Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.Die wohlerworbenen Rechte. vielleicht auch der frühere Fabrikant, der ihm das Geschäftverkauft hat, ihren Gewinn behalten, während seine Gläubiger am Verlust teilnehmen. Der Gesetzgeber wird diese Einheit des privatrechtlichen Vermögenssystems berücksichtigen müssen, und er wird es um so mehr tun müssen, als er den Mißbrauch länger geduldet hat. Denn seine Aufgabe ist es ja, alles, was verbietenswert ist, sofort zu verbieten, und wenn er dieser Aufgabe vollkommen nachkäme, entstünde unsere Frage nicht. Wenn sie aber infolge der Unvollkommenheit der Gesetzgebungs- maschine entsteht, wird sie nicht ohne jede Rücksicht auf die Einheit des privatrechtlichen Vermögenssystems beantwortet wer- den können. Anders verhält es sich aber, wenn das neue Recht den Vorteil, Daß der Betroffene hier wie im ersten Fall verpflichtet ist, Hierher gehört insbesondere auch der Fall, wo der Staat als Die wohlerworbenen Rechte. vielleicht auch der frühere Fabrikant, der ihm das Geschäftverkauft hat, ihren Gewinn behalten, während seine Gläubiger am Verlust teilnehmen. Der Gesetzgeber wird diese Einheit des privatrechtlichen Vermögenssystems berücksichtigen müssen, und er wird es um so mehr tun müssen, als er den Mißbrauch länger geduldet hat. Denn seine Aufgabe ist es ja, alles, was verbietenswert ist, sofort zu verbieten, und wenn er dieser Aufgabe vollkommen nachkäme, entstünde unsere Frage nicht. Wenn sie aber infolge der Unvollkommenheit der Gesetzgebungs- maschine entsteht, wird sie nicht ohne jede Rücksicht auf die Einheit des privatrechtlichen Vermögenssystems beantwortet wer- den können. Anders verhält es sich aber, wenn das neue Recht den Vorteil, Daß der Betroffene hier wie im ersten Fall verpflichtet ist, Hierher gehört insbesondere auch der Fall, wo der Staat als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0116" n="101"/><fw place="top" type="header">Die wohlerworbenen Rechte.</fw><lb/> vielleicht auch der frühere Fabrikant, der ihm das Geschäft<lb/> verkauft hat, ihren Gewinn behalten, während seine Gläubiger<lb/> am Verlust teilnehmen. Der Gesetzgeber wird diese Einheit des<lb/> privatrechtlichen Vermögenssystems berücksichtigen müssen, und<lb/> er wird es um so mehr tun müssen, als er den Mißbrauch<lb/> länger geduldet hat. Denn seine Aufgabe ist es ja, alles, was<lb/> verbietenswert ist, sofort zu verbieten, und wenn er dieser<lb/> Aufgabe vollkommen nachkäme, entstünde unsere Frage nicht.<lb/> Wenn sie aber infolge der Unvollkommenheit der Gesetzgebungs-<lb/> maschine entsteht, wird sie nicht ohne jede Rücksicht auf die<lb/> Einheit des privatrechtlichen Vermögenssystems beantwortet wer-<lb/> den können.</p><lb/> <p>Anders verhält es sich aber, wenn das neue Recht den Vorteil,<lb/> den die Privaten bisher kraft privater Rechte oder durch Begrün-<lb/> dung solcher erzielten, nicht mißbilligt, sondern das Gebiet, auf<lb/> welchem sich die private Autonomie betätigte, aus anderen Er-<lb/> wägungen einschränkt; solche Erwägungen werden namentlich<lb/><hi rendition="#b">wirtschafts-</hi> und <hi rendition="#b">finanzpolitische</hi> sein. Wenn der Staat z. B. den<lb/> Unterricht oder einen Zweig des Versicherungsgewerbes oder<lb/> die Versorgung mit Elektrizität an sich zieht. Die Tätigkeit, die<lb/> hier verboten wird, soll nicht als unzulässig oder minderwertig<lb/> gekennzeichnet werden; sie ist vielleicht eine dem gesellschaftlichen<lb/> Körper unentbehrliche Funktion und sie soll nicht mißbilligt, auch<lb/> nicht unterdrückt, sondern nur in anderer Rechtsform weiter-<lb/> geführt werden (vgl. S. 136).</p><lb/> <p>Daß der Betroffene hier wie im ersten Fall verpflichtet ist,<lb/> sich für die Zukunft eine andere Tätigkeit zu suchen (und nicht<lb/> einfach den entgehenden Gewinn als Schaden anrechnen kann,<lb/> wie wenn das neue Recht nicht sein sollte), ist klar; aber er wird<lb/> mit Recht geltend machen können, daß kein Grund besteht, ihn<lb/> gegenüber anderen Gewerbetreibenden in seinem Vermögen zu<lb/> schädigen, und daß ihm billigerweise Ersatz gebührt für den<lb/> Schaden, den er dadurch erleidet, daß er sich auf die Gültigkeit<lb/> der früheren Ordnung verlassen und sich in guten Treuen auf jene<lb/> erlaubte Tätigkeit eingerichtet hatte.</p><lb/> <p>Hierher gehört insbesondere auch der Fall, wo der Staat als<lb/> Gesetzgeber in Verhältnisse eingreift, die er selbst, als Staat,<lb/> geschaffen hatte, in Rechtsverhältnisse also, die er nicht durch<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [101/0116]
Die wohlerworbenen Rechte.
vielleicht auch der frühere Fabrikant, der ihm das Geschäft
verkauft hat, ihren Gewinn behalten, während seine Gläubiger
am Verlust teilnehmen. Der Gesetzgeber wird diese Einheit des
privatrechtlichen Vermögenssystems berücksichtigen müssen, und
er wird es um so mehr tun müssen, als er den Mißbrauch
länger geduldet hat. Denn seine Aufgabe ist es ja, alles, was
verbietenswert ist, sofort zu verbieten, und wenn er dieser
Aufgabe vollkommen nachkäme, entstünde unsere Frage nicht.
Wenn sie aber infolge der Unvollkommenheit der Gesetzgebungs-
maschine entsteht, wird sie nicht ohne jede Rücksicht auf die
Einheit des privatrechtlichen Vermögenssystems beantwortet wer-
den können.
Anders verhält es sich aber, wenn das neue Recht den Vorteil,
den die Privaten bisher kraft privater Rechte oder durch Begrün-
dung solcher erzielten, nicht mißbilligt, sondern das Gebiet, auf
welchem sich die private Autonomie betätigte, aus anderen Er-
wägungen einschränkt; solche Erwägungen werden namentlich
wirtschafts- und finanzpolitische sein. Wenn der Staat z. B. den
Unterricht oder einen Zweig des Versicherungsgewerbes oder
die Versorgung mit Elektrizität an sich zieht. Die Tätigkeit, die
hier verboten wird, soll nicht als unzulässig oder minderwertig
gekennzeichnet werden; sie ist vielleicht eine dem gesellschaftlichen
Körper unentbehrliche Funktion und sie soll nicht mißbilligt, auch
nicht unterdrückt, sondern nur in anderer Rechtsform weiter-
geführt werden (vgl. S. 136).
Daß der Betroffene hier wie im ersten Fall verpflichtet ist,
sich für die Zukunft eine andere Tätigkeit zu suchen (und nicht
einfach den entgehenden Gewinn als Schaden anrechnen kann,
wie wenn das neue Recht nicht sein sollte), ist klar; aber er wird
mit Recht geltend machen können, daß kein Grund besteht, ihn
gegenüber anderen Gewerbetreibenden in seinem Vermögen zu
schädigen, und daß ihm billigerweise Ersatz gebührt für den
Schaden, den er dadurch erleidet, daß er sich auf die Gültigkeit
der früheren Ordnung verlassen und sich in guten Treuen auf jene
erlaubte Tätigkeit eingerichtet hatte.
Hierher gehört insbesondere auch der Fall, wo der Staat als
Gesetzgeber in Verhältnisse eingreift, die er selbst, als Staat,
geschaffen hatte, in Rechtsverhältnisse also, die er nicht durch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |