- forscht werden darf. Das bekannte Beispiel des polizeilichen Ver- botes der Zündhölzchenfabriken zeigt das deutlich: wenn die private Fabrikation nicht polizeiwidrig war, durfte sie selbst- verständlich nicht polizeilich verboten werden, lediglich damit der Staat die Fabrikation nicht zu expropriieren brauche; aber wenn sie polizeiwidrig gewesen wäre, hätte sie etwa nicht verboten werden dürfen, wenn der Beamte tatsächlich nicht aus Liebe zur öffentlichen Sicherheit gehandelt hätte, sondern aus Liebe zum Fiskus? Doch wohl nicht1. Der Gesetzgeber muß selbstverständlich dafür sorgen, daß 1 Der französische Staatsrat hat denn auch stets viel mehr die Sache sprechen lassen als die Person des Beamten (der gar nicht einvernommen werden darf); und noch folgerichtiger das Bundesgericht in der Anwendung des Art. 4 BV. Vgl. Michoud, a. a. O. 94 ff., auch Tezner, im Jahrbuch des öffentlichen Rechts (1911) 116. Andersen a. a. O. 240. 2 Alcindor, Des differentes especes de nullite des actes administratifs.
These (Paris 1912) 57: "Les formalites a la suite desquelles les actes ad- ministratifs sont pris contribuent a en assurer l'edification, si bien que le recours pour inobservation des formes tient un peu la place de l'action pour nullite par erreur. ". A. betont mit Recht fortwährend den Gegensatz des Verwaltungsaktes zum bürgerlichen Rechtsgesetz; von der " allgemeinen Theorie der Nichtigkeiten" läßt er allerdings nichts übrig. . . . Vernünftiger- weise: die inkorrekten Verwaltungsakte sind "inexistants" bei "violation flagrante" des Gesetzes (29, 41); sie können nichtig erklärt werden, wenn diese Folge "im Verhältnis" zur Nichtigkeit der vernachlässigten Form steht (42). Rechtsgeschäfte des privaten und des öffentlichen Rechts. gründung) des Verwaltungsaktes, woran vielleicht der Doppelsinndes Wortes motif schuld ist. Wenn wir von der Frage absehen, ob die Verfügung eine rechtliche Begründung enthalten muß, was nur die Form betrifft, so bleibt immer bedeutsam die sachliche Richtigkeit des Aktes, und sie allein, nicht aber die persönlichen Beweggründe des Beamten, denen ja auch nicht ernsthaft nachge- forscht werden darf. Das bekannte Beispiel des polizeilichen Ver- botes der Zündhölzchenfabriken zeigt das deutlich: wenn die private Fabrikation nicht polizeiwidrig war, durfte sie selbst- verständlich nicht polizeilich verboten werden, lediglich damit der Staat die Fabrikation nicht zu expropriieren brauche; aber wenn sie polizeiwidrig gewesen wäre, hätte sie etwa nicht verboten werden dürfen, wenn der Beamte tatsächlich nicht aus Liebe zur öffentlichen Sicherheit gehandelt hätte, sondern aus Liebe zum Fiskus? Doch wohl nicht1. Der Gesetzgeber muß selbstverständlich dafür sorgen, daß 1 Der französische Staatsrat hat denn auch stets viel mehr die Sache sprechen lassen als die Person des Beamten (der gar nicht einvernommen werden darf); und noch folgerichtiger das Bundesgericht in der Anwendung des Art. 4 BV. Vgl. Michoud, a. a. O. 94 ff., auch Tezner, im Jahrbuch des öffentlichen Rechts (1911) 116. Andersen a. a. O. 240. 2 Alcindor, Des différentes espèces de nullité des actes administratifs.
Thèse (Paris 1912) 57: „Les formalités à la suite desquelles les actes ad- ministratifs sont pris contribuent à en assurer l'édification, si bien que le recours pour inobservation des formes tient un peu la place de l'action pour nullité par erreur. “. A. betont mit Recht fortwährend den Gegensatz des Verwaltungsaktes zum bürgerlichen Rechtsgesetz; von der „ allgemeinen Theorie der Nichtigkeiten“ läßt er allerdings nichts übrig. . . . Vernünftiger- weise: die inkorrekten Verwaltungsakte sind „inexistants“ bei „violation flagrante“ des Gesetzes (29, 41); sie können nichtig erklärt werden, wenn diese Folge „im Verhältnis“ zur Nichtigkeit der vernachlässigten Form steht (42). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0068" n="53"/><fw place="top" type="header">Rechtsgeschäfte des privaten und des öffentlichen Rechts.</fw><lb/> gründung) des Verwaltungsaktes, woran vielleicht der Doppelsinn<lb/> des Wortes motif schuld ist. Wenn wir von der Frage absehen,<lb/> ob die Verfügung eine rechtliche Begründung enthalten muß,<lb/> was nur die Form betrifft, so bleibt immer bedeutsam die sachliche<lb/> Richtigkeit des Aktes, und sie allein, nicht aber die persönlichen<lb/> Beweggründe des Beamten, denen ja auch nicht ernsthaft nachge-<lb/> forscht werden darf. Das bekannte Beispiel des polizeilichen Ver-<lb/> botes der Zündhölzchenfabriken zeigt das deutlich: wenn die<lb/> private Fabrikation nicht polizeiwidrig war, durfte sie selbst-<lb/> verständlich nicht polizeilich verboten werden, lediglich damit der<lb/> Staat die Fabrikation nicht zu expropriieren brauche; aber wenn<lb/> sie polizeiwidrig gewesen wäre, hätte sie etwa nicht verboten<lb/> werden dürfen, wenn der Beamte tatsächlich nicht aus Liebe<lb/> zur öffentlichen Sicherheit gehandelt hätte, sondern aus Liebe<lb/> zum Fiskus? Doch wohl nicht<note place="foot" n="1">Der französische Staatsrat hat denn auch stets viel mehr die Sache<lb/> sprechen lassen als die Person des Beamten (der gar nicht einvernommen<lb/> werden darf); und noch folgerichtiger das Bundesgericht in der Anwendung<lb/> des Art. 4 BV. Vgl. <hi rendition="#g">Michoud,</hi> a. a. O. 94 ff., auch <hi rendition="#g">Tezner,</hi> im Jahrbuch<lb/> des öffentlichen Rechts (1911) 116. <hi rendition="#g">Andersen</hi> a. a. O. 240.</note>.</p><lb/> <p>Der Gesetzgeber muß selbstverständlich dafür sorgen, daß<lb/> die Menschen, welche in amtlicher Eigenschaft die Rechtsordnung<lb/> verwirklichen sollen, möglichst hellen Verstand und reinen Willen<lb/> haben; aber er kann nur formelle Garantien dafür schaffen. Wenn<lb/> diese Formen erfüllt sind, kann nicht weiter untersucht werden,<lb/> ob der Beamte das Gesetz begriffen hatte und wirklich anwenden<lb/> wollte; die Sorge um die Zuverlässigkeit des „Geschäftswillens“<lb/> des handelnden Beamten löst sich im öffentlichen Recht auf in<lb/> mehr oder weniger weitgehende Formalvorschriften, d. h. Vor-<lb/> schriften auf ein äußerlich kontrollierbares Verhalten<note place="foot" n="2"><hi rendition="#g">Alcindor,</hi> Des différentes espèces de nullité des actes administratifs.<lb/> Thèse (Paris 1912) 57: „Les formalités à la suite desquelles les actes ad-<lb/> ministratifs sont pris contribuent à en assurer l'édification, si bien que le<lb/> recours pour inobservation des formes tient un peu la place de l'action pour<lb/> nullité par erreur. “. A. betont mit Recht fortwährend den <hi rendition="#g">Gegensatz</hi> des<lb/> Verwaltungsaktes zum bürgerlichen Rechtsgesetz; von der „ allgemeinen<lb/> Theorie der Nichtigkeiten“ läßt er allerdings nichts übrig. . . . Vernünftiger-<lb/> weise: die inkorrekten Verwaltungsakte sind „inexistants“ bei „violation<lb/> flagrante“ des Gesetzes (29, 41); sie können nichtig <hi rendition="#g">erklärt</hi> werden, wenn diese<lb/> Folge „im Verhältnis“ zur Nichtigkeit der vernachlässigten Form steht (42).</note>. Sind die<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [53/0068]
Rechtsgeschäfte des privaten und des öffentlichen Rechts.
gründung) des Verwaltungsaktes, woran vielleicht der Doppelsinn
des Wortes motif schuld ist. Wenn wir von der Frage absehen,
ob die Verfügung eine rechtliche Begründung enthalten muß,
was nur die Form betrifft, so bleibt immer bedeutsam die sachliche
Richtigkeit des Aktes, und sie allein, nicht aber die persönlichen
Beweggründe des Beamten, denen ja auch nicht ernsthaft nachge-
forscht werden darf. Das bekannte Beispiel des polizeilichen Ver-
botes der Zündhölzchenfabriken zeigt das deutlich: wenn die
private Fabrikation nicht polizeiwidrig war, durfte sie selbst-
verständlich nicht polizeilich verboten werden, lediglich damit der
Staat die Fabrikation nicht zu expropriieren brauche; aber wenn
sie polizeiwidrig gewesen wäre, hätte sie etwa nicht verboten
werden dürfen, wenn der Beamte tatsächlich nicht aus Liebe
zur öffentlichen Sicherheit gehandelt hätte, sondern aus Liebe
zum Fiskus? Doch wohl nicht 1.
Der Gesetzgeber muß selbstverständlich dafür sorgen, daß
die Menschen, welche in amtlicher Eigenschaft die Rechtsordnung
verwirklichen sollen, möglichst hellen Verstand und reinen Willen
haben; aber er kann nur formelle Garantien dafür schaffen. Wenn
diese Formen erfüllt sind, kann nicht weiter untersucht werden,
ob der Beamte das Gesetz begriffen hatte und wirklich anwenden
wollte; die Sorge um die Zuverlässigkeit des „Geschäftswillens“
des handelnden Beamten löst sich im öffentlichen Recht auf in
mehr oder weniger weitgehende Formalvorschriften, d. h. Vor-
schriften auf ein äußerlich kontrollierbares Verhalten 2. Sind die
1 Der französische Staatsrat hat denn auch stets viel mehr die Sache
sprechen lassen als die Person des Beamten (der gar nicht einvernommen
werden darf); und noch folgerichtiger das Bundesgericht in der Anwendung
des Art. 4 BV. Vgl. Michoud, a. a. O. 94 ff., auch Tezner, im Jahrbuch
des öffentlichen Rechts (1911) 116. Andersen a. a. O. 240.
2 Alcindor, Des différentes espèces de nullité des actes administratifs.
Thèse (Paris 1912) 57: „Les formalités à la suite desquelles les actes ad-
ministratifs sont pris contribuent à en assurer l'édification, si bien que le
recours pour inobservation des formes tient un peu la place de l'action pour
nullité par erreur. “. A. betont mit Recht fortwährend den Gegensatz des
Verwaltungsaktes zum bürgerlichen Rechtsgesetz; von der „ allgemeinen
Theorie der Nichtigkeiten“ läßt er allerdings nichts übrig. . . . Vernünftiger-
weise: die inkorrekten Verwaltungsakte sind „inexistants“ bei „violation
flagrante“ des Gesetzes (29, 41); sie können nichtig erklärt werden, wenn diese
Folge „im Verhältnis“ zur Nichtigkeit der vernachlässigten Form steht (42).
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