Öffentlich-rechtlich ist also die primäre Bestimmung des Inhaltes des Eigentums; privatrechtlich die weiteren Beschrän- kungen der Ausübung dieses Rechts im Verhältnis zu und im Interesse von anderen Eigentümern.
Privatrechtlich ist aber auch die Ordnung der zweiten der oben erwähnten Fragen: der Frage, wem jeweilen dieses Recht zusteht. Auch hier sind öffentlich-rechtliche Beschränkungen möglich: nicht nur können juristische Personen durch zwingende Vorschriften (gegen Vermögensanhäufung in toter Hand) in der Fähigkeit, Eigentum zu haben, beschränkt sein; auch natür- liche Personen kann eine solche Beschränkung (z. B. durch Agrar- reformen) treffen. Aber, wenn überhaupt Privateigentum anerkannt wird, und soweit es positivrechtlich anerkannt wird, muß auch, in gewissen Schranken, die Freiheit rechtsgeschäftlicher Ver- fügung anerkannt sein. Denn darin besteht das Wesen des Privat- eigentums, daß der Eigentümer (zugunsten anderer) auf sein Recht verzichten, darüber rechtsgeschäftlich verfügen kann. Allerdings enthält auch dieser Teil des Sachenrechts notwendig zwingende Normen: die Regeln nämlich, welche die Formen des rechtsgeschäftlichen Verkehres aufstellen; wie man gültig eine Sache veräußern, verpfänden, belasten, zusammenlegen oder teilen kann, ist notwendig Gegenstand zwingender, also öffent- lich-rechtlicher Vorschriften, gleich wie die Formen der Rechts- geschäfte überhaupt (oben S. 25). Privatrechtlich sind aber die Normen, nach denen sich entscheidet, wer jeweilen als Eigentümer zu betrachten sei. Diese Frage scheint allerdings schon durch die Anerkennung rechtsgeschäftlicher Verfügung entschieden zu sein: wenn das Gesetz erklärt, daß der A seine Sache (in bestimmter Form) gültig dem B verkaufen kann, so ist damit auch gesagt, so scheint es, daß der B Eigentümer wird und als solcher anzuerkennen ist. Allein hier ist zu unterscheiden: das Gesetz kann den Kauf-
tuation de droit objectif, une situation legale" nennen; oder mit Jeze, Les principes generaux du droit administratif, 3. A., II, "des situations juridiques generales, impersonnelles, objectives"; aber man muß sich darüber klar bleiben, daß diese Rechtslage zu einem Teil primär, durch öffentliches, zu einem andern Teil sekundär, durch privates Recht bestimmt wird und daß sich beides nur auf den Inhalt, nicht auf die Zuständigkeit des Rechts bezieht.
Zwingendes und nichtzwingendes Recht.
Öffentlich-rechtlich ist also die primäre Bestimmung des Inhaltes des Eigentums; privatrechtlich die weiteren Beschrän- kungen der Ausübung dieses Rechts im Verhältnis zu und im Interesse von anderen Eigentümern.
Privatrechtlich ist aber auch die Ordnung der zweiten der oben erwähnten Fragen: der Frage, wem jeweilen dieses Recht zusteht. Auch hier sind öffentlich-rechtliche Beschränkungen möglich: nicht nur können juristische Personen durch zwingende Vorschriften (gegen Vermögensanhäufung in toter Hand) in der Fähigkeit, Eigentum zu haben, beschränkt sein; auch natür- liche Personen kann eine solche Beschränkung (z. B. durch Agrar- reformen) treffen. Aber, wenn überhaupt Privateigentum anerkannt wird, und soweit es positivrechtlich anerkannt wird, muß auch, in gewissen Schranken, die Freiheit rechtsgeschäftlicher Ver- fügung anerkannt sein. Denn darin besteht das Wesen des Privat- eigentums, daß der Eigentümer (zugunsten anderer) auf sein Recht verzichten, darüber rechtsgeschäftlich verfügen kann. Allerdings enthält auch dieser Teil des Sachenrechts notwendig zwingende Normen: die Regeln nämlich, welche die Formen des rechtsgeschäftlichen Verkehres aufstellen; wie man gültig eine Sache veräußern, verpfänden, belasten, zusammenlegen oder teilen kann, ist notwendig Gegenstand zwingender, also öffent- lich-rechtlicher Vorschriften, gleich wie die Formen der Rechts- geschäfte überhaupt (oben S. 25). Privatrechtlich sind aber die Normen, nach denen sich entscheidet, wer jeweilen als Eigentümer zu betrachten sei. Diese Frage scheint allerdings schon durch die Anerkennung rechtsgeschäftlicher Verfügung entschieden zu sein: wenn das Gesetz erklärt, daß der A seine Sache (in bestimmter Form) gültig dem B verkaufen kann, so ist damit auch gesagt, so scheint es, daß der B Eigentümer wird und als solcher anzuerkennen ist. Allein hier ist zu unterscheiden: das Gesetz kann den Kauf-
tuation de droit objectif, une situation légale“ nennen; oder mit Jèze, Les principes généraux du droit administratif, 3. A., II, „des situations juridiques générales, impersonnelles, objectives“; aber man muß sich darüber klar bleiben, daß diese Rechtslage zu einem Teil primär, durch öffentliches, zu einem andern Teil sekundär, durch privates Recht bestimmt wird und daß sich beides nur auf den Inhalt, nicht auf die Zuständigkeit des Rechts bezieht.
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Zwingendes und nichtzwingendes Recht.
Öffentlich-rechtlich ist also die primäre Bestimmung des
Inhaltes des Eigentums; privatrechtlich die weiteren Beschrän-
kungen der Ausübung dieses Rechts im Verhältnis zu und im
Interesse von anderen Eigentümern.
Privatrechtlich ist aber auch die Ordnung der zweiten der
oben erwähnten Fragen: der Frage, wem jeweilen dieses Recht
zusteht. Auch hier sind öffentlich-rechtliche Beschränkungen
möglich: nicht nur können juristische Personen durch zwingende
Vorschriften (gegen Vermögensanhäufung in toter Hand) in der
Fähigkeit, Eigentum zu haben, beschränkt sein; auch natür-
liche Personen kann eine solche Beschränkung (z. B. durch Agrar-
reformen) treffen. Aber, wenn überhaupt Privateigentum anerkannt
wird, und soweit es positivrechtlich anerkannt wird, muß auch,
in gewissen Schranken, die Freiheit rechtsgeschäftlicher Ver-
fügung anerkannt sein. Denn darin besteht das Wesen des Privat-
eigentums, daß der Eigentümer (zugunsten anderer) auf sein
Recht verzichten, darüber rechtsgeschäftlich verfügen kann.
Allerdings enthält auch dieser Teil des Sachenrechts notwendig
zwingende Normen: die Regeln nämlich, welche die Formen des
rechtsgeschäftlichen Verkehres aufstellen; wie man gültig eine
Sache veräußern, verpfänden, belasten, zusammenlegen oder
teilen kann, ist notwendig Gegenstand zwingender, also öffent-
lich-rechtlicher Vorschriften, gleich wie die Formen der Rechts-
geschäfte überhaupt (oben S. 25). Privatrechtlich sind aber die
Normen, nach denen sich entscheidet, wer jeweilen als Eigentümer
zu betrachten sei. Diese Frage scheint allerdings schon durch die
Anerkennung rechtsgeschäftlicher Verfügung entschieden zu sein:
wenn das Gesetz erklärt, daß der A seine Sache (in bestimmter
Form) gültig dem B verkaufen kann, so ist damit auch gesagt, so
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ist. Allein hier ist zu unterscheiden: das Gesetz kann den Kauf-
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1 tuation de droit objectif, une situation légale“ nennen; oder mit Jèze,
Les principes généraux du droit administratif, 3. A., II, „des situations
juridiques générales, impersonnelles, objectives“; aber man muß sich darüber
klar bleiben, daß diese Rechtslage zu einem Teil primär, durch öffentliches,
zu einem andern Teil sekundär, durch privates Recht bestimmt wird und
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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/50>, abgerufen am 17.02.2025.
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