Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.Die wohlerworbenen Rechte. bisherigen Recht, aber nicht zu bisherigem Privatrecht und zuschon bestehenden Privatrechten, sondern zum bisherigen öffent- lichen Recht, nämlich zum öffentlich-rechtlichen Grundsatz der freien Praxis; also eine Frage richtiger, sachlich begründeter Aus- gestaltung des neuen Rechts, wie oben (S. 89) bemerkt. Aber akut für die Privaten wird die Entscheidung dieser Frage doch auch nur wegen ihres mittelbaren Zusammenhanges mit dem Privatrecht, nämlich wegen ihrer mittelbaren Wirkungen auf das Privatver- mögen; gäbe es überhaupt kein Privatrecht mehr und wären die Ärzte, wie auch die anderen Versorger menschlicher Bedürfnisse staatliche Angestellte, wäre ihr Beruf also ein öffentliches Amt, so hätte unsere Frage jene akute Bedeutung nicht; es würde sich dann wohl fragen, ob die bisher als Ärzte verwendeten Personen in diesem Amte zu belassen seien; aber der Staat hätte dafür zu sorgen und müßte die ihren Fähigkeiten angemessene Verwendung ausfindig machen. Ist aber der Broterwerb Privatsache, muß jeder mit seinen Mitteln für seinen Unterhalt sorgen, so greift der Staat in die Privatwirtschaft ein, wenn er dem Privaten die Mög- lichkeit, sich diese Mittel zu verschaffen, beschränkt; und die nachträgliche Änderung oder besser: der Umstand, daß der neue Rechtssatz nicht immer bestanden hat, macht gerade den Eingriff in die Bedingungen des privaten Gewerbes so schmerzhaft. Ebenso ist es nicht eine Frage der eigentlichen Rückwirkung, Die wohlerworbenen Rechte. bisherigen Recht, aber nicht zu bisherigem Privatrecht und zuschon bestehenden Privatrechten, sondern zum bisherigen öffent- lichen Recht, nämlich zum öffentlich-rechtlichen Grundsatz der freien Praxis; also eine Frage richtiger, sachlich begründeter Aus- gestaltung des neuen Rechts, wie oben (S. 89) bemerkt. Aber akut für die Privaten wird die Entscheidung dieser Frage doch auch nur wegen ihres mittelbaren Zusammenhanges mit dem Privatrecht, nämlich wegen ihrer mittelbaren Wirkungen auf das Privatver- mögen; gäbe es überhaupt kein Privatrecht mehr und wären die Ärzte, wie auch die anderen Versorger menschlicher Bedürfnisse staatliche Angestellte, wäre ihr Beruf also ein öffentliches Amt, so hätte unsere Frage jene akute Bedeutung nicht; es würde sich dann wohl fragen, ob die bisher als Ärzte verwendeten Personen in diesem Amte zu belassen seien; aber der Staat hätte dafür zu sorgen und müßte die ihren Fähigkeiten angemessene Verwendung ausfindig machen. Ist aber der Broterwerb Privatsache, muß jeder mit seinen Mitteln für seinen Unterhalt sorgen, so greift der Staat in die Privatwirtschaft ein, wenn er dem Privaten die Mög- lichkeit, sich diese Mittel zu verschaffen, beschränkt; und die nachträgliche Änderung oder besser: der Umstand, daß der neue Rechtssatz nicht immer bestanden hat, macht gerade den Eingriff in die Bedingungen des privaten Gewerbes so schmerzhaft. Ebenso ist es nicht eine Frage der eigentlichen Rückwirkung, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0108" n="93"/><fw place="top" type="header">Die wohlerworbenen Rechte.</fw><lb/> bisherigen Recht, aber nicht zu bisherigem Privatrecht und zu<lb/> schon bestehenden Privatrechten, sondern zum bisherigen öffent-<lb/> lichen Recht, nämlich zum öffentlich-rechtlichen Grundsatz der<lb/> freien Praxis; also eine Frage richtiger, sachlich begründeter Aus-<lb/> gestaltung des neuen Rechts, wie oben (S. 89) bemerkt. 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Aber das ist eine Frage richtiger gesetz-<lb/> geberischer Ordnung; sie erhält ihre praktische Bedeutung für<lb/> die Angestellten allerdings dadurch, daß sie nicht im staatlichen<lb/> Dienste stehen, sondern auf den Abschluß von Privatgeschäften<lb/> für ihren Unterhalt angewiesen sind. Es ist zwar nicht die juristische<lb/> Schwierigkeit zu lösen, die wir als das eigentliche Problem der<lb/> Rückwirkung bezeichnet haben, was nämlich mit den bestehenden<lb/> Verträgen anzufangen sei; aber gesetzgebungspolitisch ist die<lb/> Frage mit jener verwandt, weil ihre Bedeutung ebenfalls auf<lb/> der Verschiebung der Grenzen zwischen privatrechtlicher Auto-<lb/> nomie und öffentlich-rechtlichem Zwang beruht.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [93/0108]
Die wohlerworbenen Rechte.
bisherigen Recht, aber nicht zu bisherigem Privatrecht und zu
schon bestehenden Privatrechten, sondern zum bisherigen öffent-
lichen Recht, nämlich zum öffentlich-rechtlichen Grundsatz der
freien Praxis; also eine Frage richtiger, sachlich begründeter Aus-
gestaltung des neuen Rechts, wie oben (S. 89) bemerkt. Aber akut
für die Privaten wird die Entscheidung dieser Frage doch auch nur
wegen ihres mittelbaren Zusammenhanges mit dem Privatrecht,
nämlich wegen ihrer mittelbaren Wirkungen auf das Privatver-
mögen; gäbe es überhaupt kein Privatrecht mehr und wären die
Ärzte, wie auch die anderen Versorger menschlicher Bedürfnisse
staatliche Angestellte, wäre ihr Beruf also ein öffentliches Amt,
so hätte unsere Frage jene akute Bedeutung nicht; es würde sich
dann wohl fragen, ob die bisher als Ärzte verwendeten Personen
in diesem Amte zu belassen seien; aber der Staat hätte dafür zu
sorgen und müßte die ihren Fähigkeiten angemessene Verwendung
ausfindig machen. Ist aber der Broterwerb Privatsache, muß
jeder mit seinen Mitteln für seinen Unterhalt sorgen, so greift der
Staat in die Privatwirtschaft ein, wenn er dem Privaten die Mög-
lichkeit, sich diese Mittel zu verschaffen, beschränkt; und die
nachträgliche Änderung oder besser: der Umstand, daß der
neue Rechtssatz nicht immer bestanden hat, macht gerade den
Eingriff in die Bedingungen des privaten Gewerbes so schmerzhaft.
Ebenso ist es nicht eine Frage der eigentlichen Rückwirkung,
wenn etwa privaten Versicherungsgesellschaften das Recht ent-
zogen wird, ihr Geschäft weiter zu betreiben, d. h. neue Ver-
sicherungsverträge abzuschließen. Gewiß muß sich der Gesetz-
geber auch die Frage vorlegen, was aus den Angestellten dieser
Gesellschaften werden soll. Aber das ist eine Frage richtiger gesetz-
geberischer Ordnung; sie erhält ihre praktische Bedeutung für
die Angestellten allerdings dadurch, daß sie nicht im staatlichen
Dienste stehen, sondern auf den Abschluß von Privatgeschäften
für ihren Unterhalt angewiesen sind. Es ist zwar nicht die juristische
Schwierigkeit zu lösen, die wir als das eigentliche Problem der
Rückwirkung bezeichnet haben, was nämlich mit den bestehenden
Verträgen anzufangen sei; aber gesetzgebungspolitisch ist die
Frage mit jener verwandt, weil ihre Bedeutung ebenfalls auf
der Verschiebung der Grenzen zwischen privatrechtlicher Auto-
nomie und öffentlich-rechtlichem Zwang beruht.
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