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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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Die Geltung des Rechts.
Macht im Lande. Die mit den obersten Zwangsbefugnissen aus-
gerüsteten Personen (der Monarch, der Rat, die Regierung) werden
diese Macht in der Regel nur haben, weil sie von vielen anderen
Personen darin unterstützt werden, und diese Unterstützung wird
ihnen in der Regel nur zuteil werden, weil jene Amtspersonen
sich in den Dienst derjenigen Rechtsordnung stellen, welche die
vielen haben wollen; aber das Wesentliche ist, daß sie zur Durch-
setzung der betreffenden Rechtsordnung eben doch die Macht
haben und daß es die überwältigende Macht ist; ob sie sich auf die
Mehrheit des Volkes oder auf eine ergebene Armee stützen, ist
gleichgültig; wenn nur schließlich die Kanonen ihnen gehorchen
und nicht den anderen.

Die Frage ist, wie bemerkt, nicht, ob sich der Zwangsapparat
ausnahmslos durchsetze und bewähre: ob alle Schelmen gefangen
und alles Einkommen besteuert; ob alle Widerspenstigen über-
wältigt werden und alle Staatsdiener unbestechlich seien. Kein
Zwangsapparat wird so genau arbeiten, daß ihm keine Rechts-
widrigkeit entgeht1. Das Entscheidende ist vielmehr, ob sich die
Macht der gesetzlichen Organisation gegen jede andere Macht
durchzusetzen vermöge oder ob sich gegen sie eine andere physische
Macht erhebe, die ihr offen den Boden streitig macht und ihr den
Anspruch abspricht, die höchste Macht im Lande zu sein, sei es
im Namen einer anderen Rechtsordnung (Verfassung) oder in
grundsätzlicher Gegnerschaft gegen jede Rechtsordnung über-
haupt2. Sobald die Überlegenheit der Macht der bestehenden
Organisation über gegnerische Mächte zweifelhaft wird, wird
auch die Geltung der Rechtsordnung, der die Organisation dient,

Die Gleichheit vor dem Gesetz (1925) 62 ff.; Pitamic in der Internatio-
nalen Zeitschrift für Theorie des Rechts I 49. Vgl. auch: Di Carlo,
Forza e diritto, discorso d' inaugurazione, im Annuario della Universita
degli studi di Camerino (1924) 33 ff.
1 Das relative Kriterium einer wahrscheinlichen, regelmäßigen
Durchsetzung im Einzelfall wird häufig verwendet; z. B. von Stammler,
Das Recht im herrenlosen Gebiet, Abhandlungen I 367, 369; Sauer,
Grundlagen der Gesellschaft (1924) 419, "generelle" Erzwingbarkeit; Hold-
Ferneck,
Der Staat als Übermensch (1926).
2 Wer sich der gesetzlichen Zwangsgewalt durch List entzieht, stellt
sie nicht in Frage; wohl aber, wer ihr selbst mit Gewalt entgegentritt.

Die Geltung des Rechts.
Macht im Lande. Die mit den obersten Zwangsbefugnissen aus-
gerüsteten Personen (der Monarch, der Rat, die Regierung) werden
diese Macht in der Regel nur haben, weil sie von vielen anderen
Personen darin unterstützt werden, und diese Unterstützung wird
ihnen in der Regel nur zuteil werden, weil jene Amtspersonen
sich in den Dienst derjenigen Rechtsordnung stellen, welche die
vielen haben wollen; aber das Wesentliche ist, daß sie zur Durch-
setzung der betreffenden Rechtsordnung eben doch die Macht
haben und daß es die überwältigende Macht ist; ob sie sich auf die
Mehrheit des Volkes oder auf eine ergebene Armee stützen, ist
gleichgültig; wenn nur schließlich die Kanonen ihnen gehorchen
und nicht den anderen.

Die Frage ist, wie bemerkt, nicht, ob sich der Zwangsapparat
ausnahmslos durchsetze und bewähre: ob alle Schelmen gefangen
und alles Einkommen besteuert; ob alle Widerspenstigen über-
wältigt werden und alle Staatsdiener unbestechlich seien. Kein
Zwangsapparat wird so genau arbeiten, daß ihm keine Rechts-
widrigkeit entgeht1. Das Entscheidende ist vielmehr, ob sich die
Macht der gesetzlichen Organisation gegen jede andere Macht
durchzusetzen vermöge oder ob sich gegen sie eine andere physische
Macht erhebe, die ihr offen den Boden streitig macht und ihr den
Anspruch abspricht, die höchste Macht im Lande zu sein, sei es
im Namen einer anderen Rechtsordnung (Verfassung) oder in
grundsätzlicher Gegnerschaft gegen jede Rechtsordnung über-
haupt2. Sobald die Überlegenheit der Macht der bestehenden
Organisation über gegnerische Mächte zweifelhaft wird, wird
auch die Geltung der Rechtsordnung, der die Organisation dient,

Die Gleichheit vor dem Gesetz (1925) 62 ff.; Pitamic in der Internatio-
nalen Zeitschrift für Theorie des Rechts I 49. Vgl. auch: Di Carlo,
Forza e diritto, discorso d' inaugurazione, im Annuario della Università
degli studi di Camerino (1924) 33 ff.
1 Das relative Kriterium einer wahrscheinlichen, regelmäßigen
Durchsetzung im Einzelfall wird häufig verwendet; z. B. von Stammler,
Das Recht im herrenlosen Gebiet, Abhandlungen I 367, 369; Sauer,
Grundlagen der Gesellschaft (1924) 419, „generelle“ Erzwingbarkeit; Hold-
Ferneck,
Der Staat als Übermensch (1926).
2 Wer sich der gesetzlichen Zwangsgewalt durch List entzieht, stellt
sie nicht in Frage; wohl aber, wer ihr selbst mit Gewalt entgegentritt.
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[175/0190] Die Geltung des Rechts. Macht im Lande. Die mit den obersten Zwangsbefugnissen aus- gerüsteten Personen (der Monarch, der Rat, die Regierung) werden diese Macht in der Regel nur haben, weil sie von vielen anderen Personen darin unterstützt werden, und diese Unterstützung wird ihnen in der Regel nur zuteil werden, weil jene Amtspersonen sich in den Dienst derjenigen Rechtsordnung stellen, welche die vielen haben wollen; aber das Wesentliche ist, daß sie zur Durch- setzung der betreffenden Rechtsordnung eben doch die Macht haben und daß es die überwältigende Macht ist; ob sie sich auf die Mehrheit des Volkes oder auf eine ergebene Armee stützen, ist gleichgültig; wenn nur schließlich die Kanonen ihnen gehorchen und nicht den anderen. Die Frage ist, wie bemerkt, nicht, ob sich der Zwangsapparat ausnahmslos durchsetze und bewähre: ob alle Schelmen gefangen und alles Einkommen besteuert; ob alle Widerspenstigen über- wältigt werden und alle Staatsdiener unbestechlich seien. Kein Zwangsapparat wird so genau arbeiten, daß ihm keine Rechts- widrigkeit entgeht 1. Das Entscheidende ist vielmehr, ob sich die Macht der gesetzlichen Organisation gegen jede andere Macht durchzusetzen vermöge oder ob sich gegen sie eine andere physische Macht erhebe, die ihr offen den Boden streitig macht und ihr den Anspruch abspricht, die höchste Macht im Lande zu sein, sei es im Namen einer anderen Rechtsordnung (Verfassung) oder in grundsätzlicher Gegnerschaft gegen jede Rechtsordnung über- haupt 2. Sobald die Überlegenheit der Macht der bestehenden Organisation über gegnerische Mächte zweifelhaft wird, wird auch die Geltung der Rechtsordnung, der die Organisation dient, 1 1 Das relative Kriterium einer wahrscheinlichen, regelmäßigen Durchsetzung im Einzelfall wird häufig verwendet; z. B. von Stammler, Das Recht im herrenlosen Gebiet, Abhandlungen I 367, 369; Sauer, Grundlagen der Gesellschaft (1924) 419, „generelle“ Erzwingbarkeit; Hold- Ferneck, Der Staat als Übermensch (1926). 2 Wer sich der gesetzlichen Zwangsgewalt durch List entzieht, stellt sie nicht in Frage; wohl aber, wer ihr selbst mit Gewalt entgegentritt. 1 Die Gleichheit vor dem Gesetz (1925) 62 ff.; Pitamic in der Internatio- nalen Zeitschrift für Theorie des Rechts I 49. Vgl. auch: Di Carlo, Forza e diritto, discorso d' inaugurazione, im Annuario della Università degli studi di Camerino (1924) 33 ff.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/190>, abgerufen am 25.11.2024.