vatrechte oder, praktisch gesprochen, eigenes Vermögen haben können.
Daß der Staat selbst eigenes Vermögen haben kann, ist zweifel- los, trotzdem die Behörden, welche ermächtigt sind, private Rechts- geschäfte einzugehen und private Rechtsverhältnisse zu betätigen, in diesen Entschließungen dem Verband gegenüber gebunden sind, ja vielleicht anderen Behörden Gehorsam schulden, denn diese interne Bindung der Organe berührt die Freiheit der rechts- geschäftlichen Verfügung des Verbandes gegenüber den Dritten nicht. Der Staat kann das Anleihen (den Anleihungsbedingungen gemäß) beliebig künden oder nicht künden, wenngleich die zur Kündigung zuständige Regierung an die Weisung des Parla- ments gebunden ist. Weniger einfach liegt aber die Sache, wenn Unterabteilungen des Staates, wie Gemeinden, Bezirke, Anstalten, Zweckverbände, in rechtsgeschäftlichen Verkehr mit Dritten treten. Die Organe dieser engeren Verbände sind vielfach gegenüber den- jenigen des weiteren Verbandes, also zuletzt des Staates, gebunden; ihre Organe verfügen zwar über einen bestimmten Vermögens- komplex, aber sie verfügen nicht frei, sondern unter Aufsicht und Mitwirkung von Organen des höheren Verbandes.
Nun gilt für sie zunächst, was für alle Verbandsorgane gilt: sie sollen ihr Vermögen als Mittel zur Erreichung des ihnen vor- geschriebenen Verbandszweckes gebrauchen; und es gilt für sie, was für alle offentlich-rechtlichen Organe gilt: sie sollen die ihnen zur Verfügung gestellten Privatrechte zur Verwirklichung ihrer öffentlichen Aufgaben im Dienste des öffentlichen Interesses ver- wenden. Die Besonderheit der untergeordneten Verbände be- steht aber darin, daß ihre Organe auch hierüber nicht selbstständig entscheiden, darüber nämlich, welches ihre Aufgaben sind und welche Privatrechtsverhältnisse sie zur Erreichung dieser Aufgaben zweckmäßigerweise eingehen sollen bzw. wie sie ihre Privatrechte ausüben sollen. Sie sind vielmehr in doppelter Weise beschränkt:
1. darin, daß sie ihre Aufgaben nicht selbst bestimmen, sondern sie grundsätzlich vom übergeordneten Verbande, vom Staate, zu- geteilt erhalten, ja, daß ihre "Rechtsfähigkeit" und ihre Existenz selbst grundsätzlich von jenem höheren Verband abhängig sind, welcher das objektive Recht, auf dem sie eben beruhen, schafft. Sie können sich nicht selbst ihre Satzung geben, sondern erhalten
III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
vatrechte oder, praktisch gesprochen, eigenes Vermögen haben können.
Daß der Staat selbst eigenes Vermögen haben kann, ist zweifel- los, trotzdem die Behörden, welche ermächtigt sind, private Rechts- geschäfte einzugehen und private Rechtsverhältnisse zu betätigen, in diesen Entschließungen dem Verband gegenüber gebunden sind, ja vielleicht anderen Behörden Gehorsam schulden, denn diese interne Bindung der Organe berührt die Freiheit der rechts- geschäftlichen Verfügung des Verbandes gegenüber den Dritten nicht. Der Staat kann das Anleihen (den Anleihungsbedingungen gemäß) beliebig künden oder nicht künden, wenngleich die zur Kündigung zuständige Regierung an die Weisung des Parla- ments gebunden ist. Weniger einfach liegt aber die Sache, wenn Unterabteilungen des Staates, wie Gemeinden, Bezirke, Anstalten, Zweckverbände, in rechtsgeschäftlichen Verkehr mit Dritten treten. Die Organe dieser engeren Verbände sind vielfach gegenüber den- jenigen des weiteren Verbandes, also zuletzt des Staates, gebunden; ihre Organe verfügen zwar über einen bestimmten Vermögens- komplex, aber sie verfügen nicht frei, sondern unter Aufsicht und Mitwirkung von Organen des höheren Verbandes.
Nun gilt für sie zunächst, was für alle Verbandsorgane gilt: sie sollen ihr Vermögen als Mittel zur Erreichung des ihnen vor- geschriebenen Verbandszweckes gebrauchen; und es gilt für sie, was für alle offentlich-rechtlichen Organe gilt: sie sollen die ihnen zur Verfügung gestellten Privatrechte zur Verwirklichung ihrer öffentlichen Aufgaben im Dienste des öffentlichen Interesses ver- wenden. Die Besonderheit der untergeordneten Verbände be- steht aber darin, daß ihre Organe auch hierüber nicht selbstständig entscheiden, darüber nämlich, welches ihre Aufgaben sind und welche Privatrechtsverhältnisse sie zur Erreichung dieser Aufgaben zweckmäßigerweise eingehen sollen bzw. wie sie ihre Privatrechte ausüben sollen. Sie sind vielmehr in doppelter Weise beschränkt:
1. darin, daß sie ihre Aufgaben nicht selbst bestimmen, sondern sie grundsätzlich vom übergeordneten Verbande, vom Staate, zu- geteilt erhalten, ja, daß ihre „Rechtsfähigkeit“ und ihre Existenz selbst grundsätzlich von jenem höheren Verband abhängig sind, welcher das objektive Recht, auf dem sie eben beruhen, schafft. Sie können sich nicht selbst ihre Satzung geben, sondern erhalten
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III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
vatrechte oder, praktisch gesprochen, eigenes Vermögen haben
können.
Daß der Staat selbst eigenes Vermögen haben kann, ist zweifel-
los, trotzdem die Behörden, welche ermächtigt sind, private Rechts-
geschäfte einzugehen und private Rechtsverhältnisse zu betätigen,
in diesen Entschließungen dem Verband gegenüber gebunden sind,
ja vielleicht anderen Behörden Gehorsam schulden, denn diese
interne Bindung der Organe berührt die Freiheit der rechts-
geschäftlichen Verfügung des Verbandes gegenüber den Dritten
nicht. Der Staat kann das Anleihen (den Anleihungsbedingungen
gemäß) beliebig künden oder nicht künden, wenngleich die zur
Kündigung zuständige Regierung an die Weisung des Parla-
ments gebunden ist. Weniger einfach liegt aber die Sache, wenn
Unterabteilungen des Staates, wie Gemeinden, Bezirke, Anstalten,
Zweckverbände, in rechtsgeschäftlichen Verkehr mit Dritten treten.
Die Organe dieser engeren Verbände sind vielfach gegenüber den-
jenigen des weiteren Verbandes, also zuletzt des Staates, gebunden;
ihre Organe verfügen zwar über einen bestimmten Vermögens-
komplex, aber sie verfügen nicht frei, sondern unter Aufsicht und
Mitwirkung von Organen des höheren Verbandes.
Nun gilt für sie zunächst, was für alle Verbandsorgane gilt:
sie sollen ihr Vermögen als Mittel zur Erreichung des ihnen vor-
geschriebenen Verbandszweckes gebrauchen; und es gilt für sie,
was für alle offentlich-rechtlichen Organe gilt: sie sollen die ihnen
zur Verfügung gestellten Privatrechte zur Verwirklichung ihrer
öffentlichen Aufgaben im Dienste des öffentlichen Interesses ver-
wenden. Die Besonderheit der untergeordneten Verbände be-
steht aber darin, daß ihre Organe auch hierüber nicht selbstständig
entscheiden, darüber nämlich, welches ihre Aufgaben sind und
welche Privatrechtsverhältnisse sie zur Erreichung dieser Aufgaben
zweckmäßigerweise eingehen sollen bzw. wie sie ihre Privatrechte
ausüben sollen. Sie sind vielmehr in doppelter Weise beschränkt:
1. darin, daß sie ihre Aufgaben nicht selbst bestimmen, sondern
sie grundsätzlich vom übergeordneten Verbande, vom Staate, zu-
geteilt erhalten, ja, daß ihre „Rechtsfähigkeit“ und ihre Existenz
selbst grundsätzlich von jenem höheren Verband abhängig sind,
welcher das objektive Recht, auf dem sie eben beruhen, schafft.
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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/359>, abgerufen am 27.11.2024.
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