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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
Gebiet kein Staat ist (unter anderen Staaten) und daß er doch
über sein Gebiet vollständig verfügen kann
1. Es ist in der
Tat ein Widerspruch. Aber daß dieser Widerspruch besteht, er-
klärt sich aus der Unfähigkeit des Völkerrechts, die Verteilung des
Gebietes unter die Staaten zu normieren, also jedem Staat von
Rechtswegen
sein Gebiet zuzuweisen, als wesentlichen Bestand-
teil seiner Person und seiner Individualität. Weshalb diese Ord-
nung der willkürlichen Vereinbarung der Staaten selbst überlassen
werden muß (vgl. oben S. 356). Aber dem Leib des Menschen ist
das Gebiet der Staatsperson, auch abgesehen vom Verfügungsrecht,
nur entfernt vergleichbar.

Die Gebietshoheit ist ausschließlich, weil die Entscheidung
über die Verwirklichung des Rechts einheitlich sein muß und ein
Staat, der von Rechts wegen in dieser Entscheidung an die Mit-
wirkung eines anderen oder mehrere anderer gebunden wäre, kein
selbständiger Staat mehr wäre (S. 149). Es kann also nicht unter
Staaten von Rechts wegen Gemeinschaftsverhältnisse des Gebietes
geben, wie es unter Privatpersonen Gemeinschaftsverhältnisse des
Eigentums gibt. Im Völkerrecht kann das Kondominium nur auf
Vertrag beruhen2.

Aber es ist begrifflich nicht notwendig, daß der Staat ein
ständiges Gebiet habe; es würde genügen, daß die Erdoberfläche
nach bestimmter Ordnung den Staaten abwechslungsweise zuge-
teilt würde. Eine Ordnung, nach welcher von verschiedenen
Nomadenstämmen jeder sich auf Zeit aus dem Überfluß des Bodens
ein Stück aneignen könnte, um es später wieder zu verlassen,
wäre eine denkbare Ordnung, sofern nur jeder Staat zu jeder Zeit
ein bestimmtes Stück sein eigen nennen, d. h. zur ausschließlichen
Ausübung der Zwangsgewalt beanspruchen kann, und nicht
mehrere den gleichen Anspruch auf einen Wohnort haben. Nur
die feste Siedelung und die Besetzung alles bewohnbaren Landes
haben es mit sich gebracht, daß jeder Staat heute sein festes,
unabänderliches Gebiet hat.

Der Staat ist seßhafter geworden; um so beweglicher sind

1 Vgl. Heilborn, Das System im Völkerrecht (1896) 11 ff.; Preuß,
Gemeinde, Staat, Reich (1889) 269 ff.
2 Und auch hier kann nicht das ganze Gebiet zweier Staaten ge-
meinsam sein, wie Donati (S. 35) annimmt.

III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
Gebiet kein Staat ist (unter anderen Staaten) und daß er doch
über sein Gebiet vollständig verfügen kann
1. Es ist in der
Tat ein Widerspruch. Aber daß dieser Widerspruch besteht, er-
klärt sich aus der Unfähigkeit des Völkerrechts, die Verteilung des
Gebietes unter die Staaten zu normieren, also jedem Staat von
Rechtswegen
sein Gebiet zuzuweisen, als wesentlichen Bestand-
teil seiner Person und seiner Individualität. Weshalb diese Ord-
nung der willkürlichen Vereinbarung der Staaten selbst überlassen
werden muß (vgl. oben S. 356). Aber dem Leib des Menschen ist
das Gebiet der Staatsperson, auch abgesehen vom Verfügungsrecht,
nur entfernt vergleichbar.

Die Gebietshoheit ist ausschließlich, weil die Entscheidung
über die Verwirklichung des Rechts einheitlich sein muß und ein
Staat, der von Rechts wegen in dieser Entscheidung an die Mit-
wirkung eines anderen oder mehrere anderer gebunden wäre, kein
selbständiger Staat mehr wäre (S. 149). Es kann also nicht unter
Staaten von Rechts wegen Gemeinschaftsverhältnisse des Gebietes
geben, wie es unter Privatpersonen Gemeinschaftsverhältnisse des
Eigentums gibt. Im Völkerrecht kann das Kondominium nur auf
Vertrag beruhen2.

Aber es ist begrifflich nicht notwendig, daß der Staat ein
ständiges Gebiet habe; es würde genügen, daß die Erdoberfläche
nach bestimmter Ordnung den Staaten abwechslungsweise zuge-
teilt würde. Eine Ordnung, nach welcher von verschiedenen
Nomadenstämmen jeder sich auf Zeit aus dem Überfluß des Bodens
ein Stück aneignen könnte, um es später wieder zu verlassen,
wäre eine denkbare Ordnung, sofern nur jeder Staat zu jeder Zeit
ein bestimmtes Stück sein eigen nennen, d. h. zur ausschließlichen
Ausübung der Zwangsgewalt beanspruchen kann, und nicht
mehrere den gleichen Anspruch auf einen Wohnort haben. Nur
die feste Siedelung und die Besetzung alles bewohnbaren Landes
haben es mit sich gebracht, daß jeder Staat heute sein festes,
unabänderliches Gebiet hat.

Der Staat ist seßhafter geworden; um so beweglicher sind

1 Vgl. Heilborn, Das System im Völkerrecht (1896) 11 ff.; Preuß,
Gemeinde, Staat, Reich (1889) 269 ff.
2 Und auch hier kann nicht das ganze Gebiet zweier Staaten ge-
meinsam sein, wie Donati (S. 35) annimmt.
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[372/0387] III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung. Gebiet kein Staat ist (unter anderen Staaten) und daß er doch über sein Gebiet vollständig verfügen kann 1. Es ist in der Tat ein Widerspruch. Aber daß dieser Widerspruch besteht, er- klärt sich aus der Unfähigkeit des Völkerrechts, die Verteilung des Gebietes unter die Staaten zu normieren, also jedem Staat von Rechtswegen sein Gebiet zuzuweisen, als wesentlichen Bestand- teil seiner Person und seiner Individualität. Weshalb diese Ord- nung der willkürlichen Vereinbarung der Staaten selbst überlassen werden muß (vgl. oben S. 356). Aber dem Leib des Menschen ist das Gebiet der Staatsperson, auch abgesehen vom Verfügungsrecht, nur entfernt vergleichbar. Die Gebietshoheit ist ausschließlich, weil die Entscheidung über die Verwirklichung des Rechts einheitlich sein muß und ein Staat, der von Rechts wegen in dieser Entscheidung an die Mit- wirkung eines anderen oder mehrere anderer gebunden wäre, kein selbständiger Staat mehr wäre (S. 149). Es kann also nicht unter Staaten von Rechts wegen Gemeinschaftsverhältnisse des Gebietes geben, wie es unter Privatpersonen Gemeinschaftsverhältnisse des Eigentums gibt. Im Völkerrecht kann das Kondominium nur auf Vertrag beruhen 2. Aber es ist begrifflich nicht notwendig, daß der Staat ein ständiges Gebiet habe; es würde genügen, daß die Erdoberfläche nach bestimmter Ordnung den Staaten abwechslungsweise zuge- teilt würde. Eine Ordnung, nach welcher von verschiedenen Nomadenstämmen jeder sich auf Zeit aus dem Überfluß des Bodens ein Stück aneignen könnte, um es später wieder zu verlassen, wäre eine denkbare Ordnung, sofern nur jeder Staat zu jeder Zeit ein bestimmtes Stück sein eigen nennen, d. h. zur ausschließlichen Ausübung der Zwangsgewalt beanspruchen kann, und nicht mehrere den gleichen Anspruch auf einen Wohnort haben. Nur die feste Siedelung und die Besetzung alles bewohnbaren Landes haben es mit sich gebracht, daß jeder Staat heute sein festes, unabänderliches Gebiet hat. Der Staat ist seßhafter geworden; um so beweglicher sind 1 Vgl. Heilborn, Das System im Völkerrecht (1896) 11 ff.; Preuß, Gemeinde, Staat, Reich (1889) 269 ff. 2 Und auch hier kann nicht das ganze Gebiet zweier Staaten ge- meinsam sein, wie Donati (S. 35) annimmt.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/387>, abgerufen am 24.11.2024.