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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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Die privaten Verbände.
mögen sich untereinander widersprechen und zweckwidrig sein,
rechtlich stehen sie sich nicht im Wege; rechtlich entsteht daraus
kein Widerspruch.

Im Privatrecht ist solch Gebahren und solche mehrfache
Legitimation verschiedener Personen zum gleichen Rechtsakt
möglich; im öffentlichen Recht ist es nicht möglich: hier kann stets
nur eines richtig sein (in Anwendung desselben Gesetzes), weil
sich alles nach festen, (für einmal) unwandelbaren Grundsätzen
entscheiden soll. Es wäre daher ein Widerspruch, zwei voneinander
unabhängige Organe mit der Entscheidung in derselben Sache zu
betrauen: entscheiden sie oder verfügen sie dasselbe, so ist die
eine Anordnung überflüssig, und entscheiden oder verfügen sie
Verschiedenes, so widersprechen sie sich logisch (nicht nur teleo-
logisch)1 und Widersprechendes kann nicht zugleich richtig (d. h.
hier dem Gesetze gemäß) sein. Wohl aber kann das Verfassungs-
recht vorschreiben, daß zwei oder mehr Personen zusammenstim-
men müssen, um eine verbindliche Verfügung zu treffen, wie die
beiden Konsuln in Rom oder die Mehrheit der Mitglieder eines
Kollegiums. Verbindlich ist ja dann immer nur eine Entschließung.

Im übrigen bleibt es sich gleich, wie die zur Vertretung be-
rufenen Organe beschaffen seien: ob eine (physische) Person als
Organ zu handeln habe oder mehrere zusammen, als Kollegium
oder alle Mitglieder zusammen, ob die Kollegien mit Einstimmig-
keit oder Mehrheit beschließen. Das eine mag für diesen, das andere
für jenen Fall zweckmäßiger sein. Sobald eine für die Gesamtheit
verbindliche Willensbildung vorgesehen ist, sobald also bestimmt
ist, wer für die betreffende Handlung mitzuwirken und wie die
oder der Berufene den Geschäftswillen zu äußern haben (vgl.
oben S. 129), ist das Organ da2.

1 Wenn z. B. zwei Gerichte oder zwei Steuerbehörden letztinstanzlich
eine Strafe oder eine Steuer verbindlich machen können, und wenn sie es
verschieden tun, hat der Staat nicht nur einen planlosen Kurs gesteuert,
indem er bald dies, bald jenes verbindlich macht; die beiden sich wider-
sprechenden Urteile oder Verfügungen können gar nicht beide verbind-
lich sein.
2 Daß in einem Kollegium, z. B. in der Mitgliederversammlung oder
dem Vorstande der Genossenschaft, nur ein Wille maßgebend sein kann,
sei es der einstimmigen Gesamtheit oder der der Mehrheit, aber nicht der
von zwei Minderheiten, ist richtig, steht aber mit der vorhin gemachten

Die privaten Verbände.
mögen sich untereinander widersprechen und zweckwidrig sein,
rechtlich stehen sie sich nicht im Wege; rechtlich entsteht daraus
kein Widerspruch.

Im Privatrecht ist solch Gebahren und solche mehrfache
Legitimation verschiedener Personen zum gleichen Rechtsakt
möglich; im öffentlichen Recht ist es nicht möglich: hier kann stets
nur eines richtig sein (in Anwendung desselben Gesetzes), weil
sich alles nach festen, (für einmal) unwandelbaren Grundsätzen
entscheiden soll. Es wäre daher ein Widerspruch, zwei voneinander
unabhängige Organe mit der Entscheidung in derselben Sache zu
betrauen: entscheiden sie oder verfügen sie dasselbe, so ist die
eine Anordnung überflüssig, und entscheiden oder verfügen sie
Verschiedenes, so widersprechen sie sich logisch (nicht nur teleo-
logisch)1 und Widersprechendes kann nicht zugleich richtig (d. h.
hier dem Gesetze gemäß) sein. Wohl aber kann das Verfassungs-
recht vorschreiben, daß zwei oder mehr Personen zusammenstim-
men müssen, um eine verbindliche Verfügung zu treffen, wie die
beiden Konsuln in Rom oder die Mehrheit der Mitglieder eines
Kollegiums. Verbindlich ist ja dann immer nur eine Entschließung.

Im übrigen bleibt es sich gleich, wie die zur Vertretung be-
rufenen Organe beschaffen seien: ob eine (physische) Person als
Organ zu handeln habe oder mehrere zusammen, als Kollegium
oder alle Mitglieder zusammen, ob die Kollegien mit Einstimmig-
keit oder Mehrheit beschließen. Das eine mag für diesen, das andere
für jenen Fall zweckmäßiger sein. Sobald eine für die Gesamtheit
verbindliche Willensbildung vorgesehen ist, sobald also bestimmt
ist, wer für die betreffende Handlung mitzuwirken und wie die
oder der Berufene den Geschäftswillen zu äußern haben (vgl.
oben S. 129), ist das Organ da2.

1 Wenn z. B. zwei Gerichte oder zwei Steuerbehörden letztinstanzlich
eine Strafe oder eine Steuer verbindlich machen können, und wenn sie es
verschieden tun, hat der Staat nicht nur einen planlosen Kurs gesteuert,
indem er bald dies, bald jenes verbindlich macht; die beiden sich wider-
sprechenden Urteile oder Verfügungen können gar nicht beide verbind-
lich sein.
2 Daß in einem Kollegium, z. B. in der Mitgliederversammlung oder
dem Vorstande der Genossenschaft, nur ein Wille maßgebend sein kann,
sei es der einstimmigen Gesamtheit oder der der Mehrheit, aber nicht der
von zwei Minderheiten, ist richtig, steht aber mit der vorhin gemachten
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[315/0330] Die privaten Verbände. mögen sich untereinander widersprechen und zweckwidrig sein, rechtlich stehen sie sich nicht im Wege; rechtlich entsteht daraus kein Widerspruch. Im Privatrecht ist solch Gebahren und solche mehrfache Legitimation verschiedener Personen zum gleichen Rechtsakt möglich; im öffentlichen Recht ist es nicht möglich: hier kann stets nur eines richtig sein (in Anwendung desselben Gesetzes), weil sich alles nach festen, (für einmal) unwandelbaren Grundsätzen entscheiden soll. Es wäre daher ein Widerspruch, zwei voneinander unabhängige Organe mit der Entscheidung in derselben Sache zu betrauen: entscheiden sie oder verfügen sie dasselbe, so ist die eine Anordnung überflüssig, und entscheiden oder verfügen sie Verschiedenes, so widersprechen sie sich logisch (nicht nur teleo- logisch) 1 und Widersprechendes kann nicht zugleich richtig (d. h. hier dem Gesetze gemäß) sein. Wohl aber kann das Verfassungs- recht vorschreiben, daß zwei oder mehr Personen zusammenstim- men müssen, um eine verbindliche Verfügung zu treffen, wie die beiden Konsuln in Rom oder die Mehrheit der Mitglieder eines Kollegiums. Verbindlich ist ja dann immer nur eine Entschließung. Im übrigen bleibt es sich gleich, wie die zur Vertretung be- rufenen Organe beschaffen seien: ob eine (physische) Person als Organ zu handeln habe oder mehrere zusammen, als Kollegium oder alle Mitglieder zusammen, ob die Kollegien mit Einstimmig- keit oder Mehrheit beschließen. Das eine mag für diesen, das andere für jenen Fall zweckmäßiger sein. Sobald eine für die Gesamtheit verbindliche Willensbildung vorgesehen ist, sobald also bestimmt ist, wer für die betreffende Handlung mitzuwirken und wie die oder der Berufene den Geschäftswillen zu äußern haben (vgl. oben S. 129), ist das Organ da 2. 1 Wenn z. B. zwei Gerichte oder zwei Steuerbehörden letztinstanzlich eine Strafe oder eine Steuer verbindlich machen können, und wenn sie es verschieden tun, hat der Staat nicht nur einen planlosen Kurs gesteuert, indem er bald dies, bald jenes verbindlich macht; die beiden sich wider- sprechenden Urteile oder Verfügungen können gar nicht beide verbind- lich sein. 2 Daß in einem Kollegium, z. B. in der Mitgliederversammlung oder dem Vorstande der Genossenschaft, nur ein Wille maßgebend sein kann, sei es der einstimmigen Gesamtheit oder der der Mehrheit, aber nicht der von zwei Minderheiten, ist richtig, steht aber mit der vorhin gemachten

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/330>, abgerufen am 22.11.2024.