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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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Der Zweck der staatlichen Organisation.
und was er ihnen vorschreibt, ist nicht mehr ein allgemeinverbind-
licher Rechtssatz, sondern eine Dienstvorschrift der höheren Ver-
waltungsinstanz an die untere. Stellt man sich vor, daß alle
gesellschaftliche (andere berührende) Tätigkeit derart geregelt,
d. h. verstaatlicht wäre, so gäbe es kein allgemeinverbindliches
Recht mehr, sondern nur noch Beamten-, Dienstrecht1.

Die heutige Organisation des Staates ist nun aber aufgebaut
auf der Unterscheidung zwischen allgemeinverbindlichen Normen
und bloßen Dienstvorschriften; zwischen "öffentlichem" (nicht
nur die Staatsbediensteten angehendes) Recht und Amtsrecht.
Das erste soll nach konstitutioneller Auffassung nur durch die
gesetzgebende Behörde erlassen werden; das zweite mag auch
durch die Regierung aufgestellt werden. Die gesetzgebende Be-
hörde sollte aber, eben deswegen, aus den Vertretern derjenigen,
die durch ihre Gesetze verpflichtet werden sollen, gebildet werden2, im Gegensatz zu denjenigen Personen, die, im Dienste der staat-
lichen Gewalt, der "Gesellschaft"3 gegenüberstanden, und deren

1 Vgl. meinen Aufsatz: Gewaltentrennung und Unvereinbarkeit im
Schweizer. Staatsrecht, in der Festgabe für Ph. Lotmar (1920) 101 f.
2 Gemäß der naturrechtlichen Anschauung, wie sie zur Zeit der Ent-
stehung unseres Verfassungsrechts herrschte, daß die Volksgenossen nur
mit ihrer eigenen Zustimmung oder mit der ihrer Vertreter verpflichtet
werden könnten.
3 Als "Gesellschaft", "gesellschaftlich", "sozial" bezeichnet man be-
kanntlich sehr verschiedenes; z. B. v. Mohl, Geschichte und Literatur der
Staatswissenschaften I 67; Stammler, Wirtschaft und Recht § 17; Sauer,
Die Grundlagen 142 und die dort angeführte Literatur; aber in einer Be-
deutung bringt der Staat den Gegensatz der Gesamtheit der nach Willkür
handelnden Privatpersonen und der organisierten Rechtsgemeinschaft, die
sich im Staat verkörpert, zum Ausdruck; sie beruht dann auf dem Gegen-
satz von öffentlichem Recht und Privatrecht. Binder, Philosophie 600;
Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft, 3. A. (1920) 157: die Gesellschaft
beruht auf "Kürwille"; Hänel, Deutsches Staatsrecht I 133. -- Gesellschaft
in diesem Sinne ist ein sekundärer Begriff: man kann sich die rechtsgeschäft-
lich tätige Gesellschaft nur denken als unter einem Privatrecht stehend,
also auch nur unter einem Staate. Der Begriff der Gesellschaft geht nicht
dem des Staates voraus, wie es häufig dargestellt wird, weder logisch noch
historisch. Wenn der Begriff der Gesellschaft im Sinne des Gegensatzes
zum Staat auf dem Gegensatz von privatem und öffentlichem Recht beruht,
ist es nicht verwunderlich, daß die ("bürgerliche") Gesellschaft die Ge-
meinschaft der Vermögensinteressen, der Privatwirtschaft bedeute. Vgl.

Der Zweck der staatlichen Organisation.
und was er ihnen vorschreibt, ist nicht mehr ein allgemeinverbind-
licher Rechtssatz, sondern eine Dienstvorschrift der höheren Ver-
waltungsinstanz an die untere. Stellt man sich vor, daß alle
gesellschaftliche (andere berührende) Tätigkeit derart geregelt,
d. h. verstaatlicht wäre, so gäbe es kein allgemeinverbindliches
Recht mehr, sondern nur noch Beamten-, Dienstrecht1.

Die heutige Organisation des Staates ist nun aber aufgebaut
auf der Unterscheidung zwischen allgemeinverbindlichen Normen
und bloßen Dienstvorschriften; zwischen „öffentlichem“ (nicht
nur die Staatsbediensteten angehendes) Recht und Amtsrecht.
Das erste soll nach konstitutioneller Auffassung nur durch die
gesetzgebende Behörde erlassen werden; das zweite mag auch
durch die Regierung aufgestellt werden. Die gesetzgebende Be-
hörde sollte aber, eben deswegen, aus den Vertretern derjenigen,
die durch ihre Gesetze verpflichtet werden sollen, gebildet werden2, im Gegensatz zu denjenigen Personen, die, im Dienste der staat-
lichen Gewalt, der „Gesellschaft“3 gegenüberstanden, und deren

1 Vgl. meinen Aufsatz: Gewaltentrennung und Unvereinbarkeit im
Schweizer. Staatsrecht, in der Festgabe für Ph. Lotmar (1920) 101 f.
2 Gemäß der naturrechtlichen Anschauung, wie sie zur Zeit der Ent-
stehung unseres Verfassungsrechts herrschte, daß die Volksgenossen nur
mit ihrer eigenen Zustimmung oder mit der ihrer Vertreter verpflichtet
werden könnten.
3 Als „Gesellschaft“, „gesellschaftlich“, „sozial“ bezeichnet man be-
kanntlich sehr verschiedenes; z. B. v. Mohl, Geschichte und Literatur der
Staatswissenschaften I 67; Stammler, Wirtschaft und Recht § 17; Sauer,
Die Grundlagen 142 und die dort angeführte Literatur; aber in einer Be-
deutung bringt der Staat den Gegensatz der Gesamtheit der nach Willkür
handelnden Privatpersonen und der organisierten Rechtsgemeinschaft, die
sich im Staat verkörpert, zum Ausdruck; sie beruht dann auf dem Gegen-
satz von öffentlichem Recht und Privatrecht. Binder, Philosophie 600;
Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft, 3. A. (1920) 157: die Gesellschaft
beruht auf „Kürwille“; Hänel, Deutsches Staatsrecht I 133. — Gesellschaft
in diesem Sinne ist ein sekundärer Begriff: man kann sich die rechtsgeschäft-
lich tätige Gesellschaft nur denken als unter einem Privatrecht stehend,
also auch nur unter einem Staate. Der Begriff der Gesellschaft geht nicht
dem des Staates voraus, wie es häufig dargestellt wird, weder logisch noch
historisch. Wenn der Begriff der Gesellschaft im Sinne des Gegensatzes
zum Staat auf dem Gegensatz von privatem und öffentlichem Recht beruht,
ist es nicht verwunderlich, daß die („bürgerliche“) Gesellschaft die Ge-
meinschaft der Vermögensinteressen, der Privatwirtschaft bedeute. Vgl.
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[139/0154] Der Zweck der staatlichen Organisation. und was er ihnen vorschreibt, ist nicht mehr ein allgemeinverbind- licher Rechtssatz, sondern eine Dienstvorschrift der höheren Ver- waltungsinstanz an die untere. Stellt man sich vor, daß alle gesellschaftliche (andere berührende) Tätigkeit derart geregelt, d. h. verstaatlicht wäre, so gäbe es kein allgemeinverbindliches Recht mehr, sondern nur noch Beamten-, Dienstrecht 1. Die heutige Organisation des Staates ist nun aber aufgebaut auf der Unterscheidung zwischen allgemeinverbindlichen Normen und bloßen Dienstvorschriften; zwischen „öffentlichem“ (nicht nur die Staatsbediensteten angehendes) Recht und Amtsrecht. Das erste soll nach konstitutioneller Auffassung nur durch die gesetzgebende Behörde erlassen werden; das zweite mag auch durch die Regierung aufgestellt werden. Die gesetzgebende Be- hörde sollte aber, eben deswegen, aus den Vertretern derjenigen, die durch ihre Gesetze verpflichtet werden sollen, gebildet werden 2, im Gegensatz zu denjenigen Personen, die, im Dienste der staat- lichen Gewalt, der „Gesellschaft“ 3 gegenüberstanden, und deren 1 Vgl. meinen Aufsatz: Gewaltentrennung und Unvereinbarkeit im Schweizer. Staatsrecht, in der Festgabe für Ph. Lotmar (1920) 101 f. 2 Gemäß der naturrechtlichen Anschauung, wie sie zur Zeit der Ent- stehung unseres Verfassungsrechts herrschte, daß die Volksgenossen nur mit ihrer eigenen Zustimmung oder mit der ihrer Vertreter verpflichtet werden könnten. 3 Als „Gesellschaft“, „gesellschaftlich“, „sozial“ bezeichnet man be- kanntlich sehr verschiedenes; z. B. v. Mohl, Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften I 67; Stammler, Wirtschaft und Recht § 17; Sauer, Die Grundlagen 142 und die dort angeführte Literatur; aber in einer Be- deutung bringt der Staat den Gegensatz der Gesamtheit der nach Willkür handelnden Privatpersonen und der organisierten Rechtsgemeinschaft, die sich im Staat verkörpert, zum Ausdruck; sie beruht dann auf dem Gegen- satz von öffentlichem Recht und Privatrecht. Binder, Philosophie 600; Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft, 3. A. (1920) 157: die Gesellschaft beruht auf „Kürwille“; Hänel, Deutsches Staatsrecht I 133. — Gesellschaft in diesem Sinne ist ein sekundärer Begriff: man kann sich die rechtsgeschäft- lich tätige Gesellschaft nur denken als unter einem Privatrecht stehend, also auch nur unter einem Staate. Der Begriff der Gesellschaft geht nicht dem des Staates voraus, wie es häufig dargestellt wird, weder logisch noch historisch. Wenn der Begriff der Gesellschaft im Sinne des Gegensatzes zum Staat auf dem Gegensatz von privatem und öffentlichem Recht beruht, ist es nicht verwunderlich, daß die („bürgerliche“) Gesellschaft die Ge- meinschaft der Vermögensinteressen, der Privatwirtschaft bedeute. Vgl.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/154>, abgerufen am 24.11.2024.