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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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Die Rechtsanwendung.
hinstellen. Wenn das Gesetz die Voraussetzung, unter welchen
durch Rechtsgeschäfte verbindliche Rechtsverhältnisse begründet
werden können, bestimmt, z. B. indem es erklärt, daß ein Ehe-
vertrag unter Ehegatten in besonderer öffentlicher Beurkundung
einem der gesetzlichen Ehestände gemäß abgeschlossen werden kann
(SchwZGB Art. 179--181), will es sagen, daß die Abmachungen,
die unter Ehegatten in diesem Rahmen getroffen werden, vom Rich-
ter geschützt und mit seiner Anerkennung vollzogen werden sollen.
Der Abschluß des Vertrages ist keineswegs die Anwendung des
Gesetzes in unserem Sinn, denn das Gesetz schreibt den Abschluß
weder vor, noch verbietet es ihn, und die Privaten vermöchten auch
nicht, das Gesetz in verbindlicher Weise anzuwenden. Angewendet
wird es vielmehr, und das ist die einzige Anwendung des Ge-
setzes, durch das gerichtliche Urteil, welches dem klagenden Ehe-
gatten seine vertraglichen Ansprüche aus dem Vertrag zuspricht
oder versagt. Vom Standpunkte des einen objektiven Rechts
setzen die Eheleute, indem sie den Vertrag schließen, den Tat-
bestand, von dem das Gesetz die Zusprechung gewisser subjektiver
Ansprüche abhängig macht. Man mag das im weiteren Sinne die
"Anwendung" des Gesetzes nennen1. Aber das objektive Recht,
und davon sprachen wir, wird nur einmal (in bezug auf den gleichen
Gegenstand) gesetzt und einmal angewendet, beides durch die
staatliche Behörde. Und was die staatliche Behörde in verbind-
licher Weise anordnet, ist entweder Rechtssetzung oder Rechts-
anwendung (oder -vollziehung).

Mit einem Vorbehalt immerhin: was die staatliche Behörde,
die das objektive Recht verwirklicht, anordnet, ist entweder
Rechtssetzung oder Rechtsanwendung (bzw. Vollstreckung). Wenn
aber Private durch gewillkürtes Rechtsgeschäft, durch die statuten-
mäßige Begründung einer privaten Genossenschaft, dasjenige für
das Gebiet der (privaten) Rechtsverhältnisse schaffen, was der
Staat für das objektive Recht ist, die zuständige Organisation,
so wiederholt sich auch die Erscheinung, daß, für einen be-
schränkten Kreis, Recht gesetzt und angewendet wird. Die Mit-
gliederversammlung eines organisierten (privaten) Verbandes kann,

1 Wie es vielfach geschieht; es wird ja auch die gleiche geistige Arbeit
geleistet, aber ohne die spezifische Wirkung der Rechtsanwendung, wie oben
S. 268, Anm. 1 bemerkt.
Burckhardt, Organisation. 18

Die Rechtsanwendung.
hinstellen. Wenn das Gesetz die Voraussetzung, unter welchen
durch Rechtsgeschäfte verbindliche Rechtsverhältnisse begründet
werden können, bestimmt, z. B. indem es erklärt, daß ein Ehe-
vertrag unter Ehegatten in besonderer öffentlicher Beurkundung
einem der gesetzlichen Ehestände gemäß abgeschlossen werden kann
(SchwZGB Art. 179—181), will es sagen, daß die Abmachungen,
die unter Ehegatten in diesem Rahmen getroffen werden, vom Rich-
ter geschützt und mit seiner Anerkennung vollzogen werden sollen.
Der Abschluß des Vertrages ist keineswegs die Anwendung des
Gesetzes in unserem Sinn, denn das Gesetz schreibt den Abschluß
weder vor, noch verbietet es ihn, und die Privaten vermöchten auch
nicht, das Gesetz in verbindlicher Weise anzuwenden. Angewendet
wird es vielmehr, und das ist die einzige Anwendung des Ge-
setzes, durch das gerichtliche Urteil, welches dem klagenden Ehe-
gatten seine vertraglichen Ansprüche aus dem Vertrag zuspricht
oder versagt. Vom Standpunkte des einen objektiven Rechts
setzen die Eheleute, indem sie den Vertrag schließen, den Tat-
bestand, von dem das Gesetz die Zusprechung gewisser subjektiver
Ansprüche abhängig macht. Man mag das im weiteren Sinne die
„Anwendung“ des Gesetzes nennen1. Aber das objektive Recht,
und davon sprachen wir, wird nur einmal (in bezug auf den gleichen
Gegenstand) gesetzt und einmal angewendet, beides durch die
staatliche Behörde. Und was die staatliche Behörde in verbind-
licher Weise anordnet, ist entweder Rechtssetzung oder Rechts-
anwendung (oder -vollziehung).

Mit einem Vorbehalt immerhin: was die staatliche Behörde,
die das objektive Recht verwirklicht, anordnet, ist entweder
Rechtssetzung oder Rechtsanwendung (bzw. Vollstreckung). Wenn
aber Private durch gewillkürtes Rechtsgeschäft, durch die statuten-
mäßige Begründung einer privaten Genossenschaft, dasjenige für
das Gebiet der (privaten) Rechtsverhältnisse schaffen, was der
Staat für das objektive Recht ist, die zuständige Organisation,
so wiederholt sich auch die Erscheinung, daß, für einen be-
schränkten Kreis, Recht gesetzt und angewendet wird. Die Mit-
gliederversammlung eines organisierten (privaten) Verbandes kann,

1 Wie es vielfach geschieht; es wird ja auch die gleiche geistige Arbeit
geleistet, aber ohne die spezifische Wirkung der Rechtsanwendung, wie oben
S. 268, Anm. 1 bemerkt.
Burckhardt, Organisation. 18
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[273/0288] Die Rechtsanwendung. hinstellen. Wenn das Gesetz die Voraussetzung, unter welchen durch Rechtsgeschäfte verbindliche Rechtsverhältnisse begründet werden können, bestimmt, z. B. indem es erklärt, daß ein Ehe- vertrag unter Ehegatten in besonderer öffentlicher Beurkundung einem der gesetzlichen Ehestände gemäß abgeschlossen werden kann (SchwZGB Art. 179—181), will es sagen, daß die Abmachungen, die unter Ehegatten in diesem Rahmen getroffen werden, vom Rich- ter geschützt und mit seiner Anerkennung vollzogen werden sollen. Der Abschluß des Vertrages ist keineswegs die Anwendung des Gesetzes in unserem Sinn, denn das Gesetz schreibt den Abschluß weder vor, noch verbietet es ihn, und die Privaten vermöchten auch nicht, das Gesetz in verbindlicher Weise anzuwenden. Angewendet wird es vielmehr, und das ist die einzige Anwendung des Ge- setzes, durch das gerichtliche Urteil, welches dem klagenden Ehe- gatten seine vertraglichen Ansprüche aus dem Vertrag zuspricht oder versagt. Vom Standpunkte des einen objektiven Rechts setzen die Eheleute, indem sie den Vertrag schließen, den Tat- bestand, von dem das Gesetz die Zusprechung gewisser subjektiver Ansprüche abhängig macht. Man mag das im weiteren Sinne die „Anwendung“ des Gesetzes nennen 1. Aber das objektive Recht, und davon sprachen wir, wird nur einmal (in bezug auf den gleichen Gegenstand) gesetzt und einmal angewendet, beides durch die staatliche Behörde. Und was die staatliche Behörde in verbind- licher Weise anordnet, ist entweder Rechtssetzung oder Rechts- anwendung (oder -vollziehung). Mit einem Vorbehalt immerhin: was die staatliche Behörde, die das objektive Recht verwirklicht, anordnet, ist entweder Rechtssetzung oder Rechtsanwendung (bzw. Vollstreckung). Wenn aber Private durch gewillkürtes Rechtsgeschäft, durch die statuten- mäßige Begründung einer privaten Genossenschaft, dasjenige für das Gebiet der (privaten) Rechtsverhältnisse schaffen, was der Staat für das objektive Recht ist, die zuständige Organisation, so wiederholt sich auch die Erscheinung, daß, für einen be- schränkten Kreis, Recht gesetzt und angewendet wird. Die Mit- gliederversammlung eines organisierten (privaten) Verbandes kann, 1 Wie es vielfach geschieht; es wird ja auch die gleiche geistige Arbeit geleistet, aber ohne die spezifische Wirkung der Rechtsanwendung, wie oben S. 268, Anm. 1 bemerkt. Burckhardt, Organisation. 18

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/288>, abgerufen am 22.11.2024.