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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
im Grundsatz nie ganz überwunden werden wird. Denn jede
Rechtsordnung muß in ihren Begriffen reden; allgemeingültig
sind nur die Begriffe die mit jedem Recht gegeben sind, also die-
jenigen, welche aus dem Rechtsbegriffe selbst abgeleitet werden
können. Sie sind notwendigerweise in jeder Rechtsordnung (die
auf Folgerichtigkeit hält) gleich. Alle anderen aber können von
Rechtsordnung zu Rechtsordnung wechseln. Es soll hier nicht
untersucht werden, welches jene allgemeingültigen, rein formalen
Rechtsbegriffe sind1. Es genügt festzustellen, daß man mit ihnen
keine vollständige positive Rechtsordnung aufbauen kann2, daß
jedes positive Recht vielmehr auch noch andere Begriffe verwenden
muß, die nicht allgemeingültig sind. Und wenn jeder Staat seine
Rechtsordnung hat, über diesen staatlichen Ordnungen aber noch
eine selbständige völkerrechtliche Ordnung stehen soll, so besteht
keine Garantie, daß diese Rechtsordnungen alle dieselbe begriffliche
Sprache reden; ja, es ist sehr wahrscheinlich, daß sie eine ver-
schiedene reden; und da keine für die andere maßgebend ist,
besteht, grundsätzlich auch keine Sicherheit begrifflicher Ver-
ständigung; es besteht vielmehr die Gefahr einer babylonischen
Begriffsverwirrung.

Wenn z. B. ein Plan gemeinsamer Abwehrmaßregeln gegen
die Cholera aufgestellt werden soll, so wird man eine Anzahl für
die beteiligten Staaten verbindlicher Regeln aufstellen, wie über
die Anzeige verdächtiger Fälle durch Beteiligte und Ärzte und
über die Eingrenzung offener Krankheitsherde. Wenn aber nicht
alle Staaten, und damit muß man rechnen, die Anzeigepflicht
gleich definiert und geordnet haben, so wird man in den verschie-
denen Staaten unter "Anzeige" Verschiedenes verstehen; es kann
die Mitteilung an die Gemeinde oder an die Bezirksgemeinde
sein, die Mitteilung an die Gesundheits- oder an die Polizeibehörde,
unter Strafandrohung oder ohne solche. Jeder Staat wird also
seine internationale Pflicht in der Begriffssprache seiner eigenen
Gesetzgebung lesen und unter Anzeige etwas anderes verstehen.

1 Stammler, Theorie der Rechtswissenschaft (1911) 180 ff.; ob diese
Grundbegriffe hier durchweg richtig bestimmt sind, ist eine andere Frage.
2 Sie bezeichnen bloß gewisse, von jeder Rechtsordnung zu beant-
wortende Fragen, sie geben nicht die Antwort darauf. Vgl. "Der Vertrag"
S. 21 f; oben S. 24.

III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
im Grundsatz nie ganz überwunden werden wird. Denn jede
Rechtsordnung muß in ihren Begriffen reden; allgemeingültig
sind nur die Begriffe die mit jedem Recht gegeben sind, also die-
jenigen, welche aus dem Rechtsbegriffe selbst abgeleitet werden
können. Sie sind notwendigerweise in jeder Rechtsordnung (die
auf Folgerichtigkeit hält) gleich. Alle anderen aber können von
Rechtsordnung zu Rechtsordnung wechseln. Es soll hier nicht
untersucht werden, welches jene allgemeingültigen, rein formalen
Rechtsbegriffe sind1. Es genügt festzustellen, daß man mit ihnen
keine vollständige positive Rechtsordnung aufbauen kann2, daß
jedes positive Recht vielmehr auch noch andere Begriffe verwenden
muß, die nicht allgemeingültig sind. Und wenn jeder Staat seine
Rechtsordnung hat, über diesen staatlichen Ordnungen aber noch
eine selbständige völkerrechtliche Ordnung stehen soll, so besteht
keine Garantie, daß diese Rechtsordnungen alle dieselbe begriffliche
Sprache reden; ja, es ist sehr wahrscheinlich, daß sie eine ver-
schiedene reden; und da keine für die andere maßgebend ist,
besteht, grundsätzlich auch keine Sicherheit begrifflicher Ver-
ständigung; es besteht vielmehr die Gefahr einer babylonischen
Begriffsverwirrung.

Wenn z. B. ein Plan gemeinsamer Abwehrmaßregeln gegen
die Cholera aufgestellt werden soll, so wird man eine Anzahl für
die beteiligten Staaten verbindlicher Regeln aufstellen, wie über
die Anzeige verdächtiger Fälle durch Beteiligte und Ärzte und
über die Eingrenzung offener Krankheitsherde. Wenn aber nicht
alle Staaten, und damit muß man rechnen, die Anzeigepflicht
gleich definiert und geordnet haben, so wird man in den verschie-
denen Staaten unter „Anzeige“ Verschiedenes verstehen; es kann
die Mitteilung an die Gemeinde oder an die Bezirksgemeinde
sein, die Mitteilung an die Gesundheits- oder an die Polizeibehörde,
unter Strafandrohung oder ohne solche. Jeder Staat wird also
seine internationale Pflicht in der Begriffssprache seiner eigenen
Gesetzgebung lesen und unter Anzeige etwas anderes verstehen.

1 Stammler, Theorie der Rechtswissenschaft (1911) 180 ff.; ob diese
Grundbegriffe hier durchweg richtig bestimmt sind, ist eine andere Frage.
2 Sie bezeichnen bloß gewisse, von jeder Rechtsordnung zu beant-
wortende Fragen, sie geben nicht die Antwort darauf. Vgl. „Der Vertrag“
S. 21 f; oben S. 24.
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[408/0423] III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung. im Grundsatz nie ganz überwunden werden wird. Denn jede Rechtsordnung muß in ihren Begriffen reden; allgemeingültig sind nur die Begriffe die mit jedem Recht gegeben sind, also die- jenigen, welche aus dem Rechtsbegriffe selbst abgeleitet werden können. Sie sind notwendigerweise in jeder Rechtsordnung (die auf Folgerichtigkeit hält) gleich. Alle anderen aber können von Rechtsordnung zu Rechtsordnung wechseln. Es soll hier nicht untersucht werden, welches jene allgemeingültigen, rein formalen Rechtsbegriffe sind 1. Es genügt festzustellen, daß man mit ihnen keine vollständige positive Rechtsordnung aufbauen kann 2, daß jedes positive Recht vielmehr auch noch andere Begriffe verwenden muß, die nicht allgemeingültig sind. Und wenn jeder Staat seine Rechtsordnung hat, über diesen staatlichen Ordnungen aber noch eine selbständige völkerrechtliche Ordnung stehen soll, so besteht keine Garantie, daß diese Rechtsordnungen alle dieselbe begriffliche Sprache reden; ja, es ist sehr wahrscheinlich, daß sie eine ver- schiedene reden; und da keine für die andere maßgebend ist, besteht, grundsätzlich auch keine Sicherheit begrifflicher Ver- ständigung; es besteht vielmehr die Gefahr einer babylonischen Begriffsverwirrung. Wenn z. B. ein Plan gemeinsamer Abwehrmaßregeln gegen die Cholera aufgestellt werden soll, so wird man eine Anzahl für die beteiligten Staaten verbindlicher Regeln aufstellen, wie über die Anzeige verdächtiger Fälle durch Beteiligte und Ärzte und über die Eingrenzung offener Krankheitsherde. Wenn aber nicht alle Staaten, und damit muß man rechnen, die Anzeigepflicht gleich definiert und geordnet haben, so wird man in den verschie- denen Staaten unter „Anzeige“ Verschiedenes verstehen; es kann die Mitteilung an die Gemeinde oder an die Bezirksgemeinde sein, die Mitteilung an die Gesundheits- oder an die Polizeibehörde, unter Strafandrohung oder ohne solche. Jeder Staat wird also seine internationale Pflicht in der Begriffssprache seiner eigenen Gesetzgebung lesen und unter Anzeige etwas anderes verstehen. 1 Stammler, Theorie der Rechtswissenschaft (1911) 180 ff.; ob diese Grundbegriffe hier durchweg richtig bestimmt sind, ist eine andere Frage. 2 Sie bezeichnen bloß gewisse, von jeder Rechtsordnung zu beant- wortende Fragen, sie geben nicht die Antwort darauf. Vgl. „Der Vertrag“ S. 21 f; oben S. 24.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/423>, abgerufen am 22.11.2024.