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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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II. Teil. Die staatliche Verfassung.
bindlich, weil er ihr zugestimmt hat, also nur für denjenigen, der
ihr zugestimmt hat oder zustimmt, sondern für jeden, der ihm
angehören soll, kraft Rechtssatzes, ex lege, ohne Rücksicht auf
seinen Willen. Wenn ein Vertrag gleichen Inhaltes wie die Ver-
fassung abgeschlossen würde, so könnten aus diesem Vertrags-
verhältnis die Pflichten der Staatszugehörigkeit, wie sie sind,
nicht erklärt werden. Denn das Verhältnis der Staatsbürger zum
Staat ist kein vertragsmäßiges1; es steht für seinen Bestand so
wenig wie für seine Entstehung und sein Erlöschen oder seine
Abänderung unter den Regeln des Vertragsrechts. Und endlich:
die staatliche Einrichtung ist nicht verbindlich aus einem vor ihr
bestehenden Rechtsgrund, einem Rechtsgeschäft nämlich, dessen
Verbindlichkeit wieder aus einer vor dem Staate schon bestehenden
Rechtsordnung abzuleiten wäre; denn die staatliche Organisation,
die Verfassung, läßt sich auf keinen anderen Rechtsgrund zurück-
führen (siehe unten S. 202).

Die staatliche Organisation ist eine rechtssatzmäßige; sie
beruht auf Rechtssatz und besteht kraft Rechtssatzes (Verfassung);
sie ist ja auch bestimmt, objektives Recht, die Rechtsordnung
des Landes, zu schaffen und anzuwenden. Das macht ihre Bestim-
mung und ihr Wesen aus2.

Es gibt allerdings auch Organisationen, die auf Rechtsgeschäft
beruhen: die organisierten Verbände des Privatrechts. Solche
Organisationen sind gegeben, wenn nach einem vereinbarten
Statut für alle Mitglieder in gewissen Formen einheitlich über
subjektive Rechtsverhältnisse verfügt wird. Ihre Eigenart besteht
darin, daß sie, weil auf Rechtsgeschäft (Statut) beruhend, 1. einen
solche Rechtsgeschäfte vorsehenden Rechtssatz voraussetzen, also
nur bedingte Geltung haben; 2. im Verhältnis zum objektiven
Recht zufällig sind, d. h. begründet werden können oder auch
nicht, ohne Verletzung des objektiven Rechts; und 3. sich be-
ziehen auf Rechte und Pflichten, die in der Verfügung von Privat-
personen sind, also auf private Rechtsverhältnisse und die daraus
entstehenden Befugnisse, nicht auf die Anwendung zwingender
Rechtssätze, denn die kann nur dem Staate zustehen; sie beziehen

1 Carre de Malberg,Theorie generale de l'Etat I 60, II 165.
2 Ebenso Schuppe, Gewohnheitsrecht 53: das Recht verkörpert sich
in der Staatseinrichtung.

II. Teil. Die staatliche Verfassung.
bindlich, weil er ihr zugestimmt hat, also nur für denjenigen, der
ihr zugestimmt hat oder zustimmt, sondern für jeden, der ihm
angehören soll, kraft Rechtssatzes, ex lege, ohne Rücksicht auf
seinen Willen. Wenn ein Vertrag gleichen Inhaltes wie die Ver-
fassung abgeschlossen würde, so könnten aus diesem Vertrags-
verhältnis die Pflichten der Staatszugehörigkeit, wie sie sind,
nicht erklärt werden. Denn das Verhältnis der Staatsbürger zum
Staat ist kein vertragsmäßiges1; es steht für seinen Bestand so
wenig wie für seine Entstehung und sein Erlöschen oder seine
Abänderung unter den Regeln des Vertragsrechts. Und endlich:
die staatliche Einrichtung ist nicht verbindlich aus einem vor ihr
bestehenden Rechtsgrund, einem Rechtsgeschäft nämlich, dessen
Verbindlichkeit wieder aus einer vor dem Staate schon bestehenden
Rechtsordnung abzuleiten wäre; denn die staatliche Organisation,
die Verfassung, läßt sich auf keinen anderen Rechtsgrund zurück-
führen (siehe unten S. 202).

Die staatliche Organisation ist eine rechtssatzmäßige; sie
beruht auf Rechtssatz und besteht kraft Rechtssatzes (Verfassung);
sie ist ja auch bestimmt, objektives Recht, die Rechtsordnung
des Landes, zu schaffen und anzuwenden. Das macht ihre Bestim-
mung und ihr Wesen aus2.

Es gibt allerdings auch Organisationen, die auf Rechtsgeschäft
beruhen: die organisierten Verbände des Privatrechts. Solche
Organisationen sind gegeben, wenn nach einem vereinbarten
Statut für alle Mitglieder in gewissen Formen einheitlich über
subjektive Rechtsverhältnisse verfügt wird. Ihre Eigenart besteht
darin, daß sie, weil auf Rechtsgeschäft (Statut) beruhend, 1. einen
solche Rechtsgeschäfte vorsehenden Rechtssatz voraussetzen, also
nur bedingte Geltung haben; 2. im Verhältnis zum objektiven
Recht zufällig sind, d. h. begründet werden können oder auch
nicht, ohne Verletzung des objektiven Rechts; und 3. sich be-
ziehen auf Rechte und Pflichten, die in der Verfügung von Privat-
personen sind, also auf private Rechtsverhältnisse und die daraus
entstehenden Befugnisse, nicht auf die Anwendung zwingender
Rechtssätze, denn die kann nur dem Staate zustehen; sie beziehen

1 Carré de Malberg,Theorie générale de l'Etat I 60, II 165.
2 Ebenso Schuppe, Gewohnheitsrecht 53: das Recht verkörpert sich
in der Staatseinrichtung.
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[142/0157] II. Teil. Die staatliche Verfassung. bindlich, weil er ihr zugestimmt hat, also nur für denjenigen, der ihr zugestimmt hat oder zustimmt, sondern für jeden, der ihm angehören soll, kraft Rechtssatzes, ex lege, ohne Rücksicht auf seinen Willen. Wenn ein Vertrag gleichen Inhaltes wie die Ver- fassung abgeschlossen würde, so könnten aus diesem Vertrags- verhältnis die Pflichten der Staatszugehörigkeit, wie sie sind, nicht erklärt werden. Denn das Verhältnis der Staatsbürger zum Staat ist kein vertragsmäßiges 1; es steht für seinen Bestand so wenig wie für seine Entstehung und sein Erlöschen oder seine Abänderung unter den Regeln des Vertragsrechts. Und endlich: die staatliche Einrichtung ist nicht verbindlich aus einem vor ihr bestehenden Rechtsgrund, einem Rechtsgeschäft nämlich, dessen Verbindlichkeit wieder aus einer vor dem Staate schon bestehenden Rechtsordnung abzuleiten wäre; denn die staatliche Organisation, die Verfassung, läßt sich auf keinen anderen Rechtsgrund zurück- führen (siehe unten S. 202). Die staatliche Organisation ist eine rechtssatzmäßige; sie beruht auf Rechtssatz und besteht kraft Rechtssatzes (Verfassung); sie ist ja auch bestimmt, objektives Recht, die Rechtsordnung des Landes, zu schaffen und anzuwenden. Das macht ihre Bestim- mung und ihr Wesen aus 2. Es gibt allerdings auch Organisationen, die auf Rechtsgeschäft beruhen: die organisierten Verbände des Privatrechts. Solche Organisationen sind gegeben, wenn nach einem vereinbarten Statut für alle Mitglieder in gewissen Formen einheitlich über subjektive Rechtsverhältnisse verfügt wird. Ihre Eigenart besteht darin, daß sie, weil auf Rechtsgeschäft (Statut) beruhend, 1. einen solche Rechtsgeschäfte vorsehenden Rechtssatz voraussetzen, also nur bedingte Geltung haben; 2. im Verhältnis zum objektiven Recht zufällig sind, d. h. begründet werden können oder auch nicht, ohne Verletzung des objektiven Rechts; und 3. sich be- ziehen auf Rechte und Pflichten, die in der Verfügung von Privat- personen sind, also auf private Rechtsverhältnisse und die daraus entstehenden Befugnisse, nicht auf die Anwendung zwingender Rechtssätze, denn die kann nur dem Staate zustehen; sie beziehen 1 Carré de Malberg,Theorie générale de l'Etat I 60, II 165. 2 Ebenso Schuppe, Gewohnheitsrecht 53: das Recht verkörpert sich in der Staatseinrichtung.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/157>, abgerufen am 25.11.2024.