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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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Prvate und öffentlich-rechtliche Verbände.
Dienerin des objektiven Rechts und nie die frei verfügende Herrin
über persönliche Brechtigungen ist (vgl. oben S. 309).

Gerade umgekehrt im privatrechtlichen Verband: der Verband,
als Juristische Person, hat einerseits Rechte, andererseits Pflichten,
und beide sind ihm nicht von Gesetzes wegen gegeben, um in ge-
bundener Weise, nach objektiver Anweisung ausgeübt zu werden,
sondern stehen ihm zufällig zu, gegenüber anderen Personen,
derart, daß jeweils der Berechtigte im Rechtsverhältnis über Be-
stand und Nichtbestand der Pflicht verfügt, der Verband über
die ihm zustehenden aktiven Rechte, der Gläubiger des Verbandes
(oder sonst Berechtigte) über die dem Verband obliegenden Pflich-
ten. Es sind nicht im objektiven Recht unabänderlich gegebene
Zuständigkeiten, die dem privaten Verbande zukommen, sondern
zufällige Rechte und Pflichten, deren Bestand von der Willkür
einer Privatperson abhängt. In solchen Rechten allein, über die
nach Willkür verfügt werden kann, ist Vertretung möglich, nämlich
im Sinne der willkürlichen Übertragung der Ausübung eines Rechtes
oder der Erfüllung einer Pflicht von einer Person auf eine andere
(unter Ausschluß der ersten oder in Konkurrenz mit ihr), also die
rechtliche Verfügung über das Recht oder die Geltendmachung
der daraus entstehenden Ansprüche, nicht bloß über die tatsäch-
liche Ausübung. Stellvertretung bezieht sich immer auf rechts-
geschäftliches, also rechtswirksames Handeln. Der Nutznießer
läßt sich nicht vertreten und braucht keine Vollmacht auszustellen,
wenn er das Haus, an dem er Nutznießung hat, durch einen anderen
bewohnen läßt, wohl aber wenn ein anderer (aus eigener Ent-
schließung) vom Eigentümer namens des Nutznießers eine Unter-
haltsarbeit verlangen oder über die Pflicht zur Sicherstellung ver-
handeln soll.

Wer dem Verbande, dem er angehört, Rechte überträgt, be-
stellt sich eben für diese Rechte einen Vertreter; aber er entäußert
sich in gewissem Sinne auch dieser Rechte, da er selbst nicht mehr
frei darüber verfügen kann. Rechte, die durchaus unveräußerlich
sind und nicht durch Stellvertreter geltend gemacht werden
können, können daher auch nicht vom Mitglied auf den Verband
übertragen werden1

1 Welche Rechte ihm übertragen werden können, d. h. welcher Rechte

Prvate und öffentlich-rechtliche Verbände.
Dienerin des objektiven Rechts und nie die frei verfügende Herrin
über persönliche Brechtigungen ist (vgl. oben S. 309).

Gerade umgekehrt im privatrechtlichen Verband: der Verband,
als Juristische Person, hat einerseits Rechte, andererseits Pflichten,
und beide sind ihm nicht von Gesetzes wegen gegeben, um in ge-
bundener Weise, nach objektiver Anweisung ausgeübt zu werden,
sondern stehen ihm zufällig zu, gegenüber anderen Personen,
derart, daß jeweils der Berechtigte im Rechtsverhältnis über Be-
stand und Nichtbestand der Pflicht verfügt, der Verband über
die ihm zustehenden aktiven Rechte, der Gläubiger des Verbandes
(oder sonst Berechtigte) über die dem Verband obliegenden Pflich-
ten. Es sind nicht im objektiven Recht unabänderlich gegebene
Zuständigkeiten, die dem privaten Verbande zukommen, sondern
zufällige Rechte und Pflichten, deren Bestand von der Willkür
einer Privatperson abhängt. In solchen Rechten allein, über die
nach Willkür verfügt werden kann, ist Vertretung möglich, nämlich
im Sinne der willkürlichen Übertragung der Ausübung eines Rechtes
oder der Erfüllung einer Pflicht von einer Person auf eine andere
(unter Ausschluß der ersten oder in Konkurrenz mit ihr), also die
rechtliche Verfügung über das Recht oder die Geltendmachung
der daraus entstehenden Ansprüche, nicht bloß über die tatsäch-
liche Ausübung. Stellvertretung bezieht sich immer auf rechts-
geschäftliches, also rechtswirksames Handeln. Der Nutznießer
läßt sich nicht vertreten und braucht keine Vollmacht auszustellen,
wenn er das Haus, an dem er Nutznießung hat, durch einen anderen
bewohnen läßt, wohl aber wenn ein anderer (aus eigener Ent-
schließung) vom Eigentümer namens des Nutznießers eine Unter-
haltsarbeit verlangen oder über die Pflicht zur Sicherstellung ver-
handeln soll.

Wer dem Verbande, dem er angehört, Rechte überträgt, be-
stellt sich eben für diese Rechte einen Vertreter; aber er entäußert
sich in gewissem Sinne auch dieser Rechte, da er selbst nicht mehr
frei darüber verfügen kann. Rechte, die durchaus unveräußerlich
sind und nicht durch Stellvertreter geltend gemacht werden
können, können daher auch nicht vom Mitglied auf den Verband
übertragen werden1

1 Welche Rechte ihm übertragen werden können, d. h. welcher Rechte
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[339/0354] Prvate und öffentlich-rechtliche Verbände. Dienerin des objektiven Rechts und nie die frei verfügende Herrin über persönliche Brechtigungen ist (vgl. oben S. 309). Gerade umgekehrt im privatrechtlichen Verband: der Verband, als Juristische Person, hat einerseits Rechte, andererseits Pflichten, und beide sind ihm nicht von Gesetzes wegen gegeben, um in ge- bundener Weise, nach objektiver Anweisung ausgeübt zu werden, sondern stehen ihm zufällig zu, gegenüber anderen Personen, derart, daß jeweils der Berechtigte im Rechtsverhältnis über Be- stand und Nichtbestand der Pflicht verfügt, der Verband über die ihm zustehenden aktiven Rechte, der Gläubiger des Verbandes (oder sonst Berechtigte) über die dem Verband obliegenden Pflich- ten. Es sind nicht im objektiven Recht unabänderlich gegebene Zuständigkeiten, die dem privaten Verbande zukommen, sondern zufällige Rechte und Pflichten, deren Bestand von der Willkür einer Privatperson abhängt. In solchen Rechten allein, über die nach Willkür verfügt werden kann, ist Vertretung möglich, nämlich im Sinne der willkürlichen Übertragung der Ausübung eines Rechtes oder der Erfüllung einer Pflicht von einer Person auf eine andere (unter Ausschluß der ersten oder in Konkurrenz mit ihr), also die rechtliche Verfügung über das Recht oder die Geltendmachung der daraus entstehenden Ansprüche, nicht bloß über die tatsäch- liche Ausübung. Stellvertretung bezieht sich immer auf rechts- geschäftliches, also rechtswirksames Handeln. Der Nutznießer läßt sich nicht vertreten und braucht keine Vollmacht auszustellen, wenn er das Haus, an dem er Nutznießung hat, durch einen anderen bewohnen läßt, wohl aber wenn ein anderer (aus eigener Ent- schließung) vom Eigentümer namens des Nutznießers eine Unter- haltsarbeit verlangen oder über die Pflicht zur Sicherstellung ver- handeln soll. Wer dem Verbande, dem er angehört, Rechte überträgt, be- stellt sich eben für diese Rechte einen Vertreter; aber er entäußert sich in gewissem Sinne auch dieser Rechte, da er selbst nicht mehr frei darüber verfügen kann. Rechte, die durchaus unveräußerlich sind und nicht durch Stellvertreter geltend gemacht werden können, können daher auch nicht vom Mitglied auf den Verband übertragen werden 1 1 Welche Rechte ihm übertragen werden können, d. h. welcher Rechte

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/354>, abgerufen am 23.11.2024.