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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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II. Teil. Die staatliche Verfassung.
Am Richter ist es aber stets, den Entscheid zu treffen; der Ent-
scheid war vor seinem Spruch, vor seiner Praxis noch nicht ge-
troffen. Und ob der Richter einmal einen solchen Rechtssatz an-
wenden dürfe, trotzdem er ihn nicht im Gesetze findet, führt auf
die vorhin (S. 226) erörterte Frage zurück.

b) Das öffentliche Recht dagegen ist das zwingende, von
Amts wegen anzuwendende Recht, mit Inbegriff der Normen über
die Grenzen der Vertragsfreiheit.

Die öffentlich-rechtlichen Normen nun, welche nur die Be-
hörden verpflichten (und Privatpersonen nur "berechtigen"), z. B.
die Vorschriften über den Betrieb gemeinnütziger Anstalten oder
die Unterstützung der Armen, können natürlich nur von diesen
Behörden, an die sie gerichtet sind, betätigt werden; die Übung von
Maximen solcher Art ist notwendig eine Übung der Behörden.

Die Normen aber, welche den Privatpersonen ein aktives oder
passives Verhalten vorschreiben, z. B. die Pflicht der Mitwirkung
durch Rat und Tat bei der Verwaltung der öffentlichen Angelegen-
heiten (wie die Steuer-, die Gerichtspflicht, oder der Amtszwang)
oder die Pflicht, die gute Ordnung nicht zu stören (die Polizei-
pflicht), können zwar wohl von den Privaten befolgt oder verletzt
werden; aber die Behörde ist dabei stets auch beteiligt. Denn,
da die Norm von Amts wegen anzuwenden ist, ist jede gesetz-
widrige Unterlassung des Privaten, welche die Behörde ungerügt
läßt, und jede gesetzwidrige Handlung, der die Behörde nicht
entgegentritt, eine Unterlassung der Behörde. Zu allem Ver-
halten der Privaten, welches öffentlich-rechtlich geregelt ist, hat
die Behörde ja Stellung zu nehmen; sie ist an der Befolgung oder
Nichtbefolgung des Gesetzes nicht unbeteiligt; sie ist dafür ver-
antwortlich. Ja, sie ist daran die Hauptbeteiligte, die wirklich
Beteiligte. Ihr Verhalten wird bestimmend sein für die Frage, wie
das Gesetzesrecht angewendet, geübt worden sei; nicht das Ver-

entstehen, weder im Privatrecht noch im Völkerrecht. Ist der Vertrag
zulässig, so begründet er nur, gemäß geltendem, objektivem Recht, sub-
jektive Vertragsrechte und -pflichten. Wenn er unzulässig, zwingendem
Recht zuwider ist, so müßte er, um dem Gesetz gegenüber standzuhalten
(vgl. S. 261), durch die zuständige Behörde anerkannt werden; aber das
Völkerrecht hat ja weder "zuständige Behörden" noch zwingendes Recht.
(Vgl. unten S. 376, 388.)

II. Teil. Die staatliche Verfassung.
Am Richter ist es aber stets, den Entscheid zu treffen; der Ent-
scheid war vor seinem Spruch, vor seiner Praxis noch nicht ge-
troffen. Und ob der Richter einmal einen solchen Rechtssatz an-
wenden dürfe, trotzdem er ihn nicht im Gesetze findet, führt auf
die vorhin (S. 226) erörterte Frage zurück.

b) Das öffentliche Recht dagegen ist das zwingende, von
Amts wegen anzuwendende Recht, mit Inbegriff der Normen über
die Grenzen der Vertragsfreiheit.

Die öffentlich-rechtlichen Normen nun, welche nur die Be-
hörden verpflichten (und Privatpersonen nur „berechtigen“), z. B.
die Vorschriften über den Betrieb gemeinnütziger Anstalten oder
die Unterstützung der Armen, können natürlich nur von diesen
Behörden, an die sie gerichtet sind, betätigt werden; die Übung von
Maximen solcher Art ist notwendig eine Übung der Behörden.

Die Normen aber, welche den Privatpersonen ein aktives oder
passives Verhalten vorschreiben, z. B. die Pflicht der Mitwirkung
durch Rat und Tat bei der Verwaltung der öffentlichen Angelegen-
heiten (wie die Steuer-, die Gerichtspflicht, oder der Amtszwang)
oder die Pflicht, die gute Ordnung nicht zu stören (die Polizei-
pflicht), können zwar wohl von den Privaten befolgt oder verletzt
werden; aber die Behörde ist dabei stets auch beteiligt. Denn,
da die Norm von Amts wegen anzuwenden ist, ist jede gesetz-
widrige Unterlassung des Privaten, welche die Behörde ungerügt
läßt, und jede gesetzwidrige Handlung, der die Behörde nicht
entgegentritt, eine Unterlassung der Behörde. Zu allem Ver-
halten der Privaten, welches öffentlich-rechtlich geregelt ist, hat
die Behörde ja Stellung zu nehmen; sie ist an der Befolgung oder
Nichtbefolgung des Gesetzes nicht unbeteiligt; sie ist dafür ver-
antwortlich. Ja, sie ist daran die Hauptbeteiligte, die wirklich
Beteiligte. Ihr Verhalten wird bestimmend sein für die Frage, wie
das Gesetzesrecht angewendet, geübt worden sei; nicht das Ver-

entstehen, weder im Privatrecht noch im Völkerrecht. Ist der Vertrag
zulässig, so begründet er nur, gemäß geltendem, objektivem Recht, sub-
jektive Vertragsrechte und -pflichten. Wenn er unzulässig, zwingendem
Recht zuwider ist, so müßte er, um dem Gesetz gegenüber standzuhalten
(vgl. S. 261), durch die zuständige Behörde anerkannt werden; aber das
Völkerrecht hat ja weder „zuständige Behörden“ noch zwingendes Recht.
(Vgl. unten S. 376, 388.)
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[228/0243] II. Teil. Die staatliche Verfassung. Am Richter ist es aber stets, den Entscheid zu treffen; der Ent- scheid war vor seinem Spruch, vor seiner Praxis noch nicht ge- troffen. Und ob der Richter einmal einen solchen Rechtssatz an- wenden dürfe, trotzdem er ihn nicht im Gesetze findet, führt auf die vorhin (S. 226) erörterte Frage zurück. b) Das öffentliche Recht dagegen ist das zwingende, von Amts wegen anzuwendende Recht, mit Inbegriff der Normen über die Grenzen der Vertragsfreiheit. Die öffentlich-rechtlichen Normen nun, welche nur die Be- hörden verpflichten (und Privatpersonen nur „berechtigen“), z. B. die Vorschriften über den Betrieb gemeinnütziger Anstalten oder die Unterstützung der Armen, können natürlich nur von diesen Behörden, an die sie gerichtet sind, betätigt werden; die Übung von Maximen solcher Art ist notwendig eine Übung der Behörden. Die Normen aber, welche den Privatpersonen ein aktives oder passives Verhalten vorschreiben, z. B. die Pflicht der Mitwirkung durch Rat und Tat bei der Verwaltung der öffentlichen Angelegen- heiten (wie die Steuer-, die Gerichtspflicht, oder der Amtszwang) oder die Pflicht, die gute Ordnung nicht zu stören (die Polizei- pflicht), können zwar wohl von den Privaten befolgt oder verletzt werden; aber die Behörde ist dabei stets auch beteiligt. Denn, da die Norm von Amts wegen anzuwenden ist, ist jede gesetz- widrige Unterlassung des Privaten, welche die Behörde ungerügt läßt, und jede gesetzwidrige Handlung, der die Behörde nicht entgegentritt, eine Unterlassung der Behörde. Zu allem Ver- halten der Privaten, welches öffentlich-rechtlich geregelt ist, hat die Behörde ja Stellung zu nehmen; sie ist an der Befolgung oder Nichtbefolgung des Gesetzes nicht unbeteiligt; sie ist dafür ver- antwortlich. Ja, sie ist daran die Hauptbeteiligte, die wirklich Beteiligte. Ihr Verhalten wird bestimmend sein für die Frage, wie das Gesetzesrecht angewendet, geübt worden sei; nicht das Ver- 3 3 entstehen, weder im Privatrecht noch im Völkerrecht. Ist der Vertrag zulässig, so begründet er nur, gemäß geltendem, objektivem Recht, sub- jektive Vertragsrechte und -pflichten. Wenn er unzulässig, zwingendem Recht zuwider ist, so müßte er, um dem Gesetz gegenüber standzuhalten (vgl. S. 261), durch die zuständige Behörde anerkannt werden; aber das Völkerrecht hat ja weder „zuständige Behörden“ noch zwingendes Recht. (Vgl. unten S. 376, 388.)

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/243>, abgerufen am 22.11.2024.