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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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II. Teil. Die staatliche Verfassung.
kraft ihrer statutarischen "Zuständigkeit" für die Mitglieder ver-
bindliche Verhaltungsmaßregeln aufstellen (z. B. betr. die gemein-
schaftliche Unterhaltung und Benutzung der genossenschaftlichen
Anstalten), und der Vorstand kann dieses "Recht" verbindlich
auf die Mitglieder "anwenden". Die beiden Anordnungen verhalten
sich zueinander wie Rechtssetzung und Rechtsanwendung; aber
es ist nicht objektives Recht, das hier gesetzt und angewendet wird,
sondern subjektives, rechtsgeschäftliches, zufälliges; und hier, bei
der Erörterung der staatlichen Funktionen, sprechen wir nur vom
objektiven Recht. Die privatrechtliche Nachbildung der staat-
lichen Organisation in der juristischen Person soll später (S.307)
besprochen werden.

Es ist also unrichtig, Rechtssetzung und Rechtsanwendung
grundsätzlich auf eine Linie zu stellen, den Gegensatz nur als
relativ zu bezeichnen1, als ob das Urteil (oder die Verfügung) nur
ein spezielles Gesetz wäre, als ob alles "Rechtserzeugung" wäre
in engerem oder weiterem Rahmen. Der Gegensatz von Rechts-
setzung und Rechtsanwendung beruht nicht wesentlich auf dem
Gegensatz des Allgemeinen und Besonderen; dieser Gegensatz
ist allerdings relativ und unendlicher Abstufung fähig2. Er ent-

1 Wie es die "Stufentheorie" einiger österreichischer Gelehrter tut:
Kelsen, Allgemeine Staatslehre (1925) 231 ff., 243 ff., 263; Zeitschrift für
öffentliches Recht 5 80; Merkl, Die Lehre von der Rechtskraft (1923) 181 ff.;
vgl. auch Verdroß, Die Einheit des rechtlichen Weltbildes (1923) 49;
Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft (1926) 6; Thoma in der Fest-
gabe für O. Mayer (1918) 174.
2 Beides wird fortwährend verwechselt: Thoma, Der Polizeibefehl
im badischen Recht (1908) 59 ff.; Marschall von Biberstein, Verant-
wortlichkeit und Gegenzeichnung (1911) 210; Jellinek, Gesetz und Ver-
ordnung (1887) 235; Wolzendorff, Die Grenzen der Polizeigewalt II (1908)
86; Sarwey, Das öffentliche Recht und die Verwaltungsrechtspflege (1880)
149; Laband, Staatsrecht II, 193, vgl. 2; Löning, Lehrbuch des deut-
schen Verwaltungsrechts (1884) 240; Andersen, Ungültige Verwaltungs-
akte (1927) 28; vgl. auch Alfred Rohrer, Verhältnis von Verordnung und
Verfügung im Polizeirecht (Zürich, Diss. 1922) 41; Walter Schneider,
Die Verordnung im Rechtsstaat (Zürich, Diss. 1918) 19, 76. -- Bernatzik,
Rechtsprechung und materielle Rechtskraft 4 ff., stellt richtig ab auf den
Gegensatz von abstrakt und konkret; aber dann ist eine "generelle Ver-
fügung" keine contradictio in adjecto, da eine Verfügung sehr generell

II. Teil. Die staatliche Verfassung.
kraft ihrer statutarischen „Zuständigkeit“ für die Mitglieder ver-
bindliche Verhaltungsmaßregeln aufstellen (z. B. betr. die gemein-
schaftliche Unterhaltung und Benutzung der genossenschaftlichen
Anstalten), und der Vorstand kann dieses „Recht“ verbindlich
auf die Mitglieder „anwenden“. Die beiden Anordnungen verhalten
sich zueinander wie Rechtssetzung und Rechtsanwendung; aber
es ist nicht objektives Recht, das hier gesetzt und angewendet wird,
sondern subjektives, rechtsgeschäftliches, zufälliges; und hier, bei
der Erörterung der staatlichen Funktionen, sprechen wir nur vom
objektiven Recht. Die privatrechtliche Nachbildung der staat-
lichen Organisation in der juristischen Person soll später (S.307)
besprochen werden.

Es ist also unrichtig, Rechtssetzung und Rechtsanwendung
grundsätzlich auf eine Linie zu stellen, den Gegensatz nur als
relativ zu bezeichnen1, als ob das Urteil (oder die Verfügung) nur
ein spezielles Gesetz wäre, als ob alles „Rechtserzeugung“ wäre
in engerem oder weiterem Rahmen. Der Gegensatz von Rechts-
setzung und Rechtsanwendung beruht nicht wesentlich auf dem
Gegensatz des Allgemeinen und Besonderen; dieser Gegensatz
ist allerdings relativ und unendlicher Abstufung fähig2. Er ent-

1 Wie es die „Stufentheorie“ einiger österreichischer Gelehrter tut:
Kelsen, Allgemeine Staatslehre (1925) 231 ff., 243 ff., 263; Zeitschrift für
öffentliches Recht 5 80; Merkl, Die Lehre von der Rechtskraft (1923) 181 ff.;
vgl. auch Verdroß, Die Einheit des rechtlichen Weltbildes (1923) 49;
Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft (1926) 6; Thoma in der Fest-
gabe für O. Mayer (1918) 174.
2 Beides wird fortwährend verwechselt: Thoma, Der Polizeibefehl
im badischen Recht (1908) 59 ff.; Marschall von Biberstein, Verant-
wortlichkeit und Gegenzeichnung (1911) 210; Jellinek, Gesetz und Ver-
ordnung (1887) 235; Wolzendorff, Die Grenzen der Polizeigewalt II (1908)
86; Sarwey, Das öffentliche Recht und die Verwaltungsrechtspflege (1880)
149; Laband, Staatsrecht II, 193, vgl. 2; Löning, Lehrbuch des deut-
schen Verwaltungsrechts (1884) 240; Andersen, Ungültige Verwaltungs-
akte (1927) 28; vgl. auch Alfred Rohrer, Verhältnis von Verordnung und
Verfügung im Polizeirecht (Zürich, Diss. 1922) 41; Walter Schneider,
Die Verordnung im Rechtsstaat (Zürich, Diss. 1918) 19, 76. — Bernatzik,
Rechtsprechung und materielle Rechtskraft 4 ff., stellt richtig ab auf den
Gegensatz von abstrakt und konkret; aber dann ist eine „generelle Ver-
fügung“ keine contradictio in adjecto, da eine Verfügung sehr generell
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[274/0289] II. Teil. Die staatliche Verfassung. kraft ihrer statutarischen „Zuständigkeit“ für die Mitglieder ver- bindliche Verhaltungsmaßregeln aufstellen (z. B. betr. die gemein- schaftliche Unterhaltung und Benutzung der genossenschaftlichen Anstalten), und der Vorstand kann dieses „Recht“ verbindlich auf die Mitglieder „anwenden“. Die beiden Anordnungen verhalten sich zueinander wie Rechtssetzung und Rechtsanwendung; aber es ist nicht objektives Recht, das hier gesetzt und angewendet wird, sondern subjektives, rechtsgeschäftliches, zufälliges; und hier, bei der Erörterung der staatlichen Funktionen, sprechen wir nur vom objektiven Recht. Die privatrechtliche Nachbildung der staat- lichen Organisation in der juristischen Person soll später (S.307) besprochen werden. Es ist also unrichtig, Rechtssetzung und Rechtsanwendung grundsätzlich auf eine Linie zu stellen, den Gegensatz nur als relativ zu bezeichnen 1, als ob das Urteil (oder die Verfügung) nur ein spezielles Gesetz wäre, als ob alles „Rechtserzeugung“ wäre in engerem oder weiterem Rahmen. Der Gegensatz von Rechts- setzung und Rechtsanwendung beruht nicht wesentlich auf dem Gegensatz des Allgemeinen und Besonderen; dieser Gegensatz ist allerdings relativ und unendlicher Abstufung fähig 2. Er ent- 1 Wie es die „Stufentheorie“ einiger österreichischer Gelehrter tut: Kelsen, Allgemeine Staatslehre (1925) 231 ff., 243 ff., 263; Zeitschrift für öffentliches Recht 5 80; Merkl, Die Lehre von der Rechtskraft (1923) 181 ff.; vgl. auch Verdroß, Die Einheit des rechtlichen Weltbildes (1923) 49; Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft (1926) 6; Thoma in der Fest- gabe für O. Mayer (1918) 174. 2 Beides wird fortwährend verwechselt: Thoma, Der Polizeibefehl im badischen Recht (1908) 59 ff.; Marschall von Biberstein, Verant- wortlichkeit und Gegenzeichnung (1911) 210; Jellinek, Gesetz und Ver- ordnung (1887) 235; Wolzendorff, Die Grenzen der Polizeigewalt II (1908) 86; Sarwey, Das öffentliche Recht und die Verwaltungsrechtspflege (1880) 149; Laband, Staatsrecht II, 193, vgl. 2; Löning, Lehrbuch des deut- schen Verwaltungsrechts (1884) 240; Andersen, Ungültige Verwaltungs- akte (1927) 28; vgl. auch Alfred Rohrer, Verhältnis von Verordnung und Verfügung im Polizeirecht (Zürich, Diss. 1922) 41; Walter Schneider, Die Verordnung im Rechtsstaat (Zürich, Diss. 1918) 19, 76. — Bernatzik, Rechtsprechung und materielle Rechtskraft 4 ff., stellt richtig ab auf den Gegensatz von abstrakt und konkret; aber dann ist eine „generelle Ver- fügung“ keine contradictio in adjecto, da eine Verfügung sehr generell

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/289>, abgerufen am 22.11.2024.