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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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II. Teil. Die staatliche Verfassung.
konkreten Verschulden des Täters. Dem Verschulden des Ver-
brechers, der durch einen anderen gereizt, ihn im Affekte tot-
schlägt1, würde eine Strafe nicht entsprechen, durch die der
Täter vom unbeteiligten, unpersönlichen Vertreter der Rechts-
ordnung nach objektiver Abwägung und in voll bewußter Ent-
schließung vom Leben zum Tode gebracht würde, eben deshalb,
weil der Private, der dasselbe (diese kalt überlegte Tötung) außer
einem Strafverfahren einem anderen zufügt, eine weit schwerere
Rechtsverletzung damit beginge, als die Tat des Verbrechers war.
Die Frage, ob die Todesstrafe nicht die gerechte Strafe sei, ent-
steht aber dann, wenn der Verbrecher seine Tat ebenso klar und
vollabsichtlich begangen hat, wie der Staat seine Strafe verhängt,
sofern das überhaupt vorkommt.

Die Notwendigkeit der Strafe überhaupt ergibt sich also aus
der Erzwingbarkeit des Rechts; und daraus ergibt sich auch, daß
die Schwere der Strafe mit der Schwere des Verbrechens, d. h. mit
der bewußten Absichtlichkeit des Täters, und dem Wert des ver-
letzten Gutes im Einklang stehen muß; dies abzuwägen ist hier
die Aufgabe des Gesetzgebers (vgl. S. 241 ff.).

Einer solchen Strafe bedarf die Rechtsordnung und nur sie:
Die Erziehung (von nicht voll verantwortlichen Kindern) bedarf
der Strafe als Erziehungsmittel, d. h. zum Zwecke, dem fehlbaren
Kinde die Schwere seines Fehlers zum Bewußtsein zu bringen;
um es zur Einsicht seiner Schuld und zur Reue zu führen. Die
sittliche Ordnung aber, die für Verantwortliche gilt und die nicht
ausgeht auf Zwang, sondern Erfassung des freien Willens durch
eigene Einsicht, verwendet die Strafe nicht. Das Gewissensgebot
verlangt freiwilligen Gehorsam; ihm kann nur genügt werden
durch freie Entschließung aus eigener Einsicht und, wenn es ver-
letzt worden ist, so würde die aufgezwungene Strafe keine Wieder-
herstellung bedeuten; das schafft nur die eigener Einsicht und
eigenem Willen entsprungene Verurteilung: die aufrichtige An-
erkennung der Schuld und die Reue. Die Strafe kann zwar (da
kein Mensch vollkommen ist und keiner Erziehung mehr bedürftig
wäre) immer als Mittel zur Erziehung des Fehlbaren gedacht

1 Noch viel weniger, wenn er aus Unachtsamkeit seinen Tod ver-
ursacht.

II. Teil. Die staatliche Verfassung.
konkreten Verschulden des Täters. Dem Verschulden des Ver-
brechers, der durch einen anderen gereizt, ihn im Affekte tot-
schlägt1, würde eine Strafe nicht entsprechen, durch die der
Täter vom unbeteiligten, unpersönlichen Vertreter der Rechts-
ordnung nach objektiver Abwägung und in voll bewußter Ent-
schließung vom Leben zum Tode gebracht würde, eben deshalb,
weil der Private, der dasselbe (diese kalt überlegte Tötung) außer
einem Strafverfahren einem anderen zufügt, eine weit schwerere
Rechtsverletzung damit beginge, als die Tat des Verbrechers war.
Die Frage, ob die Todesstrafe nicht die gerechte Strafe sei, ent-
steht aber dann, wenn der Verbrecher seine Tat ebenso klar und
vollabsichtlich begangen hat, wie der Staat seine Strafe verhängt,
sofern das überhaupt vorkommt.

Die Notwendigkeit der Strafe überhaupt ergibt sich also aus
der Erzwingbarkeit des Rechts; und daraus ergibt sich auch, daß
die Schwere der Strafe mit der Schwere des Verbrechens, d. h. mit
der bewußten Absichtlichkeit des Täters, und dem Wert des ver-
letzten Gutes im Einklang stehen muß; dies abzuwägen ist hier
die Aufgabe des Gesetzgebers (vgl. S. 241 ff.).

Einer solchen Strafe bedarf die Rechtsordnung und nur sie:
Die Erziehung (von nicht voll verantwortlichen Kindern) bedarf
der Strafe als Erziehungsmittel, d. h. zum Zwecke, dem fehlbaren
Kinde die Schwere seines Fehlers zum Bewußtsein zu bringen;
um es zur Einsicht seiner Schuld und zur Reue zu führen. Die
sittliche Ordnung aber, die für Verantwortliche gilt und die nicht
ausgeht auf Zwang, sondern Erfassung des freien Willens durch
eigene Einsicht, verwendet die Strafe nicht. Das Gewissensgebot
verlangt freiwilligen Gehorsam; ihm kann nur genügt werden
durch freie Entschließung aus eigener Einsicht und, wenn es ver-
letzt worden ist, so würde die aufgezwungene Strafe keine Wieder-
herstellung bedeuten; das schafft nur die eigener Einsicht und
eigenem Willen entsprungene Verurteilung: die aufrichtige An-
erkennung der Schuld und die Reue. Die Strafe kann zwar (da
kein Mensch vollkommen ist und keiner Erziehung mehr bedürftig
wäre) immer als Mittel zur Erziehung des Fehlbaren gedacht

1 Noch viel weniger, wenn er aus Unachtsamkeit seinen Tod ver-
ursacht.
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[304/0319] II. Teil. Die staatliche Verfassung. konkreten Verschulden des Täters. Dem Verschulden des Ver- brechers, der durch einen anderen gereizt, ihn im Affekte tot- schlägt 1, würde eine Strafe nicht entsprechen, durch die der Täter vom unbeteiligten, unpersönlichen Vertreter der Rechts- ordnung nach objektiver Abwägung und in voll bewußter Ent- schließung vom Leben zum Tode gebracht würde, eben deshalb, weil der Private, der dasselbe (diese kalt überlegte Tötung) außer einem Strafverfahren einem anderen zufügt, eine weit schwerere Rechtsverletzung damit beginge, als die Tat des Verbrechers war. Die Frage, ob die Todesstrafe nicht die gerechte Strafe sei, ent- steht aber dann, wenn der Verbrecher seine Tat ebenso klar und vollabsichtlich begangen hat, wie der Staat seine Strafe verhängt, sofern das überhaupt vorkommt. Die Notwendigkeit der Strafe überhaupt ergibt sich also aus der Erzwingbarkeit des Rechts; und daraus ergibt sich auch, daß die Schwere der Strafe mit der Schwere des Verbrechens, d. h. mit der bewußten Absichtlichkeit des Täters, und dem Wert des ver- letzten Gutes im Einklang stehen muß; dies abzuwägen ist hier die Aufgabe des Gesetzgebers (vgl. S. 241 ff.). Einer solchen Strafe bedarf die Rechtsordnung und nur sie: Die Erziehung (von nicht voll verantwortlichen Kindern) bedarf der Strafe als Erziehungsmittel, d. h. zum Zwecke, dem fehlbaren Kinde die Schwere seines Fehlers zum Bewußtsein zu bringen; um es zur Einsicht seiner Schuld und zur Reue zu führen. Die sittliche Ordnung aber, die für Verantwortliche gilt und die nicht ausgeht auf Zwang, sondern Erfassung des freien Willens durch eigene Einsicht, verwendet die Strafe nicht. Das Gewissensgebot verlangt freiwilligen Gehorsam; ihm kann nur genügt werden durch freie Entschließung aus eigener Einsicht und, wenn es ver- letzt worden ist, so würde die aufgezwungene Strafe keine Wieder- herstellung bedeuten; das schafft nur die eigener Einsicht und eigenem Willen entsprungene Verurteilung: die aufrichtige An- erkennung der Schuld und die Reue. Die Strafe kann zwar (da kein Mensch vollkommen ist und keiner Erziehung mehr bedürftig wäre) immer als Mittel zur Erziehung des Fehlbaren gedacht 1 Noch viel weniger, wenn er aus Unachtsamkeit seinen Tod ver- ursacht.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/319>, abgerufen am 25.11.2024.