schiedener Weise abgegrenzt werden können; aber immer so, daß, was dem einen zukommt, dem anderen abgeht, wechselweise1.
Man muß sich diese wechselweise Verschiebung der Kreise nur nicht genetisch, sondern logisch denken. Im Laufe der Zeit bleibt die Summe der privaten Rechte und Pflichten allerdings nicht dieselbe, sondern sie kann größer oder kleiner werden. Es entstehen fortwährend neue Pflichten und Rechte durch rechts- erhebliche Tatsachen, Rechtsverletzungen oder Rechtsgeschäfte; ein geschäftliches Unternehmen z. B. erwirbt fortwährend neue Rechte und Pflichten; andere gehen unter; wenn das Unternehmen sich ausdehnt und vergrößert, wird die Summe seiner Rechte wahrscheinlich größer; wenn es seine Tätigkeit einschränken muß, wahrscheinlich kleiner. Aber ein bestimmter Rechtsbestand in einem bestimmten Zeitpunkt als gegeben angenommen, und das ist ja der Standpunkt, auf den sich der Richter stellen muß, so kann innert dieser gegebenen Summe von Verpflichtungen und Berechtigungen der Kreis der Rechte des einen nicht vermehrt werden, ohne daß der Kreis der anderen (oder eines anderen) sich vermindert. Es ist eine bestimmte Summe von Berechtigungen und Verpflichtungen, die es gilt, unter die Teilhaber zu verteilen; eben alle gegenwärtig bestehenden privatrechtlichen. Wenn die eingebaute Maschine als Bestandteil des Hauses bezeichnet wird, kann der Lieferant der Maschine kein besonderes Eigentum daran haben usw.
Diese Aufgabe ist nur erfüllt, wenn das Gesetzalle Berech- tigungen und Verpflichtungen verteilt; oder besser gesagt: wenn es in jeder Beziehung entscheidet, welches die wechselseitigen Rechte und Pflichten sind, wer in der betreffenden Beziehung berechtigt und wer verpflichtet ist. Tut es das nicht, so bleibt eine notwendig zu entscheidende Frage unentschieden; es bleibt eine eigentliche Lücke. Der vom Recht selbst gezogene Rahmen bleibt unausge- füllt, das System unvollständig.
Auch der umgekehrte logische Fehler ist denkbar: daß das Gesetz zwar eine Entscheidung trifft, aber eine widerspruchsvolle, d. h. eine Regel, die die anzunehmenden Berechtigungen nicht restlos aufteilt, sondern unausgeschieden läßt, indem sie, so wie
1 Angedeutet scheint dieser Gedanke bei Darmstaedter, Recht und Rechtsordnung (1925) 21.
Die Lücken des Gesetzes.
schiedener Weise abgegrenzt werden können; aber immer so, daß, was dem einen zukommt, dem anderen abgeht, wechselweise1.
Man muß sich diese wechselweise Verschiebung der Kreise nur nicht genetisch, sondern logisch denken. Im Laufe der Zeit bleibt die Summe der privaten Rechte und Pflichten allerdings nicht dieselbe, sondern sie kann größer oder kleiner werden. Es entstehen fortwährend neue Pflichten und Rechte durch rechts- erhebliche Tatsachen, Rechtsverletzungen oder Rechtsgeschäfte; ein geschäftliches Unternehmen z. B. erwirbt fortwährend neue Rechte und Pflichten; andere gehen unter; wenn das Unternehmen sich ausdehnt und vergrößert, wird die Summe seiner Rechte wahrscheinlich größer; wenn es seine Tätigkeit einschränken muß, wahrscheinlich kleiner. Aber ein bestimmter Rechtsbestand in einem bestimmten Zeitpunkt als gegeben angenommen, und das ist ja der Standpunkt, auf den sich der Richter stellen muß, so kann innert dieser gegebenen Summe von Verpflichtungen und Berechtigungen der Kreis der Rechte des einen nicht vermehrt werden, ohne daß der Kreis der anderen (oder eines anderen) sich vermindert. Es ist eine bestimmte Summe von Berechtigungen und Verpflichtungen, die es gilt, unter die Teilhaber zu verteilen; eben alle gegenwärtig bestehenden privatrechtlichen. Wenn die eingebaute Maschine als Bestandteil des Hauses bezeichnet wird, kann der Lieferant der Maschine kein besonderes Eigentum daran haben usw.
Diese Aufgabe ist nur erfüllt, wenn das Gesetzalle Berech- tigungen und Verpflichtungen verteilt; oder besser gesagt: wenn es in jeder Beziehung entscheidet, welches die wechselseitigen Rechte und Pflichten sind, wer in der betreffenden Beziehung berechtigt und wer verpflichtet ist. Tut es das nicht, so bleibt eine notwendig zu entscheidende Frage unentschieden; es bleibt eine eigentliche Lücke. Der vom Recht selbst gezogene Rahmen bleibt unausge- füllt, das System unvollständig.
Auch der umgekehrte logische Fehler ist denkbar: daß das Gesetz zwar eine Entscheidung trifft, aber eine widerspruchsvolle, d. h. eine Regel, die die anzunehmenden Berechtigungen nicht restlos aufteilt, sondern unausgeschieden läßt, indem sie, so wie
1 Angedeutet scheint dieser Gedanke bei Darmstaedter, Recht und Rechtsordnung (1925) 21.
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Die Lücken des Gesetzes.
schiedener Weise abgegrenzt werden können; aber immer so, daß,
was dem einen zukommt, dem anderen abgeht, wechselweise 1.
Man muß sich diese wechselweise Verschiebung der Kreise
nur nicht genetisch, sondern logisch denken. Im Laufe der Zeit
bleibt die Summe der privaten Rechte und Pflichten allerdings
nicht dieselbe, sondern sie kann größer oder kleiner werden.
Es entstehen fortwährend neue Pflichten und Rechte durch rechts-
erhebliche Tatsachen, Rechtsverletzungen oder Rechtsgeschäfte;
ein geschäftliches Unternehmen z. B. erwirbt fortwährend neue
Rechte und Pflichten; andere gehen unter; wenn das Unternehmen
sich ausdehnt und vergrößert, wird die Summe seiner Rechte
wahrscheinlich größer; wenn es seine Tätigkeit einschränken muß,
wahrscheinlich kleiner. Aber ein bestimmter Rechtsbestand in
einem bestimmten Zeitpunkt als gegeben angenommen, und das
ist ja der Standpunkt, auf den sich der Richter stellen muß, so
kann innert dieser gegebenen Summe von Verpflichtungen und
Berechtigungen der Kreis der Rechte des einen nicht vermehrt
werden, ohne daß der Kreis der anderen (oder eines anderen) sich
vermindert. Es ist eine bestimmte Summe von Berechtigungen
und Verpflichtungen, die es gilt, unter die Teilhaber zu verteilen;
eben alle gegenwärtig bestehenden privatrechtlichen. Wenn die
eingebaute Maschine als Bestandteil des Hauses bezeichnet wird,
kann der Lieferant der Maschine kein besonderes Eigentum daran
haben usw.
Diese Aufgabe ist nur erfüllt, wenn das Gesetzalle Berech-
tigungen und Verpflichtungen verteilt; oder besser gesagt: wenn es
in jeder Beziehung entscheidet, welches die wechselseitigen Rechte
und Pflichten sind, wer in der betreffenden Beziehung berechtigt
und wer verpflichtet ist. Tut es das nicht, so bleibt eine notwendig
zu entscheidende Frage unentschieden; es bleibt eine eigentliche
Lücke. Der vom Recht selbst gezogene Rahmen bleibt unausge-
füllt, das System unvollständig.
Auch der umgekehrte logische Fehler ist denkbar: daß das
Gesetz zwar eine Entscheidung trifft, aber eine widerspruchsvolle,
d. h. eine Regel, die die anzunehmenden Berechtigungen nicht
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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/124>, abgerufen am 22.11.2024.
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