Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
wieder anderswo eine staatliche Gemeinschaft bildete1. Der Staat
kann nicht umziehen, wie Kjellen2 sagt.

Und grundsätzlich berührt jede Gebietsänderung die recht-
liche Individualität des Staates mehr oder weniger3. Das Gebiet
macht die völkerrechtliche Individualität des Staates aus.

2. Kapitel.
Das Völkerrecht.

Wir haben gesehen, daß es im Landesrecht nur eine Instanz
gibt, die darüber entscheidet, was rechtens ist; das ist der Staat
(und seine Behörden); die Einheit der letzten Entscheidungs-
befugnis gewährleistet die Einheit der Rechtsordnung; sie macht
das Wesen des Staates aus.

Gerade diese einheitliche Instanz aber mangelt dem Völker-
recht.

Das Völkerrecht ist das die Staaten im Verhältnis unterein-
ander verpflichtende Recht. Daß auch die Staaten in ihrem gegen-
seitigen Verkehr an Rechtssätze gebunden sind, ist ein Postulat
der Vernunft4. Man kann sich diese Beziehungen nicht anders
denken als unter dem Gesichtspunkt des Rechts. Vernunft-
wesen, wie die Menschen, oder menschliche Gemeinschaften, wie
die Staaten, können in ihrem gegenseitigen Verhalten nicht ab-
sehen von einem vernünftigen Maßstab, der hier wie bei anderen
Gemeinschaften kein anderer als der des Rechtes sein kann.
Wenn ein Tier in seinem Gebahren triebmäßig bestimmt wird,
stellt sich die Frage nicht, ob sein Gebahren vernünftig, rechtmäßig

1 Wie es Wilhelm von Oranien 1672 mit den Holländern vorhatte:
Rivier, Droit des gens I 65.
2 Der Staat als Lebensform, 2. A. (1917), 53. Vgl. Fricker, Gebiet
und Gebietshoheit (1901) 87 f.
3 Vgl. Nawiasky, Der Bundesstaat als Rechtsbegriff (1920) 12. Man
kann daher auch nicht sagen, wenn eine Provinz sich loslöst von einem Staate,
daß nur sie sich verändere; daß sie sich "abtrenne", wie die deutsche Reichs-
verfassung sich für die Länder ausdrückt; sie trennen sich eines vom anderen
und beide ändern sich dadurch notwendig. Vgl. Hatscheck, Deutsches
und Preußisches Staatsrecht I (1922) 146.
4 Bestünden Beziehungen zwischen den Bewohnern verschiedener
Planeten, so müßten auch sie als vernünftig geordnete gedacht werden.

III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
wieder anderswo eine staatliche Gemeinschaft bildete1. Der Staat
kann nicht umziehen, wie Kjellèn2 sagt.

Und grundsätzlich berührt jede Gebietsänderung die recht-
liche Individualität des Staates mehr oder weniger3. Das Gebiet
macht die völkerrechtliche Individualität des Staates aus.

2. Kapitel.
Das Völkerrecht.

Wir haben gesehen, daß es im Landesrecht nur eine Instanz
gibt, die darüber entscheidet, was rechtens ist; das ist der Staat
(und seine Behörden); die Einheit der letzten Entscheidungs-
befugnis gewährleistet die Einheit der Rechtsordnung; sie macht
das Wesen des Staates aus.

Gerade diese einheitliche Instanz aber mangelt dem Völker-
recht.

Das Völkerrecht ist das die Staaten im Verhältnis unterein-
ander verpflichtende Recht. Daß auch die Staaten in ihrem gegen-
seitigen Verkehr an Rechtssätze gebunden sind, ist ein Postulat
der Vernunft4. Man kann sich diese Beziehungen nicht anders
denken als unter dem Gesichtspunkt des Rechts. Vernunft-
wesen, wie die Menschen, oder menschliche Gemeinschaften, wie
die Staaten, können in ihrem gegenseitigen Verhalten nicht ab-
sehen von einem vernünftigen Maßstab, der hier wie bei anderen
Gemeinschaften kein anderer als der des Rechtes sein kann.
Wenn ein Tier in seinem Gebahren triebmäßig bestimmt wird,
stellt sich die Frage nicht, ob sein Gebahren vernünftig, rechtmäßig

1 Wie es Wilhelm von Oranien 1672 mit den Holländern vorhatte:
Rivier, Droit des gens I 65.
2 Der Staat als Lebensform, 2. A. (1917), 53. Vgl. Fricker, Gebiet
und Gebietshoheit (1901) 87 f.
3 Vgl. Nawiasky, Der Bundesstaat als Rechtsbegriff (1920) 12. Man
kann daher auch nicht sagen, wenn eine Provinz sich loslöst von einem Staate,
daß nur sie sich verändere; daß sie sich „abtrenne“, wie die deutsche Reichs-
verfassung sich für die Länder ausdrückt; sie trennen sich eines vom anderen
und beide ändern sich dadurch notwendig. Vgl. Hatscheck, Deutsches
und Preußisches Staatsrecht I (1922) 146.
4 Bestünden Beziehungen zwischen den Bewohnern verschiedener
Planeten, so müßten auch sie als vernünftig geordnete gedacht werden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0389" n="374"/><fw place="top" type="header">III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.</fw><lb/>
wieder anderswo eine staatliche Gemeinschaft bildete<note place="foot" n="1">Wie es Wilhelm von Oranien 1672 mit den Holländern vorhatte:<lb/><hi rendition="#g">Rivier,</hi> Droit des gens I 65.</note>. Der Staat<lb/>
kann nicht umziehen, wie <hi rendition="#g">Kjellèn</hi><note place="foot" n="2">Der Staat als Lebensform, 2. A. (1917), 53. Vgl. <hi rendition="#g">Fricker,</hi> Gebiet<lb/>
und Gebietshoheit (1901) 87 f.</note> sagt.</p><lb/>
                <p>Und grundsätzlich berührt jede Gebietsänderung die recht-<lb/>
liche Individualität des Staates mehr oder weniger<note place="foot" n="3">Vgl. <hi rendition="#g">Nawiasky,</hi> Der Bundesstaat als Rechtsbegriff (1920) 12. Man<lb/>
kann daher auch nicht sagen, wenn eine Provinz sich loslöst von einem Staate,<lb/>
daß nur sie sich verändere; daß sie sich &#x201E;abtrenne&#x201C;, wie die deutsche Reichs-<lb/>
verfassung sich für die Länder ausdrückt; sie trennen sich eines vom anderen<lb/>
und beide ändern sich dadurch notwendig. Vgl. <hi rendition="#g">Hatscheck,</hi> Deutsches<lb/>
und Preußisches Staatsrecht I (1922) 146.</note>. Das Gebiet<lb/>
macht die völkerrechtliche Individualität des Staates aus.</p>
              </div>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>2. <hi rendition="#g">Kapitel</hi>.<lb/>
Das Völkerrecht.</head><lb/>
            <p>Wir haben gesehen, daß es im Landesrecht nur eine Instanz<lb/>
gibt, die darüber entscheidet, was rechtens ist; das ist der Staat<lb/>
(und seine Behörden); die Einheit der letzten Entscheidungs-<lb/>
befugnis gewährleistet die Einheit der Rechtsordnung; sie macht<lb/>
das Wesen des Staates aus.</p><lb/>
            <p>Gerade diese einheitliche Instanz aber mangelt dem Völker-<lb/>
recht.</p><lb/>
            <p>Das Völkerrecht ist das die Staaten im Verhältnis unterein-<lb/>
ander verpflichtende Recht. Daß auch die Staaten in ihrem gegen-<lb/>
seitigen Verkehr an Rechtssätze gebunden sind, ist ein Postulat<lb/>
der Vernunft<note place="foot" n="4">Bestünden Beziehungen zwischen den Bewohnern verschiedener<lb/>
Planeten, so müßten auch sie als vernünftig geordnete gedacht werden.</note>. Man kann sich diese Beziehungen nicht anders<lb/>
denken als unter dem Gesichtspunkt des Rechts. Vernunft-<lb/>
wesen, wie die Menschen, oder menschliche Gemeinschaften, wie<lb/>
die Staaten, können in ihrem gegenseitigen Verhalten nicht ab-<lb/>
sehen von einem vernünftigen Maßstab, der hier wie bei anderen<lb/>
Gemeinschaften kein anderer als der des Rechtes sein kann.<lb/>
Wenn ein Tier in seinem Gebahren triebmäßig bestimmt wird,<lb/>
stellt sich die Frage nicht, ob sein Gebahren vernünftig, rechtmäßig<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[374/0389] III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung. wieder anderswo eine staatliche Gemeinschaft bildete 1. Der Staat kann nicht umziehen, wie Kjellèn 2 sagt. Und grundsätzlich berührt jede Gebietsänderung die recht- liche Individualität des Staates mehr oder weniger 3. Das Gebiet macht die völkerrechtliche Individualität des Staates aus. 2. Kapitel. Das Völkerrecht. Wir haben gesehen, daß es im Landesrecht nur eine Instanz gibt, die darüber entscheidet, was rechtens ist; das ist der Staat (und seine Behörden); die Einheit der letzten Entscheidungs- befugnis gewährleistet die Einheit der Rechtsordnung; sie macht das Wesen des Staates aus. Gerade diese einheitliche Instanz aber mangelt dem Völker- recht. Das Völkerrecht ist das die Staaten im Verhältnis unterein- ander verpflichtende Recht. Daß auch die Staaten in ihrem gegen- seitigen Verkehr an Rechtssätze gebunden sind, ist ein Postulat der Vernunft 4. Man kann sich diese Beziehungen nicht anders denken als unter dem Gesichtspunkt des Rechts. Vernunft- wesen, wie die Menschen, oder menschliche Gemeinschaften, wie die Staaten, können in ihrem gegenseitigen Verhalten nicht ab- sehen von einem vernünftigen Maßstab, der hier wie bei anderen Gemeinschaften kein anderer als der des Rechtes sein kann. Wenn ein Tier in seinem Gebahren triebmäßig bestimmt wird, stellt sich die Frage nicht, ob sein Gebahren vernünftig, rechtmäßig 1 Wie es Wilhelm von Oranien 1672 mit den Holländern vorhatte: Rivier, Droit des gens I 65. 2 Der Staat als Lebensform, 2. A. (1917), 53. Vgl. Fricker, Gebiet und Gebietshoheit (1901) 87 f. 3 Vgl. Nawiasky, Der Bundesstaat als Rechtsbegriff (1920) 12. Man kann daher auch nicht sagen, wenn eine Provinz sich loslöst von einem Staate, daß nur sie sich verändere; daß sie sich „abtrenne“, wie die deutsche Reichs- verfassung sich für die Länder ausdrückt; sie trennen sich eines vom anderen und beide ändern sich dadurch notwendig. Vgl. Hatscheck, Deutsches und Preußisches Staatsrecht I (1922) 146. 4 Bestünden Beziehungen zwischen den Bewohnern verschiedener Planeten, so müßten auch sie als vernünftig geordnete gedacht werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/389
Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/389>, abgerufen am 22.12.2024.