Davon ist aber wohl zu unterscheiden der Gegensatz von ob- jektiv-notwendigem und subjektiv-zufälligem Rechtszustand. Was von Gesetzes wegen vorgeschrieben ist und unbedingt ge- schehen soll, kann in genereller Abstraktheit und individueller Konkretheit angeordnet sein (als rechtssetzende und als rechts- anwendende Anordnung). Und was durch die zufällige Ent- schließung Privater, durch Rechtsgeschäft entsteht, kann eben- falls in abstrakten Regeln bestehen, die gelten wollen und für ge- nerell bestimmte Fälle unter den vorgesehenen Voraussetzungen zur Anwendung kommen und dann konkrete Pflichten ergeben. Ein Genossenschaftsstatut, eine Fabrikordnung, eine Benutzungs- ordnung unter Miteigentümern stellt solche Regeln auf. Aber auch jeder Vertrag kann es tun, sofern er für Fälle bestimmt, die ab- strakt umschrieben werden: zwischen einem Vermieter und einem Mieter besteht die Abmachung, daß alle kleineren Schäden vom Vermieter, alle größeren vom Vermieter auf Anzeige hin auszu- bessern sind, eine abstrakte und, wenn man will, eine rechtssetzende Anordnung, insofern als diese vertragliche Lex zur Grundlage für die Entscheidung der konkreten Schadensfälle genommen werden muß. Im Verhältnis zu dieser vertraglichen Vorschrift ist die Entscheidung des konkreten Anspruches auf Ausbesserung Rechts- anwendung. Aber daß jene Regel, aus welcher der konkrete An- spruch abzuleiten ist, (von den Vertragsparteien) überhaupt ge- setzt worden ist, ist vom Standpunkt des objektiven Rechtes aus ein Zufall, ebenso wie die Anwendung der Regel ein Zufall ist; denn kein (von Staats wegen geltender) Rechtssatz fordert, daß ein solcher Mietvertrag abgeschlossen und daß er ausgeführt werde; die Beteiligten (bzw. der Berechtigte) entscheiden darüber nach Willkür. Was aber das Gesetz vorschreibt, gilt unbedingt (soweit es nicht selbst vom Gesetzgeber Bedingungen unterworfen worden ist) und es muß unbedingt angewendet werden: der Rechtssatz und seine Anwendung gelten unbedingt und müssen so sein, wie sie sind; sie gehören beide dem objektiven Recht an, in dem Sinn, daß sie notwendig gelten, im Gegensatz zu den von Privaten ge- troffenen Anordnungen (in abstrakter oder konkreter Form), die, per definitionem, nur bedingt gelten, sofern nämlich die Privaten bzw. der "Berechtigte" es so haben wollen. Eben diese Bedingt- heit, diese Bezogenheit oder Verhältnismäßigkeit bezeichnet man
Die privaten Verbände.
Davon ist aber wohl zu unterscheiden der Gegensatz von ob- jektiv-notwendigem und subjektiv-zufälligem Rechtszustand. Was von Gesetzes wegen vorgeschrieben ist und unbedingt ge- schehen soll, kann in genereller Abstraktheit und individueller Konkretheit angeordnet sein (als rechtssetzende und als rechts- anwendende Anordnung). Und was durch die zufällige Ent- schließung Privater, durch Rechtsgeschäft entsteht, kann eben- falls in abstrakten Regeln bestehen, die gelten wollen und für ge- nerell bestimmte Fälle unter den vorgesehenen Voraussetzungen zur Anwendung kommen und dann konkrete Pflichten ergeben. Ein Genossenschaftsstatut, eine Fabrikordnung, eine Benutzungs- ordnung unter Miteigentümern stellt solche Regeln auf. Aber auch jeder Vertrag kann es tun, sofern er für Fälle bestimmt, die ab- strakt umschrieben werden: zwischen einem Vermieter und einem Mieter besteht die Abmachung, daß alle kleineren Schäden vom Vermieter, alle größeren vom Vermieter auf Anzeige hin auszu- bessern sind, eine abstrakte und, wenn man will, eine rechtssetzende Anordnung, insofern als diese vertragliche Lex zur Grundlage für die Entscheidung der konkreten Schadensfälle genommen werden muß. Im Verhältnis zu dieser vertraglichen Vorschrift ist die Entscheidung des konkreten Anspruches auf Ausbesserung Rechts- anwendung. Aber daß jene Regel, aus welcher der konkrete An- spruch abzuleiten ist, (von den Vertragsparteien) überhaupt ge- setzt worden ist, ist vom Standpunkt des objektiven Rechtes aus ein Zufall, ebenso wie die Anwendung der Regel ein Zufall ist; denn kein (von Staats wegen geltender) Rechtssatz fordert, daß ein solcher Mietvertrag abgeschlossen und daß er ausgeführt werde; die Beteiligten (bzw. der Berechtigte) entscheiden darüber nach Willkür. Was aber das Gesetz vorschreibt, gilt unbedingt (soweit es nicht selbst vom Gesetzgeber Bedingungen unterworfen worden ist) und es muß unbedingt angewendet werden: der Rechtssatz und seine Anwendung gelten unbedingt und müssen so sein, wie sie sind; sie gehören beide dem objektiven Recht an, in dem Sinn, daß sie notwendig gelten, im Gegensatz zu den von Privaten ge- troffenen Anordnungen (in abstrakter oder konkreter Form), die, per definitionem, nur bedingt gelten, sofern nämlich die Privaten bzw. der „Berechtigte“ es so haben wollen. Eben diese Bedingt- heit, diese Bezogenheit oder Verhältnismäßigkeit bezeichnet man
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0324"n="309"/><fwplace="top"type="header">Die privaten Verbände.</fw><lb/><p>Davon ist aber wohl zu unterscheiden der Gegensatz von ob-<lb/>
jektiv-<hirendition="#g">notwendigem</hi> und subjektiv-<hirendition="#g">zufälligem</hi> Rechtszustand.<lb/>
Was von Gesetzes wegen vorgeschrieben ist und unbedingt ge-<lb/>
schehen soll, kann in genereller Abstraktheit und individueller<lb/>
Konkretheit angeordnet sein (als rechtssetzende und als rechts-<lb/>
anwendende Anordnung). Und was durch die zufällige Ent-<lb/>
schließung Privater, durch Rechtsgeschäft entsteht, kann eben-<lb/>
falls in abstrakten Regeln bestehen, die gelten wollen und für ge-<lb/>
nerell bestimmte Fälle unter den vorgesehenen Voraussetzungen<lb/>
zur Anwendung kommen und dann konkrete Pflichten ergeben.<lb/>
Ein Genossenschaftsstatut, eine Fabrikordnung, eine Benutzungs-<lb/>
ordnung unter Miteigentümern stellt solche Regeln auf. Aber auch<lb/>
jeder Vertrag kann es tun, sofern er für Fälle bestimmt, die ab-<lb/>
strakt umschrieben werden: zwischen einem Vermieter und einem<lb/>
Mieter besteht die Abmachung, daß alle kleineren Schäden vom<lb/>
Vermieter, alle größeren vom Vermieter auf Anzeige hin auszu-<lb/>
bessern sind, eine abstrakte und, wenn man will, eine rechtssetzende<lb/>
Anordnung, insofern als diese vertragliche Lex zur Grundlage für<lb/>
die Entscheidung der konkreten Schadensfälle genommen werden<lb/>
muß. Im Verhältnis zu dieser vertraglichen Vorschrift ist die<lb/>
Entscheidung des konkreten Anspruches auf Ausbesserung Rechts-<lb/>
anwendung. Aber daß jene Regel, aus welcher der konkrete An-<lb/>
spruch abzuleiten ist, (von den Vertragsparteien) überhaupt ge-<lb/>
setzt worden ist, ist vom Standpunkt des objektiven Rechtes aus<lb/>
ein Zufall, ebenso wie die Anwendung der Regel ein Zufall ist; denn<lb/>
kein (von Staats wegen geltender) Rechtssatz fordert, daß ein<lb/>
solcher Mietvertrag abgeschlossen und daß er ausgeführt werde;<lb/>
die Beteiligten (bzw. der Berechtigte) entscheiden darüber nach<lb/>
Willkür. Was aber das <hirendition="#g">Gesetz</hi> vorschreibt, gilt unbedingt (soweit<lb/>
es nicht selbst vom Gesetzgeber Bedingungen unterworfen worden<lb/>
ist) und es muß unbedingt angewendet werden: der Rechtssatz<lb/>
und seine Anwendung gelten unbedingt und müssen so sein, wie<lb/>
sie sind; sie gehören beide dem objektiven Recht an, in dem Sinn,<lb/>
daß sie notwendig gelten, im Gegensatz zu den von Privaten ge-<lb/>
troffenen Anordnungen (in abstrakter oder konkreter Form), die,<lb/>
per definitionem, nur bedingt gelten, sofern nämlich die Privaten<lb/>
bzw. der „Berechtigte“ es so haben wollen. Eben diese Bedingt-<lb/>
heit, diese Bezogenheit oder Verhältnismäßigkeit bezeichnet man<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[309/0324]
Die privaten Verbände.
Davon ist aber wohl zu unterscheiden der Gegensatz von ob-
jektiv-notwendigem und subjektiv-zufälligem Rechtszustand.
Was von Gesetzes wegen vorgeschrieben ist und unbedingt ge-
schehen soll, kann in genereller Abstraktheit und individueller
Konkretheit angeordnet sein (als rechtssetzende und als rechts-
anwendende Anordnung). Und was durch die zufällige Ent-
schließung Privater, durch Rechtsgeschäft entsteht, kann eben-
falls in abstrakten Regeln bestehen, die gelten wollen und für ge-
nerell bestimmte Fälle unter den vorgesehenen Voraussetzungen
zur Anwendung kommen und dann konkrete Pflichten ergeben.
Ein Genossenschaftsstatut, eine Fabrikordnung, eine Benutzungs-
ordnung unter Miteigentümern stellt solche Regeln auf. Aber auch
jeder Vertrag kann es tun, sofern er für Fälle bestimmt, die ab-
strakt umschrieben werden: zwischen einem Vermieter und einem
Mieter besteht die Abmachung, daß alle kleineren Schäden vom
Vermieter, alle größeren vom Vermieter auf Anzeige hin auszu-
bessern sind, eine abstrakte und, wenn man will, eine rechtssetzende
Anordnung, insofern als diese vertragliche Lex zur Grundlage für
die Entscheidung der konkreten Schadensfälle genommen werden
muß. Im Verhältnis zu dieser vertraglichen Vorschrift ist die
Entscheidung des konkreten Anspruches auf Ausbesserung Rechts-
anwendung. Aber daß jene Regel, aus welcher der konkrete An-
spruch abzuleiten ist, (von den Vertragsparteien) überhaupt ge-
setzt worden ist, ist vom Standpunkt des objektiven Rechtes aus
ein Zufall, ebenso wie die Anwendung der Regel ein Zufall ist; denn
kein (von Staats wegen geltender) Rechtssatz fordert, daß ein
solcher Mietvertrag abgeschlossen und daß er ausgeführt werde;
die Beteiligten (bzw. der Berechtigte) entscheiden darüber nach
Willkür. Was aber das Gesetz vorschreibt, gilt unbedingt (soweit
es nicht selbst vom Gesetzgeber Bedingungen unterworfen worden
ist) und es muß unbedingt angewendet werden: der Rechtssatz
und seine Anwendung gelten unbedingt und müssen so sein, wie
sie sind; sie gehören beide dem objektiven Recht an, in dem Sinn,
daß sie notwendig gelten, im Gegensatz zu den von Privaten ge-
troffenen Anordnungen (in abstrakter oder konkreter Form), die,
per definitionem, nur bedingt gelten, sofern nämlich die Privaten
bzw. der „Berechtigte“ es so haben wollen. Eben diese Bedingt-
heit, diese Bezogenheit oder Verhältnismäßigkeit bezeichnet man
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/324>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.